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Mein Kulturmonat mit Mathias Antlfinger„Autoritarismus passt so gar nicht zur kölschen Lebensart“

6 min
Mathias Antlfinger vor Dompanorama

Mathias Antlfinger ist Rektor der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM). In unserer Serie 'Mein Kulturmonat' gibt er Tipps für den November.

Mathias Antlfinger, Rektor und Professor an der Kunsthochschule für Medien Köln spricht über den Kunststandort Köln und gibt Tipps für den November.

Das ist cool, hier musst du hin – das habe ich schon in den 1980ern gedacht, wenn ich meine Freunde in der Kölner Südstadt besucht habe. Die haben an der damaligen Werkkunstschule studiert, und in Köln war natürlich viel mehr los als in Limburg an der Lahn, wo ich aufgewachsen bin. Die Kölner Südstadt war so pulsierend, da musste man zu der Zeit einfach sein.

Trotzdem bin ich dann nach Stuttgart gezogen und habe zunächst Kunsterziehung studiert. Meine Eltern wollten mir die Sicherheit mitgeben, Lehrer zu werden. Letztendlich bin ich auch in die Lehrtätigkeit gegangen – aber anders als gedacht und es war anfangs gar nicht meine Absicht. Anfang der 1990er bin ich für ein Kunststudium an der Düsseldorfer Kunstakademie ins Rheinland gezogen. Ich habe Düsseldorf, Köln und Bonn eigentlich immer als einen großen, interessanten Raum begriffen, in dem ich mich permanent bewegt habe. Und so geht es vielen. Die Rivalität zwischen Köln und Düsseldorf wird, glaube ich, eher als Anekdote gepflegt.

Nach 35 Jahren ist die KHM in ihrer DNA noch dieselbe – obwohl sich so vieles verändert hat.
Mathias Antlfinger

Bevor ich 2008 als Professor an die Kunsthochschule für Medien (KHM) kam, war ich eine Zeit lang in Berlin. Es gibt viele, die pendelten und noch pendeln, aber das kam für mich nicht infrage und ich mag auch die Lebensart hier – es ist alles ein bisschen lockerer. Natürlich war Berlin lange ein riesiger Magnet für Künstler. Aber die Stadt kann auch ganz schön hart sein, die Winter sind kalt und grau und als Künstler ist es nicht so einfach, dort zu überleben.

In diesem Jahr feiert unsere KHM ihr 35-jähriges Bestehen. Damals hieß es: Wir arbeiten jetzt mit neuen Medien, wir beginnen ein ganz neues Zeitalter der Kunst! Das Internet war den meisten Leuten noch überhaupt nicht bekannt.  Es war noch die Fernseh-Ära, in der man abends gemeinsam dieselben Sendungen auf ein paar Sendern oder Filme in den Kinos guckte. Jetzt gibt es Streaming-Dienste, 3D-Formate und KI, doch die Inhalte gibt es weiterhin - das Geschichtenerzählen, die Narration, Filme und Dokumentationen. Das hat die KHM alles mitgemacht, künstlerisch aufgenommen und begleitet. Und nach 35 Jahren ist die KHM im Kern, in ihrer DNA noch dieselbe – obwohl sich so vieles verändert hat.

Ich wage zu bezweifeln, ob es in 20 Jahren in Köln noch die Galerienszene gibt, wie wir sie heute kennen.
Mathias Antlfinger

Gerade ist wieder so viel im Umbruch – die ganze Medienlandschaft wandelt sich, Künstliche Intelligenz wird viel verändern. Es ist daher noch nicht vorhersehbar, wie sich die Kunstszene dadurch verändern wird. Ich wage zu bezweifeln, ob es in 20 Jahren in Köln noch die Galerienszene gibt, wie wir sie heute kennen. Auch hier verlagert sich die Aufmerksamkeit ins Netz. Doch als Rektor dieser Kunsthochschule bin ich optimistisch, dass die Studierenden ihre eigenen, neuen Wege finden.

Unsere Kunsthochschule hat überregional einen exzellenten Ruf – im eigenen Land gilt der Prophet bekanntlich nicht so viel. Vielleicht empfindet der ein oder andere in Köln auch das Profil der Hochschule als zu elitär oder komplex. Wir bilden professionelle Literaten, Regisseure, Produzenten, Filmemacher und bildende Künstler in vielen verschiedenen künstlerischen Schwerpunkten aus. Das reicht von der Fotografie, über Mixed Media Art, Soundart bis hin zu KI-generierter Kunst. Daher sind die Anforderungen auch entsprechend hoch.

Köln internationaler geworden

Worum wir uns natürlich immer bemühen, ist, das nach außen sichtbar zu machen. Wie viele Kulturinstitutionen und Hochschulen müssen auch wir uns gerade die Frage stellen: Wer ist eigentlich unser Publikum? Für wen arbeiten wir? Das ist nicht ganz leicht, denn damit hängt natürlich die Sozialisation der eigenen Institutionen zusammen.

