Veedels-CheckWahn muss das Rad nicht neu erfinden

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Ein Wahrzeichen: Das Schloss Wahn

Köln – Peter Besgen weiß genau, wann bei der Bundeswehr oder beim DLR Feierabend ist. „Das merkt man am Verkehr – vor allem auf der Heidestraße“, sagt Besgen, der in einem Haus direkt an der Kreuzung mit der Frankfurter Straße wohnt. An einem Knoten von zwei viel befahrenen Straßen zu wohnen, ist nicht jedermanns Sache. „Manchmal werde ich gefragt, wie ich das aushalte“, sagt Besgen. Doch den Lärm der vielen Autos, so der 67-Jährige, nehme er gar nicht mehr so wahr. Der ist aber vielen anderen ein Dorn im Auge. Eine Autobahn ohne Lärmschutz nennt so mancher Wahner Bürger die Heidestraße. Die war, wie auch die andere große Straße im Veedel – die Frankfurter Straße – mal richtig belebt.

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Ein Wahrzeichen: Das Schloss Wahn

Nicht wegen der Autos oder der Straßenbahn, die bis 1961 fuhr, sondern der Geschäfte wegen. Viele von denen gibt es nicht mehr. „Das Geschäftssterben hat auch vor Wahn nicht Halt gemacht“, sagt Maria Kuth. Sie weiß, wovon sie spricht. Ihre Buchhandlung in der Nähe der großen Kreuzung gibt es seit 40 Jahren. Auch die Eisdiele nebenan hält sich schon lange. Die Groove Bar, der frühere BiBo Club, ebenfalls. Doch von den drei Metzgern und vielen Fachgeschäften fehlt jede Spur. Für Kuth ist Wahn Heimat: „Immer wenn ich aus dem Urlaub kam und unsere Kirche sah, wusste ich, ich bin wieder zu Hause.“ Die Kirche, die sie meint, ist St. Aegidius. Erbaut worden ist sie in den Jahren 1893 bis 1895 als neugotische dreischiffige Backstein-Hallenkirche. Das Gotteshaus ragt unweit der Kreuzung empor, an der Peter Besgen wohnt und Maria Kuth ihr Geschäft hat. Im Inneren überspannt ein zwischen 1990 und 1992 erneuertes Kreuzrippengewölbe die noch originale Ausstattung. Die Ausmalung ist nach dem historischen Befund erneuert worden. In unmittelbarer Nähe zur Kirche, die zur Weihnachtszeit stadtweit auch für die Hänneschen-Krippe bekannt ist, hatte die Familie Besgen ein Lokal.

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Bau-Boom: Rund ums Schloss Wahn sind am Bahnhof viele neue Wohnhäuser entstanden.                                                                                                      

„Die ,Restauration zum Stern’ hat mein Opa Heinrich, später mein Vater Heinz geführt“, erzählt Peter Besgen. Dort sei immer etwas los gewesen: Frühschoppen und Skat nach der Messe, Treffpunkt der Blau-Wiesse Funke Wahn und der Mitglieder des Kirchenchores oder der erste Schluck auf den neu geborenen Sprössling im Wahner Krankenhaus, das es früher noch gab. „Das Lokal war ein richtiger Treffpunkt im Veedel“, sagt der Koch. Doch das über 100 Jahre alte Haus musste der Stadtplanung weichen. Das war Ende der 1960er Jahre. Peter Besgen bleiben nur die Erinnerungen – etwa, wie das Bett gewackelt hat, wenn die Belgier ihre Panzer für Manöver verladen haben. Einen Bahnhof gibt es in Wahn schon seit 1859.

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Voll  ist es auch bei den  Handball-Heimspielen des TV „Jahn“ Köln-Wahn.

Der spielt auch in der heutigen Entwicklung des Stadtteils eine große Rolle. Gleich drei S-Bahnen – die Linien 12, 13 und 19 – fahren dort. Zwei von ihnen bringen Reisende bis zum Flughafen. Der wird auch heute mit Wahn in Verbindung gebracht. Nicht von ungefähr: Im Jahr 1938 baute die Wehrmacht den Fliegerhorst Wahn auf dem früheren Schießplatz Wahn. Die Kaserne liegt trotz ihres Namenszusatzes „Wahn“ im Stadtteil Wahnheide, der Flughafen im Grengel. Nur den S-Bahnhof, den kann dem Veedel keiner nehmen.

Ein Stadtteil mit viel Wachstum

In seinem Umfeld sieht man deutlich, wie der Stadtteil wächst. Dort hat sich nicht nur ein Supermarkt in unmittelbarer Nähe von Schloss Wahn, wo die Theaterwissenschaftliche Sammlung der Uni Köln beheimatet ist, und dem Eltzhof angesiedelt. Auch eine Filiale einer großen Drogeriemarkt-Kette wurde hier eröffnet. Das Bahnhofsumfeld und die Bushaltestelle sind neu angelegt, ein Parkhaus für Pendler befindet sich gerade im Bau. Zudem sind etliche Wohnhäuser in den vergangenen Jahren neu errichtet worden – mit entsprechendem Zuzug neuer Wahner Bürger. Und der Stadtteil wird weiter wachsen. Denn mit dem Bauen im Bahnhofsumfeld ist noch lange nicht Schluss: Weitere Flächen, die früher landwirtschaftlich genutzt worden sind, sollen bebaut werden.

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D’r Zoch kütt nicht nur am Bahnhof, sondern  auch auf den Straßen.

