Bei „Hart aber fair“ ging es am Montagabend um Migration und Asyl. Zwei große Themen – zu groß für eine Sendung.
„Hart aber fair“ zur AsylpolitikSoziologe: „Menschen kommen nicht wegen der Sozialleistungen“
Migration – ein Thema, das im Nachkriegsdeutschland immer ein Thema gewesen ist. Mal größer, mal kleiner. Forderungen nach Obergrenzen, Diskussionen über Drittstaaten oder Pläne für eine Bezahlkarte hieven das Thema nun mal wieder näher Richtung Mittelpunkt des öffentlichen Diskurses.
„Geht Asylpolitik wirklich nur so?“ Unter dieser Fragestellung wollte Moderator Louis Klamroth am Montagabend in seiner Sendung „Hart aber fair“ die verschiedenen Blickwinkel auf die deutsche, die europäische Asylpolitik diskutieren. Knapp 75 Minuten Zeit, ein enger Rahmen für ein solch großes Thema. Klamroth versuchte es trotzdem, mit diesen Gästen in seiner Runde:
Die Gäste bei „Hart aber fair“
- Armin Schuster (CDU), Innenminister Sachsens
- Cansel Kiziltepe (SPD), Senatorin für u.a. Integration und Vielfalt in Berlin
- Arif Abdullah Haidary, Geflohener aus Afghanistan, arbeitet im Bayerischen Flüchtlingsrat
- Katharina Dröge (Bündnis 90/Grüne), Fraktionsvorsitzende im Bundestag
- Özgür Özvatan, Soziologe
- Hans Reichhart (CSU), Landrat in Günzburg (Bayern)
Schnell wird klar: Mit den großen Themen Migration und Asyl und dem vergleichsweise kleinen Sendungsrahmen hat Klamroth sich etwas übernommen. Thematisch springt die Sendung von einem Punkt zum nächsten, ohne einen davon auszudiskutieren. So bleibt auch von „Hart aber fair“ der Eindruck, den Debatten bei diesen Themen oft hinterlassen: Viele Argumente und Standpunkte wurden ausgetauscht, dazwischen ist nicht viel passiert.
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Dabei startet die Sendung eigentlich gut. Große Themen, heruntergebrochen auf ein Dorf mit knapp 90 Einwohnenden: Michelbach, ein kleiner Ort in Rheinland-Pfalz. Hier sollen rund 60 Geflüchtete untergebracht werden. Im Ort selbst regt sich Protest. Es geht den Einwohnenden um die Geflüchteten, „die nicht die Leidtragenden sein“ sollen, aber auch um sich selbst. „Viele haben Angst, dass es nicht mehr so ist, wie es war.“ Viel Kritik, aber kaum Ideen für Lösungen. Das wird nicht das letzte Mal an diesem Abend so sein.
Migration bei „Hart aber fair“: keine Lösungen, keine Visionen
Ob „kein Platz“ (Sachsens Innenminister Armin Schuster, CDU) oder „doch noch Platz“ (Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge), es wird zu Beginn der Sendung nur selten auf Aussagen anderer Gäste eingegangen. Louis Klamroth versucht, das zu ordnen, erst im weiteren Verlauf gelingt ihm das etwas besser.
Es geh um Belastungsgrenzen. Man sei „jenseits aller Limits“, sagt Schuster, sein Unions-Kollege Hans Reichhart aus dem bayerischen Günzburg stimmt zu: „Wir stoßen an unsere Grenzen.“ Wieder eine Kritik ohne Verbesserungsvorschlag. Das kritisiert auch Soziologe Özgür Özvatan: „Die Parteien bieten keine Lösungen zur Migrationspolitik an. Das ist alles nicht zukunftsgerichtet gedacht. Auch heute ist das alles sehr kleinteilig, es werden keine Visionen für die nächsten Jahre vermittelt“, sagt er. Und fasst damit nicht nur Asyl- und Migrationsdebatten, sondern auch die Sendung gut zusammen.
