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Kölner Künstler über SpotifyPeter Brings: „80 Millionen Streams, dann könnte ich jeden Tag im Ritz übernachten“

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Sänger Peter Brings von der Band Brings steht beim Auftakt der Karnevalssession auf dem Heumarkt auf der Bühne. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Auf die Spotify-Einnahmen können Peter Brings und seine Bandkollegen nicht verzichten, davon alleine leben aber bei weitem nicht.

Welche Bedeutung hat Musikstreaming für Kölner Künstler? Wir haben bei Peter Brings, Lugatti & 9ine, Gabriel Ananda und Pogendroblem nachgefragt.

Das Abspielen von Songs über Spotify ist längst zum Synonym für das Musikhören geworden. Können Kölner Künstler von ihren Streaming-Einnahmen leben, verdienen sie sich wenigstens ein nettes Zubrot oder spielt Streaming für sie keine nennenswerte Rolle?

Wir haben uns mit Peter Brings, dem Rap-Duo Lugatti & 9ine, Gabriel Ananda, der sich seit 20 Jahren als DJ und Produzent in Kölns elektronischer Musikszene bewegt, und der Punkband Pogendroblem über die Bedeutung von Spotify für ihre Musik und den Umgang mit dem Quasi-Monopolisten unterhalten.


Im März 2025 nutzten weltweit 268 Millionen Menschen einen Premium-Account des Streaming-Unternehmens, 678 Millionen Nutzerinnen und