Interview mit Carolin Kebekus„Ich war total frauenfeindlich als 15-Jährige“

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Carolin Kebekus

Carolin Kebekus

Die zweite Staffel der „Kebekus Show“ startet ab Donnerstag, 27. Mai, 22.45 Uhr, in der ARD. Im Interview spricht Carolin Kebekus über die Themen und Gäste der zweiten Staffel, die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle im Kölner Erzbistum („riesiger Eisberg voller Scheiße“), Rassismus in der Gesellschaft und die Benachteiligung von Frauen, den sie ein neues Buch gewidmet hat. Sie können das Interview auch hier als Podcast hören.

Frau Kebekus, herzlichen Glückwunsch zum Grimme-Preis! Ist das ein Preis, über den man sich besonders freut?

Grundsätzlich nehme ich natürlich jeden Preis, den ich kriegen kann. Aber der Grimme-Preis ist definitiv etwas Besonderes. Zumal er so kurz vor dem Start der nächsten Staffel kommt, das ist für mich und mein Team super motivierend.

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Sie haben den Preis unter anderem für den von Shary Reeves moderierten Rassismus-Brennpunkt in Ihrer Show im Juni 2020 bekommen. Der war eine Kritik daran, dass es der ARD keinen Brennpunkt wert war, als George Floyd in den USA von einem Polizisten getötet wurde und es zu schweren Unruhen kam. Ist Kritik am eigenen Arbeitgeber bei der ARD problemlos möglich?

Ja, die waren sehr offen dafür. Wir haben lange überlegt, wie wir dem Thema in unserer Sendung Raum und Schwere verleihen können. Es zwischen zwei Gags zu behandeln, das wäre nicht gegangen. Als die Idee aufkam, einen Brennpunkt zu machen, war auch klar, dass ich mich da schlecht als weiße, privilegierte Frau hinstellen und erzählen kann, wie schrecklich Rassismus ist. Es sollten Menschen sein, die jeden Tag Rassismus ausgesetzt sind. Ich bin denen, die mitgemacht haben, sehr dankbar. Es muss so unfassbar ermüdend sein, nach jedem größeren rassistischen Vorfall immer wieder gefragt zu werden, ob du nicht auch nochmal erzählen kannst, wie krass du schon mal diskriminiert worden bist.

Die Autorin Alice Hasters spricht im Brennpunkt von Abwertungs-Erfahrungen, wenn weiße Menschen sich in ihrer Macht bedroht sehen. Ihre Schilderung hat mich stark an die Whats-App von Jens Lehmann an den Fußballer Dennis Aogo erinnert, Stichwort „Quotenschwarzer“.

Ich kann wirklich jedem empfehlen, das Buch von Alice Hasters „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“ zu lesen. Da gehen einem so viele Lichter auf, wie viele Vorurteile man selbst noch im Kopf hat.

Jens Lehmann und Boris Palmer mit ihren jüngsten verbalen Entgleisungen haben sich Ihren Brennpunkt offensichtlich nicht angesehen. Was würden Sie den beiden gerne sagen?

Ich frage mich, wo die gelebt haben die ganze Zeit. Es gibt diese riesige gesellschaftliche Diskussion, in der Betroffene sagen, dass sie nicht mehr möchten, dass bestimmte Begriffe benutzt werden, weil die diskriminierend sind und auch in der Nazizeit benutzt worden. Wo waren die beiden die ganze Zeit?

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In der ersten Staffel der Kebekus-Show gab es auch einen Schwerpunkt zur katholischen Kirche und der Bewegung 2.0. Haben Sie die Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens im Kölner Erzbistum verfolgt?

Als Gutachten im März in Köln veröffentlicht wurde, dachte ich: Echt schade, dass wir nicht auf Sendung sind, weil jetzt wird Woelki ja zurücktreten. Tja. Jetzt ist er immer noch da. Wir recherchieren gerade ganz viel zu dem Thema für die neue Sendung. Manchmal wissen mein Team und ich gar nicht, wo wir ansetzen sollen: Das ist so ein riesiger Eisberg voller Scheiße. Es ist so absurd, wie die Täter geschützt werden. Da werden Geschichten von Opfern geschwärzt, angeblich, um diese nicht zu retraumatisieren. Dabei wollen die Opfer, dass ihre Geschichten erzählt werden. Jeder, der Opfer von einem Gewaltverbrechen geworden ist, will doch verstehen, wie das passieren konnte. Es gibt aber keine echte Aufklärung, im Sinne der Opfer. Es gibt auch keine Staatsanwaltschaft, die da reingeht. Ich frage mich, wo die Empörung der Gesellschaft bleibt. Sie ist doch das einzige, was die Opfer noch haben. Alle haben immer gesagt, es gäbe kein Geheimarchiv und dann, huch, doch, hat Herr Meißner eine Akte, die „Brüder im Nebel“ heißt. Das kann man sich gar nicht ausdenken, so verrückt ist das.

Die massenhaften Austritte sind doch eine Form öffentlicher Empörung.

