Kölner Ökorausch-AusstellungWie sähe eine Zukunft ohne Bäume aus?

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Klaus Littmanns „For Forest“ zeigt einen Mischwald, der auf dem Rasen eines modernen Fußballstadions steht.

Klaus Littmanns Mischwald-Installation „For Forest“ im Fußballstadion von Klagenfurt

Im Kölner Museum für Angewandte Kunst haben Bäume jetzt ihren großen Auftritt als Kulturgut, Rohstofflieferant und Klimaretter. Mit Ökoromantik hat das rein gar nichts zu tun.   

Seit diesem Mittwoch hängen die Bäume an der Minoritenkirche voller Preisschilder. Die städtischen Gewächse stehen allerdings nicht zum Verkauf, der ausgezeichnete „Preis“ von 200.000 Euro beziffert vielmehr den Wert, den jeder einzelne der Bäume als Sauerstoffproduzent, natürliches Kühlaggregat und Lebensraum unzähliger Organismen für das Kölner Ökosystem hat. Im Grunde ist der Baum also der Mercedes unter den Pflanzen, und jeder Baumfrevler stünde in einer gerechten Finanzwelt vor dem Ruin.

Wer das gerne nachrechnen möchte, wende sich bitte an den Kölner Verein Ökorausch. Deren Mitglieder haben das Kunstprojekt „Wertewandel“ erdacht und als Auftakt ihrer Sonderschau „Between the trees. Urbanes Grün – Kunst – Design“ vor das Museum für Angewandte Kunst gestellt. Im Inneren wird einem die Baumpreisbildung dann im Detail vorgeführt, und zwar anhand von 20 „Positionen“, die den Baum wahlweise als Rohstofflieferant, Kulturgut oder Klimaretter präsentieren. Der Ökorausch-Think-Tank ist also keinesfalls mit einem Stelldichein esoterischer Waldbader oder aktivistischer Baumhäusler zu verwechseln; das seit 15 Jahren bestehende Kollektiv leistet vielmehr nüchterne Überzeugungsarbeit gegen die fortschreitende Zerstörung unserer Welt.

Der „SuperTree“ aus Plastik produziert mehr Sauerstoff als jeder echte Baum 

Statt „Mein-Freund-der-Baum“-Romantik dominiert im MAKK der Appell an die Vernunft. Ganz ohne Schockmomente kommt freilich auch Ökorausch nicht aus: Das zentrale Stück der Ausstellung, der „SuperTree“ des ecoLogicStudios, besteht größtenteils aus Plastik und ist der bessere Photosynthetiker. In seinem sechs Kilometer langen, baumartig angeordneten Schlauchsystem produzieren Kolonien von Cyanobakterien mehr Sauerstoff, als es jeder natürliche Konkurrent vermöchte. Dunja Karabaic von Ökorausch nennt den „SuperTree“ eine bewusste Dystopie, der eine Welt ohne Bäume möglich erscheinen lässt.

Aber will man in solch einer entwaldeten Super-Welt tatsächlich leben? Die Frage hat Widerhaken, denn die meisten Menschen tun dies als Stadtbewohner praktisch schon. Auch in der Kölner Mitte ist der Baum mehr Teil der Stadtmöblierung als eines natürlichen Ökosystems, eine Einsicht, die wohl auch Robert Voit zu seiner bekannten Serie „New Trees“ inspirierte. An allen Ecken der Welt fotografierte er UMTS-Sendemasten, die sich für den schönen Naturschein in landestypischen Baumattrappen verstecken.

Jasper Morrisons Korkhocker wirken wie aus gigantischen Weinflaschen gezogen

Bei Klaus Littmann wurde der Baum wiederum zur aussterbenden Attraktion, zu der die naturentwöhnten Massen strömen. Für beinahe zwei Monate installierte der Beuys-Schüler im Jahr 2021 einen Mischwald auf dem Rasen eines modernen österreichischen Fußballstadions; in Köln ist „For Forest“ leider nicht in Müngersdorf, sondern nur als Video und Leuchtbildwand zu sehen.

Den Kern der Ausstellung macht jedoch der Baum als Werkstoff aus – das MAKK ist schließlich vor allem ein Museum für Design. Längst liefert der Wald nicht nur Holz für Möbel oder Häuser, auch seine „Abfallprodukte“ finden Verwendung, sei es in Jasper Morrisons Korkhockern, die teilweise aussehen, als hätte er sie aus gigantischen Weinflaschen gezogen, oder in Turnschuhen aus Lyocell, einem aus der Zellulose von Eukalyptusbäumen gewonnenen Material.

Meisterwerke an Nachhaltigkeit sind Anna Koppmanns „Frischholz“-Möbel, die allein durch Seilzüge und Spannung zusammengehalten und daher vor der Verarbeitung nicht unter hohem Energieverbrauch getrocknet werden müssen. Ein fertiger Stuhl darf sich bei Koppmanns weiter verformen, ohne dadurch Schaden zu nehmen. Vielleicht reifen bald nicht nur Bananen beim Verbraucher, sondern auch die Produkte der Einrichtungsindustrie.

„Between the trees. Urbanes Grün – Kunst – Design“, Museum für Angewandte Kunst, An der Rechtschule, Köln, Di.-So. 10-18 Uhr, 3. Februar bis 16. April 2023

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