Eurovision Song ContestDie 11 schlimmsten Beiträge beim deutschen ESC-Vorentscheid

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Schlagerstar Michelle, Rudolph Moshammer und Zlatko

Schlagerstar Michelle kann es kaum fassen: Sie muss neben Rudolph Moshammer und Zlatko beim Eurovision-Vorentscheid 2001 antreten. Sie gewinnt haushoch, Mosi und Zlatko werden ausgebuht.

Wussten Sie, dass Rudolph Moshammer oder Zlatko mal am ESC teilnehmen wollten? Wir erinnern an 11 der peinlichsten Lieder der ESC-Vorentscheidung.

Am 16. Februar wird entschieden, wer im Mai für Deutschland beim Eurovision Song Contest (ESC) in Malmö antritt. Die Show „Eurovision Song Contest – Das deutsche Finale 2024“ wird von Barbara Schöneberger moderiert und findet diesmal in den MMC Studios in Köln-Ossendorf statt.

Zur Feier des Tages blicken wir noch einmal zurück auf die glorreiche Vergangenheit der deutschen Vorentscheidungen – und auf die Schrecknisse, die sie mit sich brachten. Übrigens wurden die meisten dieser Titel als Single oder auf einschlägigen Samplern veröffentlicht. Ja, sie wurden tatsächlich mit der Hoffnung auf kommerziellen Erfolg auf den Markt gebracht. Hier sind unsere 11 „Favoriten“:

Münchner Zwietracht & Rudolph Moshammer: „Teilt Freud und Leid“ Vorentscheid „Countdown Grand Prix 2001“, Platz 10 von 12

„Teilt Freu und Leid, reicht euch die Hand, dann wird die Welt ein Wunderland“

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Nach den erfolgreichen, gekonnt auf Humor setzenden ESC-Beiträgen von Guildo Horn (1998, Platz 7) und Stefan Raab (2000, Platz 5) bricht hierzulande eine Euphorie aus. Hat das Ausland endlich die verkannte, lustige Seite der Deutschen entdeckt? Im Vorentscheid 2001 jagt wohl deshalb eine Comedy-Nummer die nächste, nur sind sie ausnahmslos furchtbar unlustig. Warum Rudolph Moshammer, Gott hab ihn selig, auf seine alten Tage noch so einen Trash mitmacht, wird ewig ein Rätsel bleiben. Ebenso, warum die Münchner Zwietracht solch mittelalterliche Altkleider-Kutten trägt und der damalige Leadsänger Karl Eichinger so schief von Harmonie singt. Dafür gibt es am Ende laute Buhrufe.


Emily Roberts: „Soap“ Vorentscheid Germany 12 Points (2022), Platz 6 von 6

„Wow ... try not to flinch ... damn ... pow ...“

Patzer sind bekanntlich menschlich und passieren, auch beim ESC. So auch im letzten Jahr. Früher nutzten die Künstler die Zeit, um ihr Improvisationstalent unter Beweis zu stellen. Siw Malmkvist hat gepfiffen, andere haben gesummt oder irgendeinen Unsinn gesungen, aber Emily Roberts kichert einfach nur, hält sich dann die Hand vor den Mund und versucht dann, die quälend langen Sekunden mit komischen Ausrufen zu überbrücken. Dem aufmerksamen Zuschauer war jedoch nicht entgangen, dass sie schon zuvor keinen einzigen Ton getroffen hatte. Waren da nicht gefühlte 100 Proben vorausgegangen? Das Publikum zeigte sich „not amused“ und gab ihr nur 5 Punkte, vielleicht auch weil es ihre Reaktion auf den Patzer nicht lustig fand. Letzter Platz und schade um das hübsche Liedchen.


EuroCats: „Surfen-Multimedia“

Vorentscheid „Ein bisschen Glück“ (1996), Platz 6 von 10

„Surfen, surfen, durch die Welt, mit Multimedia - Surfen, surfen, Tag und Nacht, auf der Datenautobahn“

Vier Hupfdohlen in Nationalflaggen-Röckchen tanzen zur geklauten Beach-Boys-Melodie eine schweißtreibende Choreografie, die Detlef D. Soost in Panik versetzen würde. Textlich versuchen die Damen den damals noch unbedarften Menschen das Internet näherzubringen. Dabei fallen absurde Sätze wie „Mensch, sei ein User, geh online, im E-Mail triffst du mich“ oder „Ob Interface, ob Cyberspace, ich teile gerne mit dir“, bei denen man sich heute noch fragt, was die Damen damit eigentlich sagen wollten. Die Gruppe sang übrigens noch einige Jahre unter diesem Namen weiter, später auch als LiveCats. Der Komponist des Liedes, Erich Offierowski, hatte vorher und nachher mehr Glück mit Liedern für Claudia Jung oder Andrea Berg. 


