Im Wienand Verlag ist ein so schöner wie lokaler Führer durch das Werk des Bildhauers erschienen: „Ewald Mataré in Köln“.
„Ewald Mataré in Köln“Ein sicherer Hafen für schräge Figuren

Für ein Wohnhaus in Rodenkirchen schuf Ewald Mataré eine „Fratze“ als Türknauf.
Copyright: Henning Krause / VG Bild-Kunst
Manchmal ist es tröstlich, dass Kunstsammlungen ihren Grundstein auch in Trümmern finden können. Hätten die Nazis nicht im Jahr 1938 ein im niederrheinischen Kleve errichtetes Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges geschleift, die heute im städtischen Museum Kurhaus ansässige Sammlung der Werke Ewald Matarés hätte ihren Weg wohl nicht dorthin gefunden. Matarés „Toter Krieger“ war die erste öffentliche Auftragsarbeit des Künstlers überhaupt gewesen und hatte schon 1934 bei seiner Errichtung für Murren unter braun eingefärbten Politikern gesorgt. Am Vorabend des Zweiten Weltkrieges wurde der am Boden hingestreckte Soldat dann (so ahnungsvoll wie symbolträchtig) zerstört und seine Überreste bei Nacht und Nebel weggeschafft.
Erst vier Jahrzehnte später förderte ein Baggerfahrer einige basaltene Gliedmaßen wieder zu Tage und gab mit seinem zufälligen Fund den Anstoß zur Restaurierung und Wiederaufstellung der Skulptur. Mit dieser verdienstvollen Arbeit gingen die ersten Kontakte zur Familie des 1965 verstorbenen Mataré einher, die gegen Ende der 1980er Jahre schließlich in die Gründung der Mataré-Sammlung im ehemals fürstlichen und nunmehr als Museum restaurierten Kurhaus mündeten.

Ewald Matarés „Taubenbrunnen“ vor dem Kölner Dom. Eine Aufnahme aus dem Bildband des Wienand Verlags
Copyright: Henning Krause / VG Bild-Kunst
Zu Lebzeiten hatte der unter den Nazis verfemte Mataré seine künstlerische Heimat vorwiegend in Köln gefunden – und dies noch in den Kriegsjahren. 1939 beauftragte ihn Franz Müller, Prälat von St. Elisabeth in Hohenlind, eine Grabplastik zu gestalten, die bald darauf um eine Grabplatte und eine aus Ähren geformte Gittertür ergänzt wurde; 1942 entwarf Mataré einen Heiligen Antonius für die Kirche St. Kolumba. Die katholische Kirche war damals ein sicherer Hafen für den zwischen Moderne und Tradition vermittelnden Künstler; allerdings wurde er auch dort teils eher geduldet als gefördert. Als Mataré für Hohenlind einen „Triumphierenden Jesus“ anfertigte, sorgte Erzbischof Josef Frings dafür, dass diese alles andere als feierliche Figur wieder abgehängt wurde.
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In den Nachkriegsjahren segnete allerdings auch der zum Kardinal erhobene Frings die Ideen Matarés ab; mit Franz Müller und Dombaumeister Willy Weyres hatte der Künstler gewichtige Fürsprecher auf seiner Seite. 1947 gestaltete Mataré die vier Bronzetüren am Südportal des Kölner Doms (unter tätiger Mithilfe seines Lehrlings Josef Beuys) und wurde mit diesen im Rheinland schlagartig berühmt. Gegen den überreichen Zierrat der Fassade setzte er sparsame Bilder und Ornamente und gab ihnen etwas Zeichenhaft-Entrücktes – wie himmlische Winke mit biblischen Motiven. In der Folge konnte sich Mataré vor Aufträgen aus Köln kaum retten. Auch bald 60 Jahre nach dem Tod des Künstlers wirkt die Stadt wie ein Freiluftmuseum seines Werks.
Ein Führer durch das Freilichtmuseum namens Köln
Im Kölner Wienand Verlag ist jetzt ein Bildband erschienen, den man als Führer durch dieses Museum verstehen darf: „Ewald Mataré in Köln“ von Vanessa Sondermann. Auf 160 reich bebilderten Seiten erzählt Sondermann die Geschichten hinter den Skulpturen, Reliefs und Objekten, die sich beileibe nicht nur in Kölner Kirchen finden. Mataré verschönerte auf Bestellung auch Wohnhäuser, Weinkeller, Museen und sogar ein Gasthaus – für „Em Hanen“ am Alter Markt lieferte er einen „Kallendresser“, der seinen nackten Arsch über die Köpfe der Passanten reckt. Dem Geist des Orts huldigte Mataré zudem mit einem schielenden „Kaiser“ als Türklopfer und einem lasziv hingestreckten „Weib“, das den gleichen Zweck erfüllt. Schön, dass Kardinal Frings die Weihe dieser beliebten Sehenswürdigkeiten noch erleben durfte.
Matarés moderner Realismus schloss Derbes und Frivolitäten ein, ein etwas überraschender Befund für Liebhaber seiner geschwungenen, auf ihr sanftes Wesen reduzierten Tierfiguren – unter seinen Händen wurde jedes Nutztier zum Lamm Gottes. Sogar den lästigen Tauben vor dem Dom baute er eine Tränke; leider steht der 1953 geschaffene „Taubenbrunnen“ buchstäblich im Schatten der Kreuzblume, eine billige, bei Einheimischen und Touristen gleichwohl äußerst beliebte Betonkopie der beiden Domspitzen. Der größte Bewunderer des „Taubenbrunnens“ war Kasper König; der langjährige Direktor des Museums Ludwig vermutete in dessen Mosaik und seinem spiralförmigen Ablauf ein heidnisches Gegenprogramm zur Kathedrale.
Heidnisch-verspielt kommen einem in Sondermanns Buch vor allem die zahlreichen Türgriffe vor, denen Mataré eine menschliche oder tierische Gestalt gab: eine „Katze“ am Kunsthaus Lempertz oder eine „Fratze“ in einem Rodenkirchener Privathaus. In der gedrungenen Form dieses Türknaufs entsagte Mataré sogar seiner Liebe zum Feingliedrigen. Man findet bei diesem Künstler eben immer etwas Unerwartetes. Auch der Engel mit Malerpalette, der im Stefan-Lochner-Brunnen auf einer sich in die Höhe drehenden Säule thront, entzieht sich elegant traditionellen Vorstellungen. Entweder erhebt Mataré den mittelalterlichen Maler im Hof des heutigen Museums für Angewandte Kunst zum Himmelswesen. Oder er degradiert den Engel zu dessen Muse.
Vanessa Sondermann: „Ewald Mataré in Köln“, Wienand Verlag, 160 Seiten, 32 Euro.