„Bald gibt es keine grünen Flecken mehr im Stadtteil“, sagt Benno Krix, der sich intensiv mit der Wahner Geschichte auseinandergesetzt hat. Früher war das anders. Da sei Wahn eher landwirtschaftlich geprägt gewesen. „Industrie hat es außer auf dem Ruppert-Gelände nicht viel gegeben.“ Das hatte Wilhelm Ruppert von der Immendorf'schen Brauerei erstanden. Der Bierabsatz war infolge der Rezession nach dem Ersten Weltkrieg zurückgegangen. Die Brauerei konnte den Standort nicht halten. Anfang der 1920er Jahre wurde dort die Elektro-Isolier-Industrie Wahn gegründet. Bis 1973 haben dort viele Wahner gearbeitet.

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„Das hat man bei manchen Festen gemerkt“, erzählt Besgen. Etwa dann, wenn früher im September Kirmes war. „Da hatten die Ruppert-Leute von Freitagnachmittag bis Montag frei.“ Die Kirmes selbst gibt es nicht mehr, das Pfarrfest im aegidium versucht das ein wenig aufzufangen. Wahn hat sich immens gewandelt, findet Peter Besgen. Das Veedelsgefühl sei dabei etwas auf der Strecke geblieben – gerade was Festivitäten angeht. „Mein Vater hat, wie andere auch, immer versucht, etwas für Wahn zu tun.“ Das habe er verinnerlicht. Der Weihnachtsmarkt ist sein Baby. Auch um die Beleuchtung des Weihnachtsbaumes kümmert er sich. Die Wahner Funken veranstalten ihr Biwak im Stadtteil. Die Handballer des TV „Jahn“ Köln-Wahn ziehen Fans zu ihren Heimspielen in der Regionalliga Nordrhein an. Der Eltzhof lockt mit Veranstaltungen. Im aegidium wird ehrenamtlich versucht, Leben ins Veedel zu bringen. Auch die Wahner Geschäftsleute unterstützen Aktivitäten. Die könnten allerdings mehr sein, findet Besgen. „Manchmal wünsche ich mir, dass ein bisschen mehr aus der Bevölkerung kommt.“

Die wächst einmal im Jahr so richtig an. Dann, wenn an Karnevalssamstag der Zoch durchs Veedel zieht. „Ein richtiger Anziehungspunkt, weit über die Grenzen von Wahn und Porz hinaus“, sagt Besgen, der auch Vorsitzender der Interessengemeinschaft Wahner Karneval ist. Laut Polizei seien es in diesem Jahr 45 000 Zuschauer gewesen. Karnevalistischer Frühschoppen, Theater, Zoch – es seien immer bestimmte Anlässe, die die Wahner vor die Tür locken würden, sagt Besgen. Doch danach verfalle man wieder in eine Art Dornröschenschlaf. Dabei müsse man das Rad nicht neu erfinden. „Das Rad ist schon da, das müssen wir nur wieder ins Rollen bringen“, sagt Peter Besgen.

Offene Baustellen in Wahn

Viele Wahner sehen die gute Verkehrsanbindung als Segen und Fluch zugleich.  Mancher Anwohner spricht von einem Lärmdreieck – bestehend aus Autobahn, Eisenbahn und Luftraum –  wegen der derzeitigen Sanierung der  Start- und Landebahn am Flughafen. Ist es auf der Autobahn voll, reiht sich auf Frankfurter Straße und Heidestraße Auto an Auto.  Letztere wird  von so manchem als  Autobahn ohne Lärmschutzwand bezeichnet. Die Veedelsstraße selbst ist auch im Fokus so mancher Kritik. Neben dem Zustand der Radwege ist es auch das Veedelsleben. Zwar gibt es Supermärkte und Discounter, wo eingekauft werden kann, doch jede Menge Fachgeschäfte wie etwa Metzgereien haben, dem allgemeinen Trend folgend, in den vergangenen Jahren ihre Türen geschlossen. Das gilt in gleicher Weise auch für  Gaststätten und Restaurants. Davon gibt es nach Meinung der Bürger im Stadtteil zu wenig. Das schlägt sich auch im Zeugnis des Veedelschecks nieder. Mit der Note 3,3 in diesem Bereich  befindet sich Wahn aber noch vor dem Durchschnitt von 3,5.

Die Geschichte von Wahn

Die Geschichte des Stadtteils Wahn aufzuarbeiten, ist ein schwieriges Unterfangen. Überliefert ist, dass in der Wahner Heide erstmals 1817 preußische Truppen übten. Da das Areal als Truppenübungsplatz diente, wurde auch das Umfeld mit Verkehrswegen, Bahnhof und vielem mehr entwickelt.  Allerdings ist das heutige Schloss Wahn bereits 1358 als „Hoff zu Wande“ erstmals urkundlich erwähnt. Es befand sich im Besitz der Familie Revelen und war in dieser Zeit eine Wasserburg, die aus einem Wohnturm, Torbau, Wassergraben und Vorberg bestand. Es wird vermutet, das der heutige Stadtteil Wahn eine Ansiedlung von Dienstmannen und Abhängigen der Burg war. 1588 wurde die Wasserburg durch brandschatzende Söldner zerstört.   Mitte des 18. Jahrhunderts  wurde die Burg durch die Grafen Schall zu einem spätbarocken Schloss umgebaut wurde. Seit 1820 gehört Schloss Wahn den Freiherren von Eltz-Rübenach.   Wahn war bis 1929 eigene Bürgermeisterei. Dann ging die Verwaltung nach Porz, und mit der kommunalen Neugliederung 1975 gehört Wahn als Teil des Bezirks Porz zu Köln.

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