Wo steht Köln?Das sind Kölns Probleme mit Großbauprojekten

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Das Bild zeigt die Baustelle der Mülheimer Brücke und ein Baustellenschild.

Mitte 2026 soll die Sanierung derMülheimer Brücke beendet sein, Stand jetzt kostet es 302 Millionen Euro.

Die Bühnen-Sanierung? Eine Aufgabe gefühlt für die Ewigkeit. Die Mülheimer Brücke? Hätte die Stadt genauer hinschauen müssen – sagt sie selbst.

Trotz etlicher Kostenexplosionen und jahrelanger Verzögerungen ist die Stadt Köln lange Jahre ihrer Argumentation treu geblieben, wenn mal wieder ein Großbauprojekt aus dem Leim gegangen ist. In solchen Fällen haben die Verantwortlichen von „vorab nicht erkennbaren Sanierungserfordernissen“ gesprochen. Frei übersetzt heißt das: Wir fangen mal an zu sanieren, und wenn es schlimmer wird als geplant, braucht es eben mehr Geld und mehr Zeit.

Großbauprojekte als Wundertüten. Beispiele gibt es davon genug, etwa die Sanierung der Bühnen, der Mülheimer Brücke oder der Bau des Jüdischen Museums samt Archäologischer Zone (Miqua). Köln und seine Großbauprojekte: Es ist eine komplizierte Beziehung inklusive der Frage: Warum wird es so oft derart viel teurer und dauert so viel länger (siehe Grafik)?

Im Jahr 2019 beispielsweise hatte die Stadt für 20 große Bauprojekte mit einem Volumen von 1,44 Milliarden Euro Mehrkosten von zusätzlich knapp rund 450 Millionen Euro notiert, dabei ein Plus von rund 35 Prozent vom Baubeschluss des Stadtrates zum damals aktuellen Projektstand festgestellt.

Dass Bauprojekte teurer werden müssen, ist kein Naturgesetz, sagen Experten. Sie predigen: Erst planen, dann bauen, nennt das unter anderem die Reformkommission Großbauprojekte der Bundesregierung.

Es ist der Satz schlechthin, der an allen Ecken und Enden zu hören ist, wenn es um große Bauprojekte geht. Statt kurz zu planen und flott loszulegen, sollen die Planer viel Geld und Zeit bekommen, möglichst viele Risiken identifizieren, möglichst viele Auswege bei Problemen aufbereiten. Und dann erst bauen.

Die Bauherrenkompetenz genügt nicht immer den Anforderungen eines Großprojekts“
Reformkommission Großbauprojekte

Also nicht wie beispielsweise bei der Zentralbibliothek mitten im Prozess nochmal alles umwerfen, das Konzept der Innenraumgestaltung austauschen. Weitere Probleme laut der Kommission: Unternehmen und Bauherren sollten sich als Partner verstehen, Streit nicht vor Gericht austragen. Unter anderem bei der Bühnen-Sanierung oder dem Bau des Miqua prozessiert die Stadt aber gegen die Unternehmen oder hat ihnen gekündigt.

Ein weiteres Problem laut der Kommission: „Die Bauherrenkompetenz genügt nicht immer den Anforderungen eines Großprojekts.“ In Köln hat die Stadt beispielsweise das Grundstück für die Erweiterung des Wallraf-Richartz-Museums fast 20 Jahre nicht gründlich untersucht. Und warum bei der Planung der Sanierung des Römisch-Germanischen Museums (RGM) vor 2018 nichts wirklich Entscheidendes passiert ist, bleibt auch unklar.

Monatsberichte bringen vermeintliche Transparenz

Die Stadt verweist oft auf die Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit, tatsächlich legen die Verantwortlichen der Großbauprojekte monatlich Berichte zum Sachstand vor. Darin kennzeichnen die Projektsteuerer mit Ampelfarben, wie groß die Risiken sind. Wenn das Kästchen bei den Kosten rot ist, besteht ein hohes Risiko, dass der Bau teurer wird.

Allerdings sind diese Berichte zwar einerseits transparent, andererseits sitzen in den Fachausschüssen größtenteils ehrenamtliche Politiker, die teils Probleme haben, die komplexen Prozesse zu überblicken und wirklich entscheidend etwas zu ändern.

In der Praxis, etwa beim Miqua oder den Bühnen, läuft es ja so: Periodisch stellt die Verwaltung fest, dass es Probleme im Bauablauf gibt, danach rechnet sie aus, wie viel länger der Bau dadurch dauert und wie viel mehr er kostet. Dann lässt die Verwaltung sich vom Stadtrat ein höheres Budget genehmigen – auch weil die Alternative fehlt. Die Bühnen-Sanierung stoppen, wenn die Stadt schon eine halbe Milliarde Euro ausgegeben hat? Eher ungünstig. Also winkt die Politik das Geld durch. Und weiter geht’s.

