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Ausstellung der SuperlativeGehen wir unter wie die alten Römer?

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Bronzefigur des 'Vercingétorix'

Trier – Leben wir in Zeiten des Untergangs? Am Ende eines langen historischen Parcours werden die Ausstellungsbesucher gebeten, auf einer Tafel ein X zu machen. Was meinen Sie? Ja oder Nein?

Ganz Trier steht im Zeichen des Untergangs. Die Stadt und das Land Rheinland-Pfalz haben 7,5 Millionen Euro in den „Untergang Roms“ investiert – in eine Landesausstellung der Superlative. Die drei großen Museen in der einstigen Kaiserresidenz des Weströmischen Reichs suchen gemeinsam nach den Ursachen für Zerfall und Auflösung des Imperium Romanum im 4. und 5. Jahrhundert. Dafür haben sie einiges zusammengetragen, was die NRW-Landesausstellung in Köln zweifellos in den Schatten stellt.

Analogien zur Gegenwart finden sich viele 

700 Exponate aus eigenen Beständen und Museen und 20 Ländern – Gemälde, Skulpturen, Mosaike, Waffen, Grab- und Alltagskultur erzählen von Ereignissen und Prozessen politischer, militärischer, ökonomischer und kultureller Erschöpfung eines Weltreichs, für die sich in der Gegenwart nur allzu viele Analogien finden lassen: der Zerfall der politischen Zentralgewalt durch die Machtkämpfe rivalisierender Soldaten- und Gegenkaiser, grassierende Bürgerkriege und aufstrebende Warlords, Pandemien, ausfallende Getreidelieferungen aus Nordafrika, Hungersnöte, Klimaveränderungen, Migrationsbewegungen, Bevölkerungsrückgang, Steuerausfälle, Inflation, Verfall der urbanen Infrastrukturen wie Wasserleitungen und Straßen.

Darüber hinaus verändert die Christianisierung die politische Haltung, die Identitäten und Werte der Menschen. Und doch „gibt es keine einfachen Antworten“ auf das Wie und Warum, sagt Marcus Reuter, Direktor des Rheinischen Landesmuseums Trier.

Erzählt wird der Fall Roms mit einer überbordenden Fülle von Objekten. Ein gespaltener Schädel dokumentiert die immer brutaler werdenden Machtkämpfe weniger mit äußeren als mit inneren Gegnern; Münzschätze erzählen von den Versuchen, Vermögen vor Überfällen und Inflation in Sicherheit zu bringen; Schriftquellen berichten von den Überfällen Alarichs oder Odoakers: „Was bleibt noch heil, wenn Rom untergeht?“

Die älteste Römerstadt Deutschlands eignet sich bestens dazu, über den Ruin Westroms nachzudenken. Mit der Porta Nigra, den Kaiserthermen, dem Amphitheater, der Römerbrücke, den Barbarathermen, der Konstantin-Basilika und der nahegelegenen Igeler Säule hinterließ Rom hier grandiose spätantike Ruinen – neben den archäologischen Ascheschichten, die die Stadtbrände in den Jahren 410 und 435 markieren .

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Die sieben UNESCO-Welterbestätten scheinen vor allem aber auch zu signalisieren: Niemals geht man so ganz. Kaiser wie Diokletian, Konstantin, Valentian oder Justinian versuchen durch Reformen den Niedergang zu wenden, das Reich zu restrukturieren und an den Grenzen zu aufzurüsten.

Neben den Brüchen gibt es auch Kontinuität. Das Museum am Dom und die Schatzkammer zeigen das Fortwirken heidnischer Inhalte in der Bildungsgeschichte des Mittelalters. Die Wiederentdeckung der Texte Cäsars, Tacitus oder Vergils lange vor der Renaissance, das Fortwirken antiker Philosophie oder Mathematik zeigen, das Rom nicht mit seinen Bauten verschwand. Kostbare antiken Kirchenbauten und Ausstattungen, geistliche Ornate und Kirchenschätze belegen, dass die Kirche Prunk und Protz, aber auch den Machtanspruch des Kaiserreichs übernahm. Viele Diözesen gehen zudem auf römische Verwaltungsbezirke zurück.

Das alte Rom lebt nicht nur in Ruinen weiter

Das Stadtmuseum Simeonstift neben der Porta Nigra beleuchtet zuletzt „Das Erbe Roms“ bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. So werden im 19. Jahrhundert aus den einstigen Rom-Gegnern Arminius, Vercingétorix oder der britannischen Boudicca die neuen Helden der jungen Nationalstaaten. Napoleon, Mussolini oder Hitler statten sich mit römischen Machtinsignien aus und adaptieren römische Architektur für ihre eigenen Auftritte. Davon zeugen unter andern Albert Speers Entwürfe für die monströs-kolossale Hauptstadt Germania. Die Historienmalerei des 19. Jahrhunderts liefert jene Bildwelten, die Hollywood dann kolossal inszeniert.

Die Museen bieten ein umfangreiches pädagogisches Begleitprogramm an: 300 Veranstaltungen, Exkursionen, (Audio-) Führungen auch von Jugendlichen für Jugendliche. Wo aber wird der Besucher am Ende sein x machen? Leben auch wir in Zeiten des politischen und kulturellen Niedergangs? Nach so viel Untergang fällt es schwer sich zu entscheiden. Vielleicht: Nein, aber ...

Der Untergang Roms. Große Landesausstellung in Trier, bis 28. 11. 2022.  

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