„hart aber fair“„Dann soll der noch jemanden beglücken?“ – Produzent irritiert mit Aussagen zu Lindemann

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Thomas M. Stein, ehem. Musikmanager, fehlt offenbar der Glaube, dass das, was Dutzende Frauen Till Lindemann vorwerfen, stimmen könnte.

Thomas M. Stein, ehem. Musikmanager, zweifelt daran, dass das, was Dutzende Frauen Till Lindemann vorwerfen, stimmen könnte.

Bei „hart aber fair“ diskutierten die Gäste am Montagabend über Sexismus und Gleichberechtigung – und den Fall Rammstein.

Dutzende Frauen erheben schwere Vorwürfe gegen die Band Rammstein, insbesondere gegen Frontmann Till Lindemann. Den Stein ins Rollen gebracht hat dabei die nordirische Konzertbesucherin Shelby Lynn. Lynn behauptet öffentlich, sie sei vor einem Konzert der Band in Litauens Hauptstadt Vilnius bei einer Backstage-Party vermutlich unter Drogen gesetzt und möglicherweise verletzt worden.

Es wäre nicht der erste Fall von Machtmissbrauch von Männern, die in der Öffentlichkeit stehen, in den letzten Jahren. Genau aus diesem Grund stellte der Moderator Louis Klamroth am Montagabend in der Sendung „Hart aber fair“ die Frage: „Männer, seid Ihr wirklich noch nicht weiter?“. Zur Diskussion eingeladen hatte er dabei:

  • Lisa Schäfer (CDU), Kommunalpolitikerin und Mitglied der jungen Union
  • Stefanie Lohaus, Journalistin und Projektleiterin von „Gemeinsam gegen Seximus“
  • Tobias Haberl, Autor für das SZ-Magazin, Buchautor von „Der gekränkte Mann“
  • Thomas M. Stein, Unternehmer und ehemaliger Musikproduzent
  • Rita Süssmuth (CDU), ehemalige Bundesfamilienminsterin und Bundestagspräsidentin

Den Anfang macht dabei Thomas M. Stein. (74), ehemaliger Musikproduzent und ein Bekannter der Band. Er könne sich überhaupt nicht vorstellen, dass die Vorwürfe gegen Lindemann stimmten, ist dabei sein klares Credo.

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„Wie der Mann mit 60 Jahren auf der Bühne rumrennt, und dann soll der da noch unter die Bühne gehen, um jemanden zu beglücken? Da muss er ins Museum, weil das ist eine Kraft, die kannst du eigentlich gar nicht aufbringen.“ Beglücken? Museum? Diese Aussagen kommen, wenig verwunderlich, bei den anderen Gästen nicht gut an. 

Vorwurf der leichtfertigen Berichterstattung im Fall um Rammstein-Sänger Till Lindemann

Die feministisch orientierte Journalistin Stefanie Lohaus zeigt sich irritiert und macht keinen Hehl aus ihrer Verwunderung über die Aussagen Steins. Sie setzt sich immer wieder vehement für die im Fall Rammstein geleistete journalistische Sorgfaltspflicht ein. Die schiere Masse der gut recherchierten Berichterstattung gegen Lindemann weise dann, ab einem gewissen Zeitpunkt, eindeutig auf eine gewisse Form der Schuld hin, so Lohaus.

Eine Meinung, die die NDR-Investigativjournalistin Elena Kuch teilt. Diese wird von Moderator Klamroth in eine Befragungsrunde gebeten, bei der sie von ihrer aktuellen Arbeit zum Fall Rammstein berichtet. Jedoch benötige es gerade für den wohl schwerwiegendsten Vorwurf, dass die betroffenen Frauen gezielt unter Drogen gesetzt worden sein sollen, um sie dadurch gefügig zu machen, „noch mehr Recherche“.

