Mit Humor und Liebe zum Detail inszeniert die Choreografin Bridget Breiner den Ballettklassiker „Dornröschen“ in Düsseldorf neu. Unsere Kritik
Oper am Rhein in DüsseldorfBridget Breiners „Dornröschen“ ist eine betörende Ballett-Romcom

Die amerikanische Choreografin Bridget Breiner inszeniert den Ballettklassiker „Dornröschen“ im neuen Gewand.
Copyright: Altin Kaftira
Es ist alles ein bisschen anders in Düsseldorf, aber doch nicht so anders, dass es verstören würde. Ein neues „Dornröschen“ gibt es dort – und zwar aus dem Geiste der Brüder Grimm, statt der bekannteren Version von Charles Perrault. So setzt sich die Ballett-am-Rhein-Direktorin Bridget Breiner von der choreografischen Urversion und vom übermächtigen Idol in Sachen Handlungsballett ab, von Marius Petipa, der 1890 den Klassiker zur Komposition von Peter Iljitsch Tschaikowsky kreierte. Bei Breiner heißt es nun: Vorhang auf für ein unglückliches Königspaar.
Slapstick-Sex mit dem König
Die royalen Eheleute leiden an einem unerfüllten Kinderwunsch. Es folgt die wohl erste gynäkologische Untersuchung auf einer Ballettbühne – herrlich grotesk inszeniert, mit drei wild gestikulierenden Ärzten, die die Königin auf den Kopf drehen und sie quasi in ihrem umfangreichen Brokat-Rock verschwinden lassen. Wo die Wissenschaft versagt, naht dann Rettung in Gestalt eines Frosches, also konkret einer Tänzerin im metallic-grünen Ganzkörper-Anzug und mit Schwimmflossen. Die klatscht sie der Königin dreist auf Scham und Gesäß. Und danach klappt's dann auch beim Slapstick-Sex mit dem König: ein Kind wird geboren.
Nichts küsst verträumte Märchen wohl besser wach als Komik, und die gibt es reichlich in der Inszenierung von Bridget Breiner und ihrem fantasievollen Ausstatter Franz Jürgen Kirner. Da packen sie etwa einen Hofschranzen-Tänzer in einen dick wattierten Fatsuit, nur um ihn dann höher als alle anderen in die Luft springen zu lassen, was angesichts des kugelrunden Bauchs wirklich skurril aussieht. Die Feen sind bei Breiner so wild und durchgeknallt wie das Lehrpersonal in Harry Potters Hogwarts. Auch Tschaikowskys musikalischer Zuckerguss wird anarchisch zerbröselt und von den Düsseldorfer Symphonikern unter Leitung von Yura Yang in völlig anderer Reihenfolge gespielt.
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Der Zauber steckt im Detail
Den Eskapismus des Genres muss man schon mögen, denn der Zauber steckt im Detail an diesem Abend. Etwa in der charmanten Idee, die Fingerspitzen in den choreografischen Fokus zu nehmen. So springt der Funke zwischen den Liebenden nicht durch einen Kuss, sondern durch eine flüchtige Berührung der Finger über. Und richtig spannend wird es, wenn das Dornröschen mit flatterhaften Händen die gefährliche Spindel umtanzt – von der bösen Fee vorher noch mit einem Messer spitz gemacht –, bis eben ein Piecks für 100 Jahre Ruhe sorgt. Einschläfernd ist dieses Dornröschen also nicht. Das verhindert übrigens auch Solist Lucas Erni mit seinen entfesselten Auftritten als Dornröschen-Freund, tänzerisch wie charismatisch ein Traumprinz. Bridget Breiner zeigt wieder einmal ihr großes Talent, eine Geschichte luzide zu erzählen – und diesmal auch wirklich witzig. Dornröschen als betörende Ballett-Romcom. So funktioniert alte Magie aus neuem Zeitgeist.
Nächste Vorstellungen am 20. und 29.11. sowie im Dezember in der Oper Düsseldorf
