Zum 50. Geburtstag des SuperstarsWarum sich an Heidi Klum die Geister scheiden

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Heidi Klum steht vor einer blauen Wand und blickt lachend in die Kamera.

Heidi Klum vor wenigen Tagen bei einer Gala im Rahmen der Filmfestspiele in Cannes

Ist sie Deutschlands erfolgreichster USA-Export oder eine unverantwortliche Geschäftsfrau, die die Träume junger Mädchen ausnutzt?

Wer verstehen will, warum Heidi Klum in den USA ein Star ist, muss sich nur einige ihrer Auftritte in Late-Night-Talkshows anschauen. Sie macht das fantastisch. Bei Ellen DeGeneres plaudert sie über ihr Liebesglück mit Tom Kaulitz, sie jodelt bei Jimmy Fallon und James Corden gesteht sie, dass sie eigentlich immer zu fröhlich gewesen sei für das Modelbusiness. Und bei all dem macht sie scheinbar beiläufig Werbung für ihre zahlreichen Shows und Projekte. 

Heidi Klum hat sich immer wieder neu erfunden

50 Jahre alt wird Heidi Klum am 1. Juni. In einer Branche, in der das Motto gilt: „Jugend ist alles“, haben viele in diesem Alter das Rampenlicht schon lange wieder verlassen. Nicht so Klum. Sie hat sich immer wieder neu erfunden. Längst ist sie nicht mehr nur Model. Sie ist Moderatorin, manchmal Sängerin, immer Geschäftsfrau. Das US-Magazin „Forbes“ schätzte ihre Einnahmen im Jahr 2021 auf knapp 40 Millionen US-Dollar.

In ihrer Wahlheimat wird sie vom Publikum geliebt. In den USA folgt Unterhaltung einer klaren Regel: Wir lassen uns gegenseitig strahlen und sorgen für Ablenkung und Alltagsflucht. Klum beherrscht dieses Spiel der ewig guten Laune perfekt. Dabei fällt dies Deutschen gemeinhin schwer. Was zu leicht daherkommt, ist irgendwie verdächtig. Wer immer gut gelaunt ist, hat entweder keinen Tiefgang oder etwas zu verbergen. Deshalb fremdeln hierzulande so viele mit Heidi Klum.

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Natürlich schwingt da eine Spur Neid mit. Wenn eine junge Frau aus dem eher bodenständigen Bergisch Gladbach – ohne Verbindungen in die Welt der Stars – so eine Karriere macht, hätte man vielleicht selbst nur etwas größer träumen müssen.

Heidi Klum: „Verbissenheit und harte Arbeit“

Ihren Erfolg hat sich Klum hart erarbeitet. Daran besteht kein Zweifel. „Verbissenheit und harte Arbeit“ seien die Grundlagen gewesen, hat sie mal gesagt. Das klingt dann alles andere als leicht und fröhlich. Für Paris sei sie zu kurvig gewesen, nichts habe ihr gepasst, bekannte sie in Interviews. Karl Lagerfelds legendärer Ausspruch „Claudia kennt die auch nicht. Die war nie in Paris. Die kennen wir nicht.“ sorgte für Lacher. Vermutlich waren diese Erfahrungen für Klum aber alles andere als lustig. 

Sie begriff früh, dass sie kein klassisches Laufstegmodel werden würde. Und so erfand sie die Rolle, die sie spielen wollte, einfach selbst. Die Medienpersönlichkeit Heidi Klum ist zweifellos eine perfekt durchgeplante Kunstfigur. Das fängt bei der Stimme an. Bei ihrem ersten Auftritt im Wettbewerb „Model '92“ in Thomas Gottschalks wöchentlicher Late-Night-Talkshow spricht sie noch in einer ganz anderen Tonlage. Den Model-Contest gewann sie. Der Rest ist Geschichte. Es wurde New York, nicht Paris.

Der Karriereweg führte fortan steil nach oben. Sie hat Gastauftritte in großen Serien und Filmen wie „Sex and the City“ und „Der Teufel trägt Prada“. Sie spielte die Freundin von Michael J. Fox' Charakter in „Chaos City“. Ihre eigene Show „Project Runway“ brachte ihr den Emmy, die wichtigste TV-Auszeichnung der Welt, ein. Ihre New Yorker Halloween-Partys sind legendär.