Corona und Krieg erklären Probleme nur teilweise

Aktuell kommen Corona, der Krieg inklusive Baupreissteigerungen, fehlende Fachkräfte hinzu, das Bauen wird noch komplexer. So fair sollte man bei der Bewertung sein, aber Thomas Sindermann, von der Kölner Industrie- und Handelskammer vereidigter Sachverständiger für Baupreisermittlung sowie Bauablaufstörungen, sagt dazu auch: „Bei Bauprojektabwicklungen spielen eine Reihe von anderen Faktoren eine Rolle, die sich insbesondere durch eine gründliche Planung und vorausschauende Projektvorbereitung weitgehend beherrschen lassen.“

Kompliziert sind für Bauherren, private wie öffentliche, vor allem Großbauprojekte im sogenannten Bestand, also von schon bestehenden Bauwerken – und dabei insbesondere den denkmalgeschützten. Es braucht die Technik von heute, aber möglichst viel Optik von früher. Die Kölner Oper ist von 1957, die Mülheimer Brücke von 1951.

Aufgeschoben bis es nicht mehr ging

Lange Jahre haben Verwaltung und Politik Sanierungen wie beim RGM aufgeschoben, bis es nicht mehr anders ging – um dann festzustellen, wie marode Bauwerke sind, wie aufwendig die Reparatur. Dazu kommt: Eine denkmalgeschützte Brücke ist nicht von der Stange, ebenso das Miqua. Es sind teils oder komplett Prototypen.

Dass es anders geht, zeigt zumindest der Neubau des Historischen Archivs, der bislang im Kostenbudget blieb – dank des Risikopuffers. Allerdings hat die Stadt dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ mitgeteilt, dass die Schlussrechnung noch nicht vorliegt, derzeit liegt das Budget bei gut 90 Millionen Euro.

Trotzdem: Der Neubau scheint weniger Risiken zu bieten, doch die Politik tut sich schwer damit, ein Gebäude wie etwa die Zentralbibliothek abzubrechen und neu zu bauen. Also geht es in die nächste Sanierung im Bestand, alle Risiken inklusive.

Politik entscheidet über Großprojekteliste

Köln ächzt ein Stück weit unter den Lasten der Vergangenheit, aktuell diskutiert der Stadtrat deshalb über eine Liste der 122 größten Projekte, rund 7,7 Milliarden Euro teuer, darunter Schulen, Brücken, Museen, Tunnel, viele Jahrzehnte alt. Was davon braucht die Stadt, was nicht? Streicht die Politik wirklich etwas? Oder ist es nicht eine Scheindebatte, weil die Projekte ohnehin für die nächsten 20 Jahre vorgesehen sind, sich über einen großen Zeitraum verteilen?

Im nächsten Jahr wird der Stadtrat darüber entscheiden, es würde überraschen, wenn dabei Prestigeprojekte wie etwa die „Historische Mitte“ am Dom hintenüberfallen.

Verwaltung gibt Fehler zu

Mittlerweile hat sich der Wind bei der Stadtverwaltung etwas gedreht, sie gibt in Einzelfällen offen zu, in der Vergangenheit zu sorglos gewesen zu sein. Zur Mülheimer Brücke, statt 167 Millionen mittlerweile 302 Millionen Euro teuer, sagt die Stadt bemerkenswert offen: „Das Beispiel zeigt, dass bereits im Zuge der Planung noch umfangreichere Bestandsanalysen als bisher durchgeführt werden müssen, um realistischere Baukosten und Bauzeiten angeben zu können. Dieses Prinzip wird die Stadtverwaltung in Zukunft verfolgen.“

Auch Risikobudgets hat die Stadt seit Jahren eingeführt, ebenso beauftragt sie beim Schulbau große Unternehmen ein, die vieles aus einer Hand erledigen. Mittlerweile geht die Stadt Instandsetzung wie die des Wallraf-Richartz-Museums schon zwei Jahrzehnten nach dem Neubau zumindest an, damit der Investitionsstau nicht so groß wird. Und bei Sanierungen wie des Museum Ludwigs und der Philharmonie versucht sie auch, frühzeitiger als sonst aktiv zu werden.

Ob diese Verbesserungen dazu führen, dass die Stadt Köln regelmäßig verlässlich ihre Großbauprojekte inklusive überschaubarer Verzögerungen und Kostensteigerungen umsetzt? Zweifel sind zumindest angebracht angesichts der Historie. Zumal die bislang völlig missratene Bühnensanierung, mittlerweile samt Finanzierung bis zu mehr als eine Milliarde Euro teuer, ja alles ändern sollte, es danach solche Bau-Dramen möglichst nicht mehr geben sollte. Das hat Stand heute höchstens ansatzweise geklappt.

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