Wäre die Kirche ein Fitnessstudio und da würden so viel Leute austreten, keine Mitgliedsbeiträge mehr zahlen und Trainer gäbe es auch nicht mehr, was würde denn da wohl passieren? In der Kirche scheint das keine Wirkung zu haben bei diesen Männerbünden mit ihren überhöhten Ämtern. Die sind so unantastbar, dass sie sich nicht wirklich damit beschäftigen. Was machen denn eigentlich Opfer von Missbrauch, wenn die mitbekommen, dass Täter strafrechtlich überhaupt nicht belangt werden. Wenn das keine Konsequenz hat? Die werden sich denken: Ich bin doch nicht bescheuert und exponiere mich als Opfer. Alles, was wir an Aufklärung fordern, ist eine Investition in die Zukunft. Wir wollen doch keine Gesellschaft, die sagt: Kindesmissbrauch, komm, in der Kirche ist das was anderes. Nein, ist es nicht.

Was können Sie über die zweite Staffel der WDR-Show noch verraten?

Ich darf wieder meine Band im Studio haben, was mich sehr erleichtert, weil ich dann nicht mehr so einsam bin. Das Publikum muss ja noch draußen bleiben. Und Gast in der ersten Folge ist Bill Kaulitz (Sänger von Tokio Hotel, Anm. der Red.).

Der Mann von Heidi Klum?

Nein, ganz schlecht informiert. Das ist der andere. Der Mann von Heidi Klum heißt Tom Kaulitz. Schön, dass wir „der Mann von Heidi Klum“ sagen.

Und dann machen Sie zusammen Musik?

Das wird natürlich eine Überraschung. Auf jeden Fall wird es in der neuen Staffel wahnsinnig viel Musik geben. Und in der ersten Sendung wird es noch ums Thema Fußball gehen. Wenn man guckt, was da beim DFB alles offengelegt worden ist in Sachen Korruption, und dann gibt es noch diese schlimme Homophobie im Fußball, kann man ja eigentlich keinen Fußball mehr gucken. Also brauchen wir eine andere Sportart, wo sollen denn sonst die ganzen Emotionen hin? Ich habe darum eine neue Sportart erfunden und ein paar Prominente dafür gewonnen, die mit mir zu spielen.

Sie haben außerdem ein Buch geschrieben mit dem Titel „Es kann nur eine geben“, das im Herbst herauskommt. Worum geht es da?

Es geht darum, dass der Platz für Frauen in so vielen Bereichen so begrenzt ist, dass man das Gefühl hat, es gibt nur eine Frau. Das fängt schon bei den Kindergeschichten an. Wie viele Frauen gibt es bei den Schlümpfen? Eine. Und was kann die? Nichts. Dabei hat jeder Schlumpf ein Talent, nur die Frau hat keins. Man hat das Gefühl, für Frauen gibt es gar keine Vielfalt. Wenn ich sehe, wie viele Männer in meiner Branche es gibt, von denen viele die gleichen Witze machen: Bei Frauen gibt es immer nur Platz für eine.

beer bitches

Die Beer Bitches sind Nadine Weyer, Carolin Kebekus und Irina Ehlenbeck (v.l.)

Was hat das zur Folge?

Dadurch entsteht beruflich eine krasse Konkurrenz unter Frauen. Und dann entsteht der Ruf, Frauen seien stutenbissig und man könne schwer mit mehr als einer arbeiten. Dabei hat das alles einen Grund. Ich erzähle in dem Buch aber auch, wie frauenfeindlich ich selbst mit 15 war. Da war ich natürlich das einzig coole Mädchen im männlichen Freundeskreis und fand andere Frauen doof. So wird man halt geprägt. Dabei sind wir mega sozial. Wir sind die Königinnen der Vernetzung. Dieses Thema hat mich so lange beschäftigt, bis ich dachte: Jetzt kann ich darüber ein Buch schreiben. Und dann habe ich es gemacht.

In diesem Jahr sind mehr Frauen als Männer mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet worden. Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass sich Ihr Buch schnell überholt?

Wenn ich mir die rechtliche Situation von Frauen angucke, ist die Hoffnung nicht so groß. Frauen werden immer noch extrem bevormundet, was ihren Körper und die Reproduktion angeht. Bei Abtreibungen dürfen wir die Entscheidung immer noch nicht alleine fällen. Wenn eine Frau allein ein Kind kriegen möchte und dafür Zugang zu reproduktiver Medizin braucht, zahlt die Kasse das ab einem bestimmten Alter nicht mehr. Das Sexualstrafrecht hat sich extrem langsam verändert. Je mehr Frauen sich aber vernetzen, desto mehr Chancen haben wir, dass sich die Dinge zum Positiven wenden. Wir müssen nur zusammenhalten.

Auf was in diesem hoffentlich etwas normaleren Kölner Sommer freuen Sie sich am meisten?

Auf die Biergärten natürlich. Und wenn ich mich das erste Mal in eine volle Kneipe quetschen kann, bis durch zur Theke, und dann um die Aufmerksamkeit des Köbes buhle, dann werde ich heulen. Ich würde alle in der Kloschlange umarmen und sagen: „Wie schön euch zu sehen. Geht ruhig vor, ich möchte noch ein bisschen anstehen.“ Das wird so toll.

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