Die Unschuldsvermutung gilt. Deswegen ist sie ja so wertvoll. Sie gilt auch noch, wenn vieles dagegen spricht.
Tobias Haberl

Tobias Haberl, der an diesem Abend den Konterpart zu Lohaus bilden soll, verweist dabei den Abend über immer wieder auf die Gefahr einer zu voreiligen gesellschaftlichen Verurteilung von Männern wie Till Lindemann. „Die Unschuldsvermutung gilt. Deswegen ist sie ja so wertvoll. Sie gilt auch noch, wenn vieles dagegen spricht“, ist dabei eine der Aussagen Haberls, die zu viel Applaus aus dem Studiopublikum führt.

Diskussion bei „Hart aber fair“: Was tun bei einem Dickpic?

Ein eher ruppiger Übergang des Diskussionsthemas, weg von dem konkreten Fall Rammstein, hin zu dem Themenbereich Sexismus und Machtmissbrauch in der Gesellschaft, wird dann durch zwei kurze Einspieler erzwungen. Zunächst schildern junge Frauen auf der Kölner Schildergasse, wie sie selbst bereits übergriffiges Verhalten erlebt haben. Erwähnt wird dabei auch das sogenannte „Dickpic“, also ein Bild vom männlichen Geschlechtsorgan, was Männer auch ungewollt an die Handys von Frauen schicken. Moderator Klamroth will dieses Thema offensichtlich nutzen, um die Stimmung im Raum ein wenig  aufzulockern, was ihm aber nicht so recht gelingen mag.

Der zweite Einspieler liefert dann wichtige statistische Kennzahlen, die die Ausmaße sexualisierter Gewalt in Deutschland verdeutlichen. Doch wie kann man das Problem angehen? Eine wirklich klare Lösung kann dabei keiner der Diskussionsteilnehmer aufzeigen.

Die junge Kommunalpolitikerin Lisa Schäfer findet es dann doch auch mal wichtig zu erwähnen, dass sie es unangenehm findet, durch „Brennpunktstraßen in größeren Städten zu laufen.“ Dort würden ihr „junge Männer, deren Sprache ich teilweise nicht mal verstehe, Sprüche hinterherrufen.“

Auf den Hinweis von Stefanie Lohaus, dass es ihr „ähnlich gehe auf dem Oktoberfest“, muss Schäfer, deren Eltern einen Bauernhof besitzen, dann allerdings widersprechen. „Sie sei auch schon häufiger auf dem Oktoberfest gewesen und ihr sei dort so etwas noch nie passiert.“ Außerdem habe sie „auch schon bei Andreas Gabalier in der ersten Reihe gestanden und habe so etwas wie bei Rammstein auch noch nie erfahren.“

Rita Süssmuth zeigt den langen Weg der Gleichberechtigung auf

Eine Frau, die sich seit Jahrzehnten für die Gleichberechtigung eingesetzt hat, ist Rita Süssmuth. Von 1985 bis 1988 war sie Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit und von 1988 bis 1998 Präsidentin des Bundestags. Zeit ihres Lebens ließ sie ihren männlichen Kollegen, in Bonn und später in Berlin, kein übermäßiges Gehabe durchgehen.

Auf die Frage von Moderator Louis Klamroth, was sie in ihrerer langen politischen Karriere für die Gleichberechtigung getan habe, kann sie auch deshalb nicht ganz frei von Stolz erwidern, dass sie überhaupt erst dafür gesorgt habe, „dass ein Bewusstsein gebildet wird“ für die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau.

Wir müssen gemeinsam und in Wertschätzung für jeden Menschen, aus dieser schwierigen Situation wieder herauskommen. Das kann man nur gemeinsam schaffen.
Rita Süssmuth

Wie sie sich den aktuellen Herausforderungen wie dem sogenannten „Gender-Pay-Gap“, also der ungleichmäßgen Bezahlung von Männern und Frauen für die gleiche Arbeit, oder der Frauenquote in Führungspositionen stellen würde? „Wir müssen gemeinsam und in Wertschätzung für jeden Menschen, aus dieser schwierigen Situation wieder herauskommen. Das kann man nur gemeinsam schaffen“, antwortet die 86 Jahre alte Feministin und wirbt damit für weniger Polarisierung zwischen den beiden Geschlechtern.

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