Ich finde es larmoyant zu sagen, früher war alles besser – vielleicht ist Köln heute als Fernsehstadt nicht mehr so wichtig, aber sicher immer noch als Medienstadt. Oder auch dieser nostalgische Blick auf die Kunstszene im Köln der 1980er. Es geht immer weiter und das birgt auch Chancen. Die Stadt ist zum Beispiel auf eine ganz andere Art internationaler geworden. Wenn ich jetzt hier unterwegs bin, höre ich die unterschiedlichsten Sprachen. Das hat man in Berlin viel früher erlebt und Köln hinkte ein bisschen hinterher. Mittlerweile sehe ich hier genauso viele Menschen aus verschiedenen Herkunftsländern. Auch an der KHM: Wir haben ca. 40 bis 45 Prozent internationale Studierende – aus dem Nahen Osten, aus Südamerika, aus Asien, Osteuropa.

Wie heißt es immer so schön: Deutschland ist ein Einwanderungsland, das macht sich an der KHM auf allen Ebenen bemerkbar. Es ist eine ungemeine Bereicherung, wenn Studierende mit ihrem Erfahrungshintergrund hierherkommen. Denn natürlich arbeiten die auch mit den Themen, die sie aus ihren Heimatländern mitbringen. Das ist total spannend für uns alle.

Das ist und bleibt für mich das Tolle an Köln: Dass es hier so eine grundsätzliche Weltoffenheit gibt.
Mathias Antlfinger

Das ist und bleibt für mich das Tolle an Köln: Dass es hier so eine grundsätzliche Weltoffenheit gibt - trotz aller Probleme mit dem Thema Migration. Also möchte ich auch gar nicht woanders leben!

Vor diesem Hintergrund empfinde ich es zum Beispiel als sehr bedauerlich, dass man die Akademie der Künste der Welt einfach so komplett abgewickelt hat. Es ist einfach wichtig, eine Kulturinstitution zu haben, die sich in einer positiven Art und Weise mit der Verflechtung mit den Themen in der Welt auseinandersetzt. Und Leute in der Stadt zu haben, die dafür eine Expertise mitbringen. In der Regel arbeiten in zahlreichen Kultureinrichtungen immer noch viele Menschen, die im Westen groß geworden sind und hier studiert haben. Das war lange unser Begriff von Internationalität. Ich finde, dass die Akademie der Künste der Welt mit ihrem Programm ein wichtiges Stück weitergegangen ist.

Neuer Blick auf die westliche geschriebene Kunstgeschichte

Wir müssen auf die Dinge anders blicken, als wir das vor 20 Jahren gemacht haben. Die Kunstgeschichte, die wir geschrieben haben, ist eine im Wesentlichen westliche. Das erlebe ich hier an der KHM auch. Dann kommt der Anspruch von Studierenden: Was ist mit Filmemachern aus Afrika? Was ist mit Literaten oder Kunst aus arabischen Ländern? Kennt ihr die überhaupt? Wer kann das hier überhaupt unterrichten? Wenn wir den Anspruch haben, eine internationale Schule zu sein, müssen wir hier besser werden. Das sind natürliche und notwendige Auseinandersetzungen im kulturellen Sektor, wo der Status Quo ständig infrage gestellt wird.

Wenn man die Entwicklung seit der Nachkriegszeit sieht - wie sich unsere Gesellschaft gewandelt hat und weiter wandeln wird - das ist enorm. Ich mache mir Sorgen, dass wir verhärten und in eine rückwärtsgewandte Richtung gehen, in der man alles festhalten möchte. Und Autoritarismus passt so gar nicht zur kölschen Lebensart.


Kulturtipps für den November

Natürlich gebe ich auch einen Tipp zu einem neuen Format der Kunsthochschule für Medien: Ab Mittwoch, 5. November, gibt es die Lunch Lectures im Interim der Zentralbibliothek auf der Hohen Straße. Literatur ab 13.15 Uhr zur Mittagszeit, mit Butterbrot. Rund eine Viertelstunde. Umsonst. Es beginnt Simone Scharbert, die Texte von Ilse Aichinger vorstellt.

Zweitens: Gehen Sie zum „Kjubh“, eine nicht kommerzielle Ausstellungsinitiative in der Dasselstraße. Neben den großen Institutionen finde ich es wichtig, dass es solche Initiativen gibt, die von Künstlern selbst getragen werden. Das hält die Szene lebendig.

Drittens: Fahren Sie nach Leverkusen. Besuchen Sie die beiden aktuellen Ausstellungen im Museum Morsbroich: „The good in the pot, the bad in the crop“ und „Julia Jesionek. Self as Spell“. Dieses Museum ist ein Kleinod, als großartiger, origineller Ort mit Gegenwartskunst in einem wunderschönen Park.