50 Jahre Römisch-Germanisches MuseumWarum eine große Kölner Erfolgsgeschichte nur im ganz kleinen Format zu sehen ist

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Über dem Atrium des Kölner Römisch-Germanischen Museums erhebt sich der angestrahlte Dom.

Domblick aus dem Atrium des Römisch-Germanischen Museums in Köln

Das Römisch-Germanische Museum feiert sein 50-jähriges Bestehen. Die Feier fällt notgedrungen kleiner aus, als es das Haus verdient hätte. 

Selbstverständlich hätten sie das Jubiläum lieber am Roncalliplatz gefeiert, sagt Marcus Trier, seit 2012 Direktor des Römisch-Germanischen Museums in Köln. Aber jetzt sei er erst einmal froh, dass der Stadtrat die Generalsanierung des Stammhauses beschlossen hat. Zudem funktioniere das Interim im Belgischen Haus sehr gut. „Wir haben den langen Strohhalm gezogen.“

Der kürzere Strohhalm, das sagt Trier höflicherweise nicht, blieb demnach für das Kölnische Stadtmuseum, das andere städtische Schatzhaus, das sich auf Jahre hinweg in einer Übergangslösung zurechtfinden muss. Verglichen mit dem Modehaus Sauer als Interim erscheint das denkmalgeschützte Maison Belge tatsächlich altehrwürdig. Es hat allerdings keinen Domblick. Und es ist so klein, dass Trier das 50-jährige Bestehen des RGMs lediglich als gehobene Dia-Schau Revue passieren lassen kann.

Wir haben den langen Strohhalm gezogen
Marcus Trier, Direktor der Römisch-Germanischen Museums

Immerhin läuft die etwa achtminütige Endlosschleife historischer Aufnahmen im schönsten Kino der Stadt; der holzgetäfelte Festsaal des Belgischen Hauses verfügt über eine Bühne mit Leinwand und lässt sich stimmungsvoll verdunkeln. Zudem zwingen beschränkte Möglichkeiten zur Selbstbeschränkung. Vielleicht wäre Trier sonst versucht gewesen, die Geschichte des Römisch-Germanischen Museums bei den germanischen Ubiern zu beginnen.

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Stattdessen setzt der Bilderreigen bei den „Vorläufermuseen“ des RGMs ein: das 1907 gegründete Museum für Vor- und Frühgeschichte (untergebracht im mittelalterlichen Bayenturm) und die Römische Abteilung des Wallraf-Richartz-Museums. Beide Häuser wurden im Zweiten Weltkrieg durch Bombardements zerstört, was nach Kriegsende immerhin den Anlass bot, die erhalten gebliebenen Teile der Sammlungen zusammenzuführen.

Der Standort für das neue Museum hatte sich mehr oder weniger von selbst ergeben: Beim Ausheben eines Luftschutzbunkers waren die Bauarbeiter 1941 auf die antiken Überreste eines römischen Wohnhauses gestoßen, darunter der als „Dionysos-Mosaik“ weltberühmt geworden Steinboden des Speisesaals.

Menschen betrachten das Dionysos-Mosaik durch das Schaufenster zum Roncalliplatz.

Schaufenster in die Römerzeit: Das Dionysos-Mosaik im Römisch-Germanischen Museum

Im Jahr 1946 waren sich die Experten einig, dass nur an der prominenten Fundstelle, im Schatten des Doms, das Römisch-Germanische Museum errichtet werden sollte. Allerdings dauerten die Entscheidungsprozesse auch damals schon etwas länger: In den knapp 30 Jahren bis zur Eröffnung am Roncalliplatz war das RGM ein Museum ohne Haus und reiste als Wanderzirkus durch die Stadt. Zunächst waren Teile der Sammlung im Kunsthaus Lempertz zu sehen, später in der Alten Wache im Zeughaus; 1967 stieg man mit der Sonderausstellung „Römer am Rhein“ in der Kunsthalle ab.

Fünf Jahre zuvor hatte der Stadtrat offiziell beschlossen, das RGM am Roncalliplatz zu bauen. Den Architekturwettbewerb gewann Heinz Röcke mit einem Gegenentwurf zum Steingebirge des Domchores. Sein Museum ist weniger Architektur als eine Raumhülle und übt sich in Bescheidenheit. Es ist so flach wie möglich, das untere Geschoss wirkt durch die umlaufende Fensterfront beinahe durchlässig; der Betonklotz schwebt auf einem Sockel aus Säulen und Glas.

Bereits die Baustelle des Kölner RGMs war eine Attraktion

Der Jubiläums-Bildereigen zeigt eindrucksvoll, dass bereits die Baustelle eine Attraktion war und kurzfristig umgeplant werden musste, weil die Sammlung 1970 um das Grabmal des Legionärs Lucius Poblicius wuchs. Das stattliche Monument sprengte die Deckenhöhe des Entwurfs, weshalb Röcke das Dach an dieser Stelle mit einer maßgeschneiderten Gaube anhob. Ein Modellbau zeigt zudem eine niemals verwirklichte Wendeltreppe im Inneren des Museums.

Am 4. März 1974 wurde das RGM eröffnet und sogleich zur Erfolgsgeschichte. Im Laufe seines Bestehens kamen mehr als 20 Millionen Besucher, etwa um das legendäre Diatret-Glas aus römischer Zeit zu sehen, oder um über dem Dionysos-Mosaik zu speisen – diese Gunst gewährte die Stadt allerdings nur den Gästen des G8-Gipfels im Jahr 1999. Ein maßgeblicher Grund für den Erfolg war die stilbildende Ausstellungsarchitektur des damaligen Museumsdirektors Hugo Borger. Auf seinen Sockelinseln ließen sich die Exponate beinahe so „niederschwellig“ betrachten wie Waren im Kaufhaus, und die vom Roncalliplatz einsehbare Poblicius-Halle über dem Dionysos-Mosaik macht den Charakter des RGMs als „Schaufenster in die Antike“ unmittelbar verständlich. Auch Videoschaukästen gab es in den 1970ern schon; die Erklärfilme liefen in allen Weltsprachen.

Seit 2018 ist das RGM wegen der anstehenden Generalsanierung geschlossen, aber der Bilderreigen reicht über dieses Datum hinaus bis ins Interim. Den raschen Umzug nennt Marcus Trier ein „Husarenstück“, mit jährlich 50.000 Besuchern sei man zudem sehr zufrieden. Das Finale soll mit Visualisierungen die Lust auf das sanierte Römisch-Germanische Museum wecken und stimmt doch vor allem wehmütig. Aus dem Atrium des RGMs hatte man einen Domblick, der durch wenig zu ersetzen ist.


„50 Jahre Römisch-Germanisches Museum“, RGM im Belgischen Haus, Cäcilienstr. 46, Köln, Mi.-Mo. 10-18 Uhr, bis 20. März

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