Nach EinsturzDas Kölner Stadtarchiv am Eifelwall ist ein Ort, der leuchtet

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Der begrünte Innenhof des Stadtarchivs, dahinter die Fassade der Mantelbebauung.

Köln – Wer in den Tagen nach dem Einsturz des Stadtarchivs im März 2009 in den Krater an der Severinstraße geschaut hat, konnte gar nicht anders denken als: Da ist nichts mehr zu retten. Das Gedächtnis der Stadt sei verloren, schrieb auch diese Zeitung mehr als einmal. Doch der Befund war zum Glück falsch. Das Gedächtnis der Stadt ist wieder aktiv – zwar weiterhin angeschlagen, aber anders als einst prophezeit fast vollumfänglich erhalten, zu finden am neuen Standort des Archivs am Eifelwall, am Rand der Südstadt und des Grüngürtels.

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Unter dem Motto „Köln bewegen“ wollen wir die Zukunft der Kulturstadt Köln zur Diskussion stellen. Im Anschluss an das „Kölngold“-Projekt des Verlegers Michael Wienand geht es um architektonische Visionen für die Stadt, um die Vermarktung der reichen Museumsschätze, um lokale Initiativen und bürgerschaftliches Engagement.

Nach dem Desaster des Einsturzes, das für die Stadt ein tiefer Einschnitt auch ins eigene Selbstverständnis war und dessen politische und kulturelle Folgen bis heute nachwirken, ist allein die Tatsache, dass es ein neues Archiv gibt, dass es (fast) pünktlich fertig geworden ist und dazu noch (fast) im Kostenrahmen geblieben ist, ein echtes Wunder. Jedenfalls in einer Stadt, in der es zur Zeit kaum eine Kulturbaustelle ohne dramatische Kosten- und Zeitüberschreitungen gibt.

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Möglicherweise schwebte über den Beteiligten am Eifelwall – das Architekturbüro Waechter und Waechter, die städtische Gebäudewirtschaft als Bauherr und das Archivteam selbst – das unausgesprochene Motto, dass nach dem fatalen Einsturz nun zumindest beim Neubau nichts mehr schief gehen darf. Und das hat geklappt, sagt Ulrich Fischer, der stellvertretende Archivleiter.

Die Entstehung

3. März 2009 Das Stadtarchiv an der Severinstraße stürzt ein. Eine davorliegende Baugrube der Nord-Süd-U-Bahn kollabierte, das Erdreich unter dem Archivgebäude sackte ab.

September 2009 Der Rat beschließt die Planung eines Neubaus am Eifelwall.

2011 Der Entwurf des Darmstädter Büros Waechter und Waechter gewinnt den Architektenwettbewerb.

2015 Die Politik beschließt im Mai den Bau, bereits im August liegt die Baugenehmigung vor.

2016 Baubeginn

2017 Grundsteinlegung

Dezember 2020 Das Gebäude ist fertiggestellt.

3. September 2021 Das neue Archiv wird eröffnet. (og)

„Das Gebäude ist so geworden, wie wir uns das immer gewünscht haben.“ Dass es trotz hochkomplizierter Klimatisierungs-, Heizungs- und Brandschutztechnik gelungen ist, ohne größere Umplanungen auszukommen, liege auch an der Qualität des Entwurfs, sagt Fischer. Bereits die ersten Pläne, mit denen das Darmstädter Büro, das bis dahin noch nie ein derartiges Archiv gebaut hatte, 2011 den Wettbewerb für den Neubau gewonnen hatten, hätten die Anforderungen erfüllt.

Öffentliche Räume attraktiv gestaltet

Nun dient das Stadtarchiv, auch wenn es sich als Bürgerarchiv versteht, zu weiten Teilen der Lagerung der Archivalien und ist deswegen für Bürger weitestgehend kaum zugänglich. Um so mehr haben sich die Architekten bemüht, die öffentlichen Räume ansprechend zu gestalten. Das gilt für die Eingangshalle mit Blick auf den dezent bepflanzten Innenhof, unter dem sich der mit 400.000 Litern Wasser gefüllte Eisspeicher befindet, der für die Vorklimatisierung des eigentlichen Archivhauses sorgt. Doch diesen Bauteil bekommt der Nutzer des Archivs nur von außen zu sehen.

In den Lesesaal im ersten Obergeschoss, erreichbar über eine eindrucksvolle Treppe, darf er aber – dorthin bekommt er die vorbestellten Archivalien geliefert und kann sie nutzen. Es ist ein Arbeitsraum, dessen Gestaltung die Arbeit unterstützt und ihr dient. Boden, Tische und Schränke aus weißer Douglasie, auf den Tischen grünes Linoleum (das gleiche Material in der gleichen Farbe findet sich als Bodenbelag auf der Treppe und in den Büros der Mitarbeiter wieder), in den Regalen die Präsenzbibliothek des Archivs – Lern- und Arbeitsorte von dieser Qualität lassen sich etwa in der benachbarten Universität nur selten finden. Demnächst sollen hier auch rund 30.000 Abzüge von Bildern des Rheinischen Bildarchivs, mit dem sich das Stadtarchiv den Bau teilt, zu besichtigen sein.

Viele Dokumente durch Einsturz beschädigt 

Was die Nutzerin, der Nutzer bestellt, muss in ganz vielen Fällen erst mal restauriert werden. Zwar konnten unfassbare 95 Prozent des Archivgutes nach dem Einsturz tatsächlich geborgen werden. „Es ist tatsächlich fast alles wieder da“, sagt Ulrich Fischer. Doch ganz vieles ist angegriffen oder beschädigt ins neue Haus gekommen. Und so gehen die meisten Dokumente, die angefordert werden, zuerst einmal durch eine der zahlreichen Restaurierungswerkstätten, bevor es den Nutzern zur Verfügung gestellt wird.

Immerhin, der Einsturz hat das Stadtarchiv rasant ins digitale Zeitalter katapultiert. Jeder einzelne Bestand ist digital erfasst, der jeweilige Karton, das Regal und der Archivraum genau verzeichnet. Mit Karteikarten arbeitet hier keiner mehr, alles läuft volldigital. Zur Freude der Besucher gibt es immerhin ein historisches, aber noch benutzbares Lesegerät für Mikrofilme im Lesesaal.

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„Ich komme jeden Tag gerne hierher“, sagt Ulrich Fischer. Das geht nicht nur ihm so. Das Stadtarchiv hat eine neue Heimat gefunden. Und die Stadt einen Ort, der leuchtet. Er leuchtet so hell, dass mancher schon vergessen hat, wie es eigentlich zum Neubau am Eifelwall kam. „Es passiert immer wieder, dass uns Nutzer fragen, warum sie so lange auf ihre Bestellungen warten müssen“, sagt Museumsvize Fischer. „Wir müssen sie dann erst wieder dran erinnern, dass es den Einsturz gab – mit all seinen Folgen für die Archivalien.“

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