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Glasfenster für St. AndreasWie Markus Lüpertz Köln zum Katholizismus bekehrt

Lesezeit 3 Minuten
Drei Männer schauen zum Bild heraus und betrachten ein Kirchenfenster des Künstlers Markus Lüpertz.

Markus Lüpertz (rechts) betrachtet mit Pater Christoph J. Wekenborg und Helmut Haumann in der Kirche St. Andreas in Köln das vollbrachte Werk.

Seit 2005 gestaltet Markus Lüpertz die Glasfenster der romanischen Kirche St. Andreas. Jetzt wurden zwei weitere Lücken geschlossen.

Joachim Meisner fand bekanntlich, dass uns Kirchenfenster etwas sagen müssen, und auch der quasireligiöse Kult der Kunstmoderne war dem verstorbenen Kölner Kardinal ein Dorn im Auge. Tatsächlich kann man sich durchaus fragen, ob Gerhard Richters im Dom aufgehängter Glasteppich abstrakter Farbquadrate überhaupt ein „richtiges“ Kirchenfenster ist. Oder nicht vielmehr ein Künstlerfenster, zu dem man pilgert wie zu einer Touristenattraktion.

Zu viel von allem, das macht bei Markus Lüpertz gerade den Reiz aus

Auch die himmlischen Lichtblicke, die der katholische „Malerfürst“ Markus Lüpertz für die romanische Kirche St. Andreas schuf, ziehen vermutlich nicht nur Gläubige im hergebrachten Sinne an. Zwischen 2005 und 2010 entstanden an der Kölner Komödienstraße zwölf leuchtend-bunte Glasfenster, mit denen Lüpertz im klassischen Sinne biblische Geschichten erzählt, diese aber zugleich im Spiegel der Moderne bricht. Man muss schon etwas Muße mitbringen, um im Marienchor von St. Andreas die deformierten Körper der Heiligen aus den üppig wuchernden Ornamenten zu schälen - gerade dieses „Zu viel von allem“ macht aber den Reiz der Lüpertz’schen Entwürfe aus.

Nach einer längeren Atempause schickt sich die Kirchengemeinde an, das begonnene Werk bis zum nächsten Heiligabend zu vollenden. In den Jahren 2020 und 2021 zogen bereits das Tauffenster, ein Josephsfenster sowie der Patron der Kölner Bierbrauer in die romanischen Gemäuer ein – letzterer verdiente sich seinen Heiligenschein sinnigerweise durch Glaubenseifer und Askese. Jetzt konnten Lüpertz und Helmut Haumann, Vorsitzender des Fördervereins Romanische Kirchen Köln, zwei weitere Lücken schließen: Mit dem Auferstehungsfenster ist die Nordseite des Langschiffs vollständig verglast, auf die Südseite wird die vierteilige Reihe mit einer Verkündigung begonnen.

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Es gibt nichts Neues in der Kunst, es gibt nur neue Künstler
Markus Lüpertz

Bei der Vorstellung der Glasfenster bekannte sich Lüpertz freimütig dazu, wie sehr ein solcher Auftrag, die Gestaltung einer ganzen Kirche, dem Künstlerego schmeichelt. „In einem Museum kann man abgehängt werden“, sagte Lüpertz. „In St. Andreas kann mir das so schnell nicht passieren.“ Aber daraus ergebe sich auch eine besondere Verantwortung, die Lüpertz im Sinne eines Handwerksethos‘ interpretiert: „Es gibt nichts Neues in der Kunst, es gibt nur neue Künstler. Und deswegen suche ich nicht die Konkurrenz des Zeitgeschmacks, sondern stelle mich einer Jahrhunderte alten Tradition.“

Tatsächlich schuf Lüpertz für St. Andreas Bleiglasfenster in einer Technik, die bereits seit dem Hochmittelalter existiert – und er versichert: „Ich mache alles selbst, was ich selbst machen kann.“ Anders als etwa Sigmar Polke, der sich für seine Glasfenster im Zürcher Großmünster seiner Lehrzeit als Glasmaler (und seiner vielen Sünden) erinnerte, ist Lüpertz zudem kein Spätbekehrter; sein Frühwerk ist erfüllt von christlicher Symbolik. So fiel es ihm offensichtlich leicht, biblische Motive mit der jüngeren Kunstgeschichte zu vereinen, was wiederum dazu passt, dass sich vieles, was uns an der modernen Glasmalerei verblüfft (selbst die Abstraktion), aus einer langen Tradition ableiten lässt.

Bereits die mittelalterlichen Handwerker fühlten sich von der Verpflichtung entbunden, Natur und Wirklichkeit nachzuahmen, weil es für sie ja gerade darum ging, das Übernatürliche darzustellen. Entsprechend unwirklich leuchten ihre Kirchenfenster in göttlichen „Signalfarben“ wie Blau und Rot.

Auch Lüpertz lässt St. Andreas in den schönsten Farben strahlen, wobei ausgerechnet sein neues Verkündigungsfenster das Schwächste im himmlischen Reigen ist – vielleicht, weil man auf ihm so vieles so leicht erkennen kann. Maria und der Engel wirken hier eher grob geschnitzt (überhaupt hat Lüpertz eine Neigung zu großen Hobbitfüßen), und der Segen spendende Geist scheint sich im Himmelszelt in ein Superheldenkostüm gezwängt zu haben. Beinahe könnte man darüber die hübsche Pointe des Fensters übersehen: Die Verkündigung wird aus weißem Glas gebildet wie eine Sprechblase ohne Text.

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