Verkehr in KölnWarum kaum jemand mit der neuen KVB-Linie 17 fährt

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Platz im Überfluss: Nach dem Berufs- und Schulverkehr verwaisen die Waggons der Linie 17.

Platz im Überfluss: Nach dem Berufs- und Schulverkehr verwaisen die Waggons der Linie 17.

Köln – Ohne Scheu rollen drei Jungen mit ihren Skateboards und Tretrollern durch den Waggon der fahrenden Straßenbahn. Hier können sie sich austoben – wie auf einem Spielplatz.

Angst, andere Fahrgäste zu stören, müssen sie nicht haben: Es ist 16 Uhr, und der Waggon der Stadtbahnlinie 17 beinahe leer. Wie fast am gesamten Tag. Nur für eine kurze Zeitspanne am Morgen – zwischen 7.30 und 8 Uhr – spucken die Bahnen in Michaelshoven und an den Endhaltestellen in Sürth und der Severinstraße unzählige Schüler, Lehrer und Berufspendler auf die Bahnsteige.

Meist weniger als 30 Personen

Danach verwaisen die Sitze. Wie die zehnstündige Testfahrt eines „Stadt-Anzeiger“-Reporters ergeben hat, wird nur selten eine Auslastung jenseits der 20 Prozent erreicht, meist sind es weniger als 30 Personen, die an einer der acht durchgängig angefahrenen Stationen hinzusteigen.

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Mehr als 350 könnte die KVB pro Tour in ihren beiden Wagen befördern.

7,5 Millionen Euro investiert

Die neue Linie war von Beginn an eine Notlösung, damit der südliche Teil der Nord-Süd-Stadtbahn nicht jahrelang ungenutzt bleibt. Hintergrund ist der Einsturz des Stadtarchivs am Waidmarkt im März 2009.

Die Staatsanwaltschaft und die Gutachter werden die Untersuchung an der Unglücksstelle wohl erst 2018 beenden. Die Sanierung des beschädigten U-Bahn-Bauwerks soll dann weitere fünf Jahre dauern, so dass die Bahn frühestens 2023 zwischen Heumarkt und Severinstraße fahren kann.

Auch in der entgegengesetzten Richtung gibt es Nachholbedarf. Die Stadt hatte eine vorzeitige Eröffnung des südlichen Teils aus Kostengründen abgelehnt. Eine Ratsmehrheit aus CDU, Grünen und FDP entschied 2013 dennoch, den umstrittenen Schritt zu unternehmen.

Die Diskussion hatte für tiefe Risse in der damaligen rot-grünen Koalition gesorgt. Das Herrichten der Strecke für die Linie 17 kostete 7,5 Millionen Euro. Für Zufriedenheit hat die Baumaßnahme jedoch noch nicht gesorgt.

Lesen Sie im nächsten Abschnitt: Warum die Linie 17 nur bis Rodenkirchen fährt.

„Es ist ein bisschen doof, dass die Linie 17 nur bis Rodenkirchen fährt“, sagt Parnaz Sarafrazi. Die 13-Jährige ist Schülerin am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium. „Viele aus meiner Klasse, die in Sürth leben, müssen erst die 16 nehmen und dann noch einmal umsteigen, um zur Schule zu kommen“.

Dass die Linie 17 für das Wendemanöver leer zwischen Rodenkirchen und Sürth pendelt, finde sie sehr komisch.

Warum die 17 nur bis Rodenkirchen fährt

Die Achtklässlerin spricht aus, was viele Kölner denken: Warum verzichtet die KVB darauf, die Haltestellen Sürth, Siegstraße und Michaelshoven durchgehend anzufahren? Besteht doch gerade an letztgenannter Station wegen der nahen Diakoniesiedlung und dem rasant wachsenden Wohnquartier Sürther Feld eine zunehmende Nachfrage nach einem regelmäßigen und schnellen Anschluss an die Innenstadt.

KVB-Sprecher Matthias Pesch erklärt: „Die Linie 17 kann in der Zeit von 7 bis 8 Uhr nach Sürth fahren, weil die dortige Wendeanlage in dieser Stunde nicht von der Linie 16 belegt ist.“ Zu anderen Tageszeiten würden sich die Bahnen in der Wendeanlage blockieren, weshalb die KVB dem Wunsch nach einem durchgehenden Takt der Linie 17 ab Sürth derzeit nicht nachkommen könne.

„Eine Anpassung des Fahrplans ist nicht möglich, da sich dieser aus der Betriebsabwicklung im Bereich der U-Bahn ergibt“, so Pesch. Ein Problem, das erst verschwinden wird, wenn die Nord-Süd-Bahn ihre komplette Strecke befahren wird, also in frühestens sieben Jahren.

Die für viele Kölner ärgerlichen Leerfahrten werden enden, sobald eine neue Wendeanlage an der Haltestelle Rodenkirchen fertiggestellt ist. Das wird spätestens Ende Januar der Fall sein, verspricht der Bauherr, die Häfen und Güterverkehr Köln AG.

Im Severinsviertel, wo sich vor allem die Ladenbesitzer mehr von der Teilinbetriebnahme versprochen hatten, macht bereits Sarkasmus die Runde. Die Liniennummer 17, heißt es hier, stehe vermutlich für die Anzahl der Kölner, die täglich befördert werden.

„Ich sehe bislang keine großen Personenströme“, sagt Georg Herkenrath. Von seinem Sportfachhandel besitzt er beste Sicht auf den südlichen Ausgang der Haltestelle Severinstraße. Brigitte Römer, Leiterin der Kik-Filiale, bestätigt: „Der große Boom für das Viertel ist bislang ausgeblieben. Die Laufkundschaft ist dieselbe geblieben.“

Einzelne profitieren stark

Der von der Stadt angestellte Veedelsmanager Jörg Aue verteidigt die Teilinbetriebnahme, für die die Interessengemeinschaft Severinstraße lange gekämpft hatte: „Die Vorteile, eine Infrastruktur zu nutzen, sind effizienter, als dass sie mit einem hohen Fixkostenanteil in Schuss gehalten werden muss.“ Inwieweit die Linie einen Aufschwung für das Viertel bringt, müsse man im Laufe des Jahres beobachten. Helfen soll dabei etwa eine Besucherfrequenzzählung mit Hilfe von Studenten.

Auch wenn das neue Angebot bislang nur von wenigen genutzt wird, profitieren Einzelne stark. „Ich finde die 17 toll“, schwärmt Tanja Schiewald. 15 Minuten kürzer sei nun der Weg von ihrem Wohnort Rodenkirchen bis zum Arbeitsplatz in Deutz. „Ich lasse mein Auto jetzt fast immer stehen.“ Dass Platz im Überfluss vorhanden ist, sieht die 50-Jährige als Ausgleich zur Tortur in der oft überfüllten 16, mit der sie „lange genug gestraft“ gewesen sei.

Auch Rosemarie Adler ist nun zehn Minuten früher zu Hause als bislang. „Für mich ist das ein Gewinn, aber dafür das ganze Theater der vergangenen Jahre?“, merkt sie an. Unheimlich findet sie auch den leeren Bahnsteig an der Severinstraße, vor allem abends. „Wäre dort kein Sicherheitspersonal, würde ich die 17 nicht nehmen.“

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