Kölner Architekturpreis 2024Das sind die besten neuen Gebäude in Köln

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Ein Ziegelhaus ohne Fenster zur Straße steht neben einem alten Baum.

„Guten Morgen Blutbuche“ heißt dieses Einfamilienhaus der Architekten Bruncken Frett. Beim Kölner Architekturpreis erhielt es eine „Anerkennung“.

Zwei Schulen, eine Kirche, das Stadtarchiv und eine luxussanierte Sozialbauwohnung sind die besten Kölner Bauten seit 2020.  

Ina Scharrenbach kennt die Sorgen der Architekten und hatte zur Verleihung des 15. Kölner Architekturpreises einige rhetorische Tröstungen mitgebracht. Allerdings ist der NRW-Bauministerin auch der in Zuckerwatte verpackte Galgenhumor nicht fremd: Der Preis werde für fertiggestellte Gebäude vergeben, und dass Bauwerke tatsächlich vollendet werden, sei ja derzeit schon wieder etwas Besonderes, so Scharrenbach. Und allein deswegen bereits ein Grund zur Freude.

Abriss und Neubau sind so sexy wie Kreuzfahrtschiffe und Flugreisen

Gemeint war damit die aktuelle Krise der deutschen Bauwirtschaft, in der viele Projekte brachliegen oder in Schubladen verstauben. Aber natürlich schweiften die Gedanken wie von selbst zur unendlichen Baugeschichte der Kölner Oper ab. Man darf nicht nur gespannt sein, ob dieses Jahrhundertwerk (gemessen an den Kosten) rechtzeitig zum nächsten Kölner Architekturpreis fertig wird, sondern auch, ob Architekten und Bauherrin ihre Arbeit dann einreichen werden.

Eine erfolgreich beendete Sanierung des Riphahn-Baus würde im Trend nachhaltiger Architektur liegen. Abriss und Neubau sind dagegen so sexy wie Kreuzfahrtschiffe und Flugreisen, stellen unter den fünf besten seit 2020 in Köln und Umgebung entstandenen „baukünstlerischen Leistungen“ aber weiterhin die Mehrheit. Unter den ausgezeichneten Projekten finden sich zwei Schulbauten, ein Kirchenzentrum und das Historische Archiv der Stadt Köln. Lediglich der Umbau einer Sozialwohnung aus den 1970er Jahren zu einem luftigen Familienloft mit Schiebewänden erfüllt die hohen Anforderungen, die Leo van Broeck, Mitglied des Kölner Gestaltungsbeirats, in seiner Festrede formulierte.

Eine lang gestreckte, sehr karg eingerichtete Wohnung ohne überflüssige Wände.

Umgebaute Wohnung in einer „Großstruktur“ der 1970er Jahre. Die Architekten sind Demo Working Group.

Es habe keinen Sinn, so Broeck, an einer schöneren Titanic zu bauen, während man auf der sinkenden unterwegs sei. Angesichts des „Klimakollapses“ müsse sich die Architektur radikal ändern. Seine wichtigsten Anregungen, um wenigstens das Schlimmste zu verhindern: Umnutzung statt Neubau, die Renaturierung von Parks und Kulturlandschaften, Verdichtung statt Flächenfraß. Man dürfe Kirchen auch gerne in Schwimmbäder verwandeln, um sie zu erhalten, oder Hochhäuser neben Baudenkmäler stellen. Alles sei besser, als Baumaterialien auf die grüne Wiese zu karren.

Gemessen an diesen Kriterien wurde in Köln in den letzten drei Jahren am globalen Bedarf vorbei gebaut. Umnutzungen oder „ökologische Revitalisierungen“ gab es in den mehr als 60 Einreichungen zum Architekturpreis kaum - und die wenigen Beispiele konnten die fünfköpfige, rein weibliche Jury nicht überzeugen. Ganz ohne Grün geht es aber auch nicht mehr. Ein auf das Ideal guter Nachbarschaft gebautes Wohnareal in Alt-Sülz (Duplex Architekten) lockt seine Bewohner in einen Innenhof mit Strauch- und Baumbestand, und eine von Bruncken Frett entworfene Wohnhaushommage an den Architekten Heinz Bienefeld ist sogar als „Dialog“ mit einer Blutbuche konzipiert. Zum Garten bieten große Glasflächen ganzjährig eine Naturdokumentation, zur Straße zeigt das Haus hingegen ein mit Ziegeln verschlossenes Gesicht.