Heidi Klum: Steiler Karriereweg von „America's Got Talent“ bis „Germany's Next Topmodel“

Und seit 2013 ist Klum - mit einer kurzen Unterbrechung - Jurymitglied bei „America's Got Talent“. Viel mehr geht nicht. Elf Millionen Menschen folgen ihr auf Instagram, wo sie ihr Promi- und Liebesleben zelebriert und viel nackte Haut zeigt. Mögen andere das unpassend finden, sie macht ihr Ding.

Man würde sie gern dafür feiern, wäre da nicht die Show, mit der ihr Name in Deutschland für immer verknüpft ist: „Germany's Next Topmodel“. Seit 2006 sucht Klum auf Pro Sieben Modelnachwuchs und verteilt Fotos. Ganze Generationen junger Mädchen hat die Sendung geprägt. Und wenn man Heidi Klum etwas vorwerfen kann und vielleicht auch muss, dann ist es das Frauenbild, das sie vermittelt. 

Ihrer Tochter Leni, ältestes von vier Kindern, habe sie, bevor diese ihre Modelkarriere startete, den Rat gegeben: „Lass dir von niemandem sagen, was du zu tun hast. Wenn du es nicht machen willst, lass es.“ Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn wer diesem Motto in „GNTM“ folgt, fliegt entweder raus oder wird als Zicke gebrandmarkt.

Zweifelhaftes Frauenbild, an dem man verzweifeln möchte

Klum vermittelt den jungen Kandidatinnen ihrer Show, für die sie eine Art Übermutter ist, ein Frauenbild, an dem man verzweifeln möchte. Ihre Botschaften: Mach, was dir gesagt wird! Lächele! Zeig' immer so viel Haut, wie von dir verlangt wird! Widerworte sind unerwünscht, Skrupel auch. Solidarität unter Frauen? In der Show weitestgehend ein Fremdwort.

Daran ändert auch nichts, dass seit einigen Staffeln auch etwas ältere oder etwas kurvigere Frauen, die natürlich immer noch alle normschön sind, mitmachen dürfen. Wer in Zeiten von #MeToo jungen Frauen das Gefühl gibt, Nein zu sagen sei keine Option, missbraucht seine Macht und trägt Mitschuld daran, ein toxisches Frauenbild zu verbreiten. 

Auch die Sexualisierung Minderjähriger und sehr junger Erwachsener ist ein Problem. Es ist ein Vorwurf, mit dem sich Klum in diesem Jahr auch in Bezug auf ihre eigene Tochter konfrontiert sah. Mit Leni ist sie in ganz Deutschland auf Postern für die Marke Intimissimi zu sehen. Die Frauen tragen Unterwäsche und halten einander an der Hand. Es ist ein merkwürdig verstörendes Bild, weil die typische Geste einer Mutter, die ihr Kind schützend an die Hand nimmt, so gar nicht in dieses Setting passt.

Heidi Klum wird die Kritik egal sein. Interviews gibt sie selten und wenn dann höchstens ihrem Haussender Pro Sieben, da muss sie keine heiklen Fragen fürchten. Ihren 50. Geburtstag wird sie sicher ausgelassen feiern - und die Welt per Social Media daran teilhaben lassen.

Auf ihre lange und erfolgreiche Karriere kann sie stolz sein. Aber der Haken bleibt: Hätte sie sich an die Regeln gehalten, die sie heute jungen Frauen vorgibt, wäre sie nie so weit gekommen. 


Pro Sieben feiert am Donnerstag den 50. Geburtstag von Heidi Klum. Das Gespräch unter dem Titel „Happy Birthday, Heidi“ läuft um 19.05 Uhr und soll dem Publikum „einen ganz privaten Einblick auf ihre vergangenen 50 Jahre“ geben. Um 20.15 Uhr läuft dann wie gewohnt die neue Folge „Germany's Next Topmodel“. Zuvor zeigt ProSieben bereits um 13.10 Uhr noch einmal „die drei besten Umstylings“ aus 18 Jahren „Germany's Next Topmodel“. Den ganzen Tag über werden viele Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter von Heidi Klum ihr in kurzen Einspielern zum Geburtstag gratulieren.

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