Obergrenze bei Geflüchteten? Dröge: „Das ist keine seriöse Politik“
Armin Schuster versucht, den Gedanken einer Obergrenze noch einmal aufzugreifen. Und argumentiert: „Unser Anspruch ist eine humane Integrationspolitik. Was wir aber aktuell tun, hat mit Integration nicht viel zu tun. Wir versuchen nur noch unterzubringen.“
Der Grundgedanke mag human sein, ist jedoch an der Realität vorbei. Die Zahlen der Geflüchteten, ob mit oder ohne rechtlichen Anspruch auf Asyl, lassen sich nicht durch eine in Deutschland festgelegte Obergrenze regulieren. Das Recht auf Asyl endet schließlich nicht bei einer durch Politiker festgelegten Zahl. Katharina Dröge macht das schnell deutlich: „Das ist keine seriöse Politik. Das ist weder mit dem Grundgesetz, noch mit europäischem oder internationalem Recht vereinbar.“
Arbeit für Geflüchtete: Unternehmer kritisiert Behörden
Was man aus Migration und dem Recht auf Asyl macht, ist dann aber wieder etwas anderes. Was möglich wäre, zeigt das Beispiel des Bäckermeisters Björn Wiese aus Eberswalde. Er bietet Geflüchteten Arbeitsplätze, eine Ausbildung, hilft bei der Integration. Dafür benötigt es viel Eigeninitiative und Geduld. Die Handwerkskammer war, gerade zu Beginn, nicht sehr hilfreich. Auch die Behörden kritisiert er: „Jede Ausländerbehörde trifft eine andere Entscheidung. Unternehmer müssen sich an Duldungen entlang hangeln und hoffen, dass die verlängert wird.“ Leicht gemacht werde es Unternehmern nicht gerade, Geflüchtete in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Das Beispiel von Wieses Bäckerei ist ein positives. Aber es wäre auch wieder groß genug, um eine eigene Sendung zu füllen. Und über Fachkräftemangel, Arbeitsmigration und deutsche Behörden zu sprechen. So aber fällt es im großen Thementopf der Sendung etwas vom Teller.
Haidary bei „Hart aber fair“: Flucht für 21.000 Euro
So geht es weiter, nächstes Thema: die Bezahlkarte für Geflüchtete. Mit ihr will die Politik sicherstellen, dass die Sozialleistungen, die Geflüchtete erhalten, auch nur für den Lebensunterhalt ausgegeben werden. Die große Blase, Menschen würden zum Großteil nach Deutschland kommen, um Sozialleistungen zu erhalten, lässt Arif Abdullah Haidary, der selbst aus Afghanistan nach Deutschland geflüchtet ist, schnell platzen: 21.000 Euro habe seine Flucht gekostet.
Soziologe Özvatan unterfüttert diese Aussage: „Die Forschung ist eindeutig: Menschen kommen nicht wegen der Sozialleistungen. Menschen kommen wegen Push-Faktoren, weil sie ihr Land verlassen müssen.“
Drittstaaten-Lösung: Viel Theorie, wenig Greifbares
Als wäre die Sendung noch nicht voll genug mit großen Themen, wird kurz vor dem Ende noch die Drittstaatenlösung angeschnitten. Asylverfahren sollen in anderen sicheren Ländern durchgeführt werden. Gerald Knaus, der vor einigen Jahren an einem ähnlichen Deal zwischen der Türkei und der EU beteiligt war, erklärt: Geflüchtete sollen an der Grenze aufgenommen, in ein anderes Land geflogen werden – als Beispiel nennt er Ruanda. Und dort ein Asylverfahren bekommen, statt in Deutschland. Der Drittstaat kümmere sich um die Menschen, nehme sie auf.
Das ist dann doch mal eine Vision. Wenn auch eine schwer greifbare, auch wenn die Bundesregierung und andere Länder wie Großbritannien ein solches Vorgehen prüfen. Die Diskussion darüber hängt ähnlich in der Luft wie das Flugzeug zwischen EU-Außengrenze und Ruanda. Viele theoretische Gedanken werden ausgetauscht, Pläne an die Studiodecke gemalt, konkret wird es nicht.
Da bringt es Haidary mit Blick auf die Länge der Asylverfahren noch am besten auf den Punkt: „Wenn das Asylverfahren in Deutschland schon nicht richtig funktioniert, wie soll das dann in anderen Ländern funktionieren?“