Gemessen an der Juryprosa ist das  Historische Stadtarchiv das beste Bauwerk unter nominell fünf gleichen

Gemessen an der Juryprosa ist das prämierte Historische Stadtarchiv das beste Bauwerk unter nominell fünf gleichen. „Viel zu selten entfaltet ein Neubau so eine positive Atmosphäre auf die Menschen, die sich in ihm bewegen“, heißt es in der Begründung. Das einhellige Lob erstreckt sich bis auf das „handschmeichelnde Holzgeländer“ und mündet in der Anrufung des heiligen Vitruv, dessen antike Trias aus Schönheit, Nützlichkeit und Beständigkeit sich im Gebäude des Darmstädter Büros Waechter und Waechter vorbildlich erfülle. Da dürften auch dem Kölner Baudezernenten Markus Greitemann die Ohren geklungen haben, denn das oft gescholtene Amt für Gebäudewirtschaft war als Bauherr dieses auch in dieser Zeitung gerühmten Funktionsprachtbaus mitgemeint.

Die Gebäudewirtschaft der Stadt Köln gehörte ohnehin zu den großen Gewinnern des Abends. Eine weitere Auszeichnung gab es für die Erweiterung der Kaiserin-Augusta-Schule (Zila Architekt.innen), dessen „durchdachte Integration“ in das bestehende Ortsgefüge belobigt wurde; eine „Anerkennung“ erhielt das Mensa- und Ateliergebäude der Bildungslandschaft Altstadt-Nord (Gernot Schulz Architektur).

Ein Mietshausfassade mit Loggien und Vorhängen.

Nach Süden italienisches Flair, nach Norden in Schweinchenrosa: „Zukunft Wohnen“ der Wohnungsgenossenschaft am Vorgebirgspark eG.

Bauherrin der zweiten prämierten Schule ist hingegen eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Die Offene Schule in Sürth wurde von Hausmann Architektur rasch und kostengünstig in Industriebauweise errichtet. Die Jury überzeugte, dass sich die Denkfabrik mit „maximaler Flexibilität“ den Bedürfnissen von Schülern und Lehrern anpassen lasse. Das preiswürdige Erlöserkirchenzentrum in Weidenpesch (Harris und Kurrle Architekten) versucht einer Zukunft als Schwimmbad durch eine Mischbauweise zu entgehen, die neben privaten Wohnungen, einer Kita und einem Café sogar eine schöne Kirche enthält.   

Zur allgemeinen Nachahmung empfiehlt die Jury den Umbau einer Sozialbauwohnung an der Poller Rheinaue durch die Demo Working Group. Die Architekten haben sämtliche entbehrliche Wände entfernt, den Sichtbeton freigelegt und die dadurch entstehende Kargheit „hochwertig materialisiert“, so die Jury. Tatsächlich würde man einen solchen „Reichtum“ auf beengtem Raum (eine vierköpfige Familie teilt sich 82 Quadratmeter) nicht hinter dieser Hausfassade vermuten. Fraglich bleibt allerdings, ob sich die Nachbarn eine ähnlich aufwändige Sanierung leisten können oder wollen, sich die Wohnung also allenfalls für Luxussanierer zur Nachahmung empfiehlt.

Um einen tragfähigen Kompromiss zwischen günstigem und gutem Bauen geht es bei einem Genossenschaftsbau in Zollstock (Zeller Kölmel Architekten). Beim Blick auf die Südseite des Wohnparks könnte einen der Neid befallen: Die Fassade verströmt mit Loggia und Vorhängen (statt starren Sichtblenden) italienisches Flair, bei dem man sich allerdings fragt, wie regen- und windbeständig dieses auf Dauer ist. Auf der Nordseite bietet sich das Kontrastprogramm: Ein Anstrich in Schweinchenrosa und eine mit dem Locher in den Beton gestanzte Relieffassade sind vermutlich nicht jedermanns Geschmack. Aber immer noch besser als auf einer Baustelle zu wohnen.


Sämtliche Einreichungen zum Kölner Kulturpreis 2024 werden bis 14. April im Kölnischen Kunstverein gezeigt. Der Katalog kostet 20 Euro. 

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