Mister Fisto: „Rein und klar wie's früher war“ Vorentscheid „Ein Lied für Bergen“ (1986), Platz 11 von 12

„Rein und klar wie's früher war, ach wie wär das wunderbar, würden unsere Herzlein springen und wir würden alle singen“

Dieser Song gibt so viele Rätsel auf: Warum schickt man 1986, als die Neue Deutsche Welle nicht mal mehr zuckt, diesen schrägen „Codo“-Verschnitt ins Rennen? Warum heißt das Projekt wie eine schwule BDSM-Bar? Und wer ist diese Susi, die im Text besungen wird? Das kakofonische Machwerk mit dem Leadsänger im Raumanzug und drei Fräulein-Menke-Verschnitten im Background hatte mit dem gummiartig tanzenden Typen im gelben Ganzkörperkondom immer ein Highlight zu bieten. Übrigens fiel damals niemand der Textdichter auf: Peter Rubin, seines Zeichens Schlagersänger („Azzuro“) und Stammgast in der „ZDF-Hitparade“.


All About Angels: „Engel“ Vorentscheid „Der Countdown läuft“ (1997), Platz 7 von 9

„Manchmal fällt ein Engel glatt vom Himmel, manchmal kommt ein Engel dir ganz nah“

Während ganz Deutschland Tic Tac Toe feiert, reicht es für diese Retorten-Girl-Gruppe aus dem Hause Ralph Siegel nur für die Vorentscheidung 1997. Gar nicht himmlisch klingt ihre Engelshymne zu Techno-Beats und Versatzstücken aus Camouflages „Love Is a Shield“. Erhellende Sätze wie „Engel haben viel zu tun und wenig Zeit“ können natürlich nur von Siegels bestem Freund Bernd Meinunger stammen. Wer genau hinschaut, erkennt übrigens die damals noch blutjunge Lilian Klebow, die nach dem unbeholfenen Tanzdebakel im Vorentscheid eine solide Schauspielausbildung absolviert, um im Fernsehen durchzustarten. Seit 2005 ist sie Hauptdarstellerin der „SOKO Donau“.


Ricci Hohlt: „Du“ Vorentscheid „Ein Lied für Stockholm“ (1975), Platz 14 von 15

„Duuuuu, du bist nur für mich geboren, duuuuu, ohne dich wär' ich verloren“

Wer im weißen Nachthemd auf die Bühne huscht, kann sich leicht verkühlen, wohl auch deshalb singt Ricci Hohlt von der ersten Sekunde an zu hoch und viel zu verkrampft. Verzweifelt klammert sie sich an ihr Mikrofon und trällert sich immer weiter ins Abseits. Dabei kannte sie sich mit Höhepunkten aus. In ihrer Filmografie finden sich Meisterwerke der damaligen Softsex-Welle wie „Graf Porno und die liebesdurstigen Töchter“ von 1969 oder „Junge Mädchen mögen's heiß, Hausfrauen noch heißer“ von 1973. Später war sie auch in „Derrick“ oder „Der Alte“ zu sehen.


Ballhouse: „Can-Can“ Vorentscheid „Countdown Grand Prix 1998“, Platz 6 von 10

Jetzt kommt der geile Rhythmus, halt dich fest und schnall' dich an, denn alle tanzen jetzt Can-Can

Die Idee ist gar nicht so schlecht: Den guten alten Can-Can mit Techno aufpeppen. Dazu ein paar hübsche Mädels in bunten Klamotten und ein muskulöser Warm-Upper vom letzten CSD, der der Truppe so richtig einheizt und Bonuspunkte bei der schwulen ESC-Fangemeinde sammelt. Sieht gut aus, klingt aber nach Resterampe. Ralph Siegel hat ein paar Versatzstücke aus seinem Computer gefischt und hofft, mit seinem Haustexter Bernd Meinunger, das jüngere Publikum mit „modernem“ Vokabular wie „Oh Yeah, Allllright, oh wow, bis die Fetzen fliegen“ abzuholen. Der völlig schief schreiende Warm-Upper tut sein Übriges. Da hilft auch kein übertriebenes Armfuchteln oder Fingerschnippen. Oliver Sohl, so heißt der gute Mann, trat danach in unzähligen Musicals und auf AIDA-Kreuzfahrtschiffen auf. Hoffentlich stimmsicherer.


