Jan Böhmermann im PalladiumKopfüber in den Cringe und viel Kritik an Köln

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Jan Böhmermann steht singnd vor dem Rundfunktanz-Orchester Ehrenfeld auf der Bühne des Palladium in Köln-Mülheim.

Mehrfach mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet: Das ZDF-Magazin-Royale und Moderator Jan Böhmermann

Auf Tour präsentieren Jan Böhmermann und das Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld ein Best-of aus dem ZDF Magazin Royale. Dabei teilt der Satiriker nicht nur gegen Köln aus.

Jan Böhmermann ist ein bescheidener Mann. Das will der mehrfach ausgezeichnete und preisgekrönte Moderator des mehrfach ausgezeichneten und preisgekrönten „ZDF-Magazin Royale“ sehr deutlich machen. Volle fünfmal an diesem Abend. Jedes Mal betont der 41-jährige seine Bescheidenheit und zählt seine Auszeichnungen und Preise auf.

Dass Böhmermann aber nicht nur einer der wichtigsten Satiriker der jüngeren deutschen Fernsehgeschichte ist, sondern auch ein gesanglich begabter Musiker, weiß wohl nur sein langjähriges Publikum.

Mit „Ehrenfeld Intergalactic“ ist das Duo aus Böhmermann und dem Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld (RTO) nun zum dritten Mal nach 2018 und 2019 auf Deutschland-Tournee und machte dabei auch Halt in Köln-Mülheim.

Böhmermann und das RTO „tragen Ehrenfeld in die Welt“

„Nur kurz zu Ihrer Information, das hier ist nicht die Stunksitzung. Die ist nebenan. Das hier wird ein politischer Liederabend kopfüber in den Cringe“, macht Böhmermann zu Beginn der Show vor knapp 5.000 Gästen im Palladium unmissverständlich klar. Die Mission der Tour sei es, „den Namen Ehrenfeld in die Welt zu tragen“.

Schon beim Betrachten des Tour-Posters, welches zu Beginn der Show noch die Bühne verdeckt, wird klar, dass das hier ein interstellarer Spaß werden wird. Auf dem Poster, welches an den Marvel-Blockbuster „Avengers: Endgame“ angelehnt ist, sieht man Böhmermann und das RTO den Blick entschlossen gen Weltall richten, während an der Stelle des intergalaktischen Avengers-Feindes Thanos das Gesicht von Lorenz Rhode - dem langjährigen Leiter des RTO - über den Helden schwebt.

Nach einem kurzen Countdown mit epischer Erzählerstimme legt das Orchester mit einer kosmischen Version des Jackson-5-Klassikers „Can You Feel It“ los. Dieser kräftige Supernova-Sound zieht sich durch die gesamten zwei Stunden des Konzertes.

Böhmermann gibt dem RTO zwischen seinen Liedern immer wieder den (Welt-)Raum, um auf ganzer Linie abzuliefern. So spielt sich das RTO quer durch die Galaxis mit einer 90er Eurodance-Version des 80er-Hits „Hymn“ von Ultravox und einem Medley aus den größten Hits des französischen House-Duos Daft Punk.

Das Ganze klingt nicht nur außerirdisch gut, sondern ist auch ein schwereloser Ausgleich zu allem, was hier auf der Erde passiert. Böhmermann scheut sich auch nicht, aktuelle Themen wie den russischen Angriffskrieg oder die Auseinandersetzungen in Lützerath zu thematisieren.

Böhmermann: „Fast gestorben“ auf der Venloer Straße

Zwischen dem Corona-Superspreader-Hit „Ischgl-Fieber (Husti Husti Heh!)“ und „Warum hört der Fahrradweg einfach hier auf?“ - einer Kritik am Kölner Verkehrsdezernat, nachdem er „auf einer E-Scooter-Tour über die Venloer Straße fast gestorben“ sei - spielt Böhmermann seine ganze Bandbreite an satirischen Ohrwürmern. Dabei wird bewusst, wie viele Songs der Moderator in den vergangenen Jahren eigentlich produziert hat.

Mit einem Augenzwinkern und überraschend realistischer Henning-May-Imitation spielt Böhmermann an diesem Abend mehrfach den Kölner Heimatliebe-Wohlfühl-Song „Tommi“ von AnnenMayKantereit an. Er bricht ihn aber zur Verärgerung des mitsingendem Publikums wieder ab, „sonst bekommt Henning May zu viel Geld von der GEMA.“

Jan Böhmermann sitzt auf der Bühne des Palladium, während hinter ihm die Streicherinnen vom Rundfunk-Tanzorchester spielen.

Nach 2018 und 2019 sind Jan Böhmermann und das RTO mit „Ehrenfeld Intergalactic“ zum dritten Mal auf Deutschland-Tournee.

Aber nicht nur der Lokalpatriotismus vieler Kölnerinnen und Kölner bekommt bei Böhmermanns „politischem Liederabend“ sein Fett weg, auch verschiedenen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wie Popsänger Max Giesinger und Polizeigewerkschafter Rainer Wendt - der laut Böhmermann aussehe „wie ein Camembert“ – wird ein Song gewidmet.

Zur großen Freude seiner loyalen Fangemeinde, kommt Böhmermanns wohl bekanntestes Alter-Ego, der Polizistensohn – geschrieben POL1Z1STENS0HN – auf die Bühne und verwandelt den „politischen Liederabend“ kurz in ein Straßenrap-Konzert.

Kritik an RWE und Christian Lindner

Ebenfalls fällt auf, dass Böhmermann die Texte seiner Lieder manchmal etwas abändert, um aktuellen Bezug herzustellen. So rappt POL1Z1STENS0HN auf „Ich hab Polizei“: „Ich bin RWE / Ich hab Polizei.“  Auch beim Fahrradweg-Lied sind es nicht, wie im Original, die „deutschen Yuppies“, die „beim Porsche-Fahr’n nen steifen“ kriegen, sondern Bundesfinanzminister Christian Lindner.

Nach einem Schlager-Abschluss aus der deutschen Disco-Fox-Kultur stellt „FlorJan Böhmereisen“ jeden und jede aus dem RTO unter tosendem Applaus persönlich vor.

Der Abend, der mit den verschiedensten Sounds der Galaxis hervorragend vom RTO orchestriert wurde, endet dann ganz bescheiden mit dem Duett aus dem preisgekrönten Satiriker und dem RTO-Gitarrist Matthias Kremer („Licht an! Licht an!“), bevor das Orchester noch einmal zu einem instrumentalen Supernova-Finale einstimmt.

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