Antisemitismus in der Bundeskunsthalle?Volker Beck kritisiert „BDS-Propaganda“ in Ausstellung

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Eine Collage mit Bildmotiven verschiedener Freiheitskämpfe.

Ausschnitt aus „The ABC of Racist Europe“ von Daniela Ortiz, eine Bildercollage, die derzeit in der Bonner Bundeskunsthalle zu sehen ist.

Die Bonner Bundeskunsthalle zeigt ein „israelkritisches“ Werk der Künstlerin Daniela Ortiz und muss sich nun der Frage stellen: Wie weit darf Kunstfreiheit gehen?

Spätestens seit der Documenta wird in Deutschland teils erbittert darüber gestritten, wie Kunstwerke, die sich kritisch mit der Palästina-Politik des Staates Israel auseinandersetzen, in deutschen Museen oder auf Kunstfestivals gezeigt werden sollen. Wobei der Streit oft schon beim Wort „kritisch“ beginnt. Die Kritiker der „Israelkritik“ sehen in polemischen Zuspitzungen oder der Übernahme von Positionen, wie sie das Bündnis BDS ins Debattenfeld führt, einen neuen Antisemitismus, der „Israel“ sagt, wo er in Wahrheit „die Juden“ meint.

Wie hältst Du es mit der „Israelkritik“?, das scheint die neue Gretchenfrage der deutschen Kulturpolitik zu sein. Sie muss sich jetzt auch die Bonner Bundeskunsthalle stellen, die in ihrer aktuellen Ausstellung „Wer wir sind – Fragen an ein Einwanderungsland“ eine Arbeit der peruanischen Künstlerin Daniela Ortiz zeigt. In deren „ABC des rassistischen Europas“, einer collagierten Bildergeschichte, erkennt Volker Beck, Geschäftsführer des Tikvah Institut und Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, mehrere problematisch Inhalte.

Eine Kultureinrichtung, die von Bund und Länder getragen wird, darf ein solches Werk nicht ohne kritische Kontextualisierung zeigen
Volker Beck

In einem Brief, der dieser Zeitung vorliegt, wirft er der Bundeskunsthalle vor, mit Ortiz‘ Werk Propaganda für das Bündnis BDS und die palästinensische Terrororganisation PFLP zu betreiben. Er weist darauf hin, dass sich das Museum als Institution des Bundes an eine gegen den BDS gerichtete Resolution des Bundestages gebunden fühlen sollte, und er zitiert Kulturstaatsministerin Claudia Roth mit den Worten, der Bund würde keine Veranstaltungen fördern, „auf denen für den BDS geworben wird oder Ziele des BDS vertreten werden“. Jetzt, so Beck, tue der Bund genau dies in seiner eigenen Kunsthalle. „Eine Kultureinrichtung“, schreibt er, „die von Bund und Länder getragen wird, darf ein solches Werk nicht ohne kritische Kontextualisierung zeigen.“

Auch im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ betont Volker Beck, dass es ihm nicht darum geht, das Werk aus der Ausstellung zu entfernen. „Jeder Quatsch, und sei es Propaganda für eine Terrororganisation, kann meinetwegen einen Anspruch auf Kunstfreiheit erheben - aber nicht darauf, unwidersprochen stehen zu bleiben. Das muss auch die Künstlerin aushalten. Jeder Freiheitsanspruch findet seine Grenzen in der Menschenwürde und der Freiheit Anderer.“

Daniela Ortiz ist in Köln keine Unbekannte

Die von Beck kritisierte Künstlerin ist in Köln keine Unbekannte. Vor zwei Jahren zeigte der Kölnische Kunstverein eine Ausstellung mit Werken von Daniela Ortiz, in denen sie die Verbrechen der europäischen Kolonialherrschaft in Form von Märchen nacherzählte; auch dort hängte sie ein schulfibelhaftes Rassismus-ABC an die Tafel.

In ihrer Arbeit macht Ortiz eine sarkastische Kunstform daraus, der weißen Mehrheitsgesellschaft in Europa unangenehme Wahrheiten beizubringen und bezieht dabei auch Positionen, die vom BDS (aber nicht nur von diesem) geteilt werden. Ein einzelnes Otiz-Werk, das der Kunstverein Ende 2022 als Teil seiner „Jahresgaben“ zeigte, wurde vom Kölner Bündnis gegen Antisemitismus als antisemitisch kritisiert. Der Kunstverein wies dies zurück, nahm das Werk aber von der Wand.

Auch das nun in der Bundeskunsthalle gezeigte ABC zeigt offensichtliche Übereinstimmungen mit Positionen des BDS. So schreibt Otiz unter den Buchstaben „G“, die britische Sicherheitsfirma G4S würde in Israel Gefängnisse betreiben, „in denen palästinensische politische Gefangene festgehalten und gefoltert werden“.

Unter „R“ fordert sie dazu auf, sich „rassistischen Regimes“ zu widersetzen und zeigt dazu unter anderem ein Bild, das zur Freilassung des in Israel inhaftierten Führers der palästinensischen Terrororganisation PFLP aufruft, sowie die Umrisse von Israel mitsamt Westbank und Gazastreifen – für Beck ist letzteres keinesfalls ein Plädoyer für die „Ein-Staaten-Lösung“, sondern eine nicht zuletzt von der PFLP verwendete Chiffre für die Auslöschung Israels. In der Beschreibung Israels als „rassistisches Regime“ erkennt Beck zudem den Versuch, das Land zu „delegitimieren“.

Wir haben die Bundeskunsthalle um eine Stellungnahme zu Becks Schreiben gebeten. Leider kam diese erst nach Redaktionsschluss. Auch Beck hat mittlerweile eine Antwort erhalten. Dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagte er: „Kunst ist nicht das Wahre, Gute und Schöne. Sie kann menschenverachtend sein, sie kann sich in den Dienst von totalitären und menschenverachtenden Regimen oder politische Bewegungen stellen. Deshalb erwarte ich auch ein wertebezogenes Kuratieren und Einordnen.“

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