Adam & Eve: „Hallo Adam, Hallo Eva“ Vorentscheid „Ein Lied für Den Haag“ (1980), Platz 7 von 12

Eva, lass das sein, nimm nicht den Apfel, weg von der Schlange, sonst ist alles aus. Doch es ist zu spät, und was ich befürchte, hörst du ihn schimpfen, jetzt wirft er uns raus

1980 ist der Witz von den „ersten Menschen im deutschen Schlager“, wie sich das Schlagerduo damals augenzwinkernd nennt, längst verpufft, was das in den Jahren zuvor sehr erfolgreiche Schlagerduo Adam & Eve („Du gehst fort“) nicht daran hindert, ihn noch einmal textlich zu verarbeiten. Gott wirft die beiden aus dem Paradies, weil sie nicht vom Apfel lassen kann und er ihr obendrein noch sagen muss, dass sie sich anziehen soll. Das einzig wirklich Positive an diesem bizarren Beitrag war Eves hautenger Glitzerfummel mit blickdichtem Nylon und Arielle-Vorhang am Chassis. Der Song war so schlecht, dass die Plattenfirma die geplante Single-Veröffentlichung platzen ließ und die Studioaufnahme zu einer Art heiligem Gral unter Schlagerfans wurde.


Megasüss: „Ich habe meine Tage“ Vorentscheid „Der Countdown läuft“ (1999), Platz 7 von 11

„Ich habe meine Tage, verstehst du, was ich sage, du bist wohl nicht ganz dicht, eeeey, es geht heut' leider nicht“

Manche Plattenfirmen trauen sich was. Casten zwei unbedarfte Mädchen an der Bushaltestelle und hoffen mit einem „frechen“ Lied über Menstruationsprobleme auf den Tic-Tac-Toe-Effekt. Deren Comeback steht zum damaligen Zeitpunkt nach dem Riesenknall auf der Pressekonferenz 1997 noch aus, also sollten die Gangsterbräute von Megasüss mit bösen Blicken und schwarzen Wollmützen die Lücke füllen. Doch bis auf die durchaus amüsante Bridge ist der hohle Titel so monoton, dass sich kaum jemand erbarmt, dafür anzurufen. Der Auftritt ist ein One-Way-Ticket: Die Mädchen werden nach dem Vorentscheid wieder an der Bushaltestelle ausgesetzt, wo sie bis heute warten.


That's Life: „Telefon“ Vorentscheid „Ein Lied für Bergen“ (1986), Platz 12 von 12

„Telefon, die Welt am Telefon, Dingeling bei Tag und Nacht, derselbe Ton“

Ein weiterer Beitrag aus der reichhaltigen ESC-Giftküche von Ralph Siegel. Der denkt sich 1986, wenn Sade und Matt Bianco angesagt sind, versuchen wir's mal mit entspannten Bossa-Nova-Rhythmen und lassen irgendwelche No Names sinnloses Telefonvermittlungszeug von „Ist der Chef da?“ bis zur pseudopolitischen Frage gegen Ende „Und wer kennt die Nummer, von dem berühmten roten Telefon, das im Zweifelsfall die Welt verbindet?“ aufsagen. No Names? Nicht ganz. Wolfgang Heichel, der Herr im schwarzen Anzug, war früher bei Dschinghis Khan und die blonde Dame mit dem gelben Telefon ist tatsächlich Gabriele Prinzessin zu Leiningen, die später für einige Jahre als Begum Aga Khan bekannt wird.


Zlatko: „Einer für alle“  Vorentscheid „Countdown Grand Prix 2001“, Platz 6 von 12

„Einer für alle, und alle für mich, einer für alle, der eine bin ich. Alle für einen, glaubt einfach mal an mich, einer für alle, hier bin ich.“

Popeln, pennen, prollen: Zlatko, 2000 durch Big Brother zu zweifelhaftem Reality-Ruhm gekommen, versuchte sich nicht nur als Schauspieler („Mr. Boogie“), sondern auch als Sänger. Was im Studio und später auf CD („Ich vermiss' dich, wie die Hölle“) mit viel Technik zu korrigieren war, zeigt sich spätestens beim ESC-Vorentscheid. Weder vorher noch nachher wurde je so schief gesungen. Zlatko trifft keinen Ton.

Da hilft es auch nicht, dass sein „großer Bruder“ Jürgen hüpfend im Publikum steht und Zlatko pathetisch die Arme in die Luft reißt, als sei er der Pop-Messias höchstpersönlich. Immerhin bedankt er sich am Ende brav bei den bösen Buhrufen: „Vielen Dank, ihr Fotzköppe!“

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