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Benson Boone in KölnMit 23 Jahren schon ein abgeklärter Entertainer

4 min
Konzert von Benson Boone, Lollapalooza Berlin Benson Boone

Benson Boone in Aktion

Der US-Amerikaner zeigt in Köln, wieso Saltos integraler Bestandteil eines emotionalen Konzerts sein können. Unsere Kritik.

Dass er gerade einmal 23 Jahre alt ist, mag man kaum glauben. Als Benson Boone am Freitagabend die Bühne in der ausverkauften Lanxess-Arena beherrscht er sein Publikum von Anfang an. Spielt mit ihm in so lässiger Manier, als wäre er bereits seit Jahrzehnten im Showgeschäft. Nicht nur die dunklen Haare, der markante Schnurrbart und das weiße Tanktop haben auffallende Ähnlichkeit mit Freddie Mercury. Auch Boones Körpersprache – insbesondere der nach oben gereckte Arm mit der geballten Faust – und seine spielerischen Interaktionen mit den Zuhörern scheinen in einer Tradition mit dem legendären Queen-Sänger zu stehen. So ist vom ersten Moment des Abends an klar: Die Konzertbesucher erwartet eine dynamische Darbietung, eine Show für Ohren und Augen.

Darbietung, die ins Mark geht

Auf seiner gerade laufenden „American Heart Welttournee“ stattet der US-Amerikaner Deutschland nur einen einzigen Besuch ab. Vielleicht ist es also auch das Wissen, nur diese eine Chance zu haben, das hiesige Publikum zu begeistern, das Boone dazu veranlasst, alles zu geben. Bereits beim Opener „I Wanna Be The One You Call“ singt er mit beeindruckender Stimmkraft, leitet seine Bühnendarbietung mit einem der Saltos ein, für die seine Live-Shows berühmt geworden sind. Viele weitere folgen, vorwärts wie rückwärts. Zu bestaunen ist dabei vor allem, wie leicht Boone seine Stunts aussehen lässt: ein meterhoher Sprung in die Höhe oder ein Salto en passant, dabei wird mühelos weitergesungen.

Kraft und Wucht sind zweifelsohne die zentralen Elemente von Boones Konzert. Das gilt für die rockigen Songs wie „Wanted Man“, bei dem Boone förmlich ins Mikrophon schreit, ebenso wie für die eher poppigen Nummern wie „Mr Electric Blue“. Selbst beim mollig-kalten „In The Stars“, einer Ode an verlorene, geliebte Menschen, gesungen vor einem Meer aus Handylampenlichtern in der sonst stockfinsteren Arena, ist es die emotionale Wucht in Stimme und Körpersprache, die Boones Auftritt ausmacht. Musikalisch überzeugt er weniger durch originelle Songs, sondern durch die lebendige, bis ins Mark gehende Darbietung. Er wirkt wie der Inbegriff körperlicher und klanglicher Vitalität.

Mit 23 Jahren steht Boone in der körperlichen Blüte, wie er gleichzeitig so abgeklärt als Entertainer auftreten kann, bleibt sein Geheimnis. Er flirtet mit ausgewählten Zuhörerinnen, macht Witze über den deutschen Akzent, springt ins Publikum, schwebt über selbiges auf einem Funken speienden Kronleuchter hinweg, hält vereinzelt Händchen. Manchmal hinkt der Mercury-Vergleich, vielleicht passt Justin Bieber besser. Beim kreischenden Publikum kommt die Show aber offensichtlich an.

Als Boone endlich die erst sanften Töne seines erfolgreichsten Hits „Beautiful Things“ anstimmt, die sich zum Refrain hin zu einer kraftvollen, mit rauer Stimme gesungenen Rock-Nummer verwandeln, ist der Höhepunkt des Abends erreicht. Kein Wunder, denn die melodische Wucht, live performt, muss jeden Zuhörer mitreißen.

Nichts geht über „Beautiful Things“

Und auch lyrisch handelt es sich um den interessantesten Song des Abends. Hatte Boone bei „In the Stars“ noch seine Glaubenszweifel besungen („Es ist, als hätte ich meinen Glauben bei dir begraben/Ich schreie einen Gott an, ich weiß nicht, ob ich daran glaube“), ist sein Nummer-Eins-Hit eine von christlichen Motiven durchzogene Dankbarkeitshymne an die Herrlichkeit der Schöpfung mit all ihren „wunderschönen Dingen“: „Und ich danke Gott jeden Tag/Für das Mädchen, das er mir geschickt hat [...] Ich habe Frieden und ich habe Liebe“. Und Boone schließt: „Bitte bleib/Ich will dich, ich brauche dich, oh Gott/Ich brauche/Diese wunderschönen Dinge, die ich habe.“

Boone ist unter Mormonen aufgewachsen, aber sich von der Glaubensrichtung gelöst, das teilte er in einem Interview mit. Dennoch besingt er sein Ringen um den Glauben an das Gute und die Angst vor der Vergänglichkeit – ob das kirchlich oder säkular verstanden wird, ändert nichts an der metaphysischen Aufladung. Der persönliche Zwiespalt wird im Konzert zur kollektiven Erfahrung. Tausende Konzertbesucher werden mitgerissen vom ungewissen Streben nach den „wunderschönen Dingen“. Simone Weil beschrieb das menschliche Unvermögen, das Gute aus eigener Kraft zu erreichen, einst so: „Das Gute, welches wir nicht in uns haben, können wir uns durch noch so große Anstrengung nicht verschaffen. Wir können es nur empfangen.“

Aber Benson Boone entlässt sein Publikum in heiterer Stimmung. Sein letzter Song „Cry“ knüpft balladesk an „Beautiful Things“ an, nimmt dann aber rockig Fahrt auf, kehrt zurück zu der kraftvoll-vitalen Darbietung, die den Kern des Abends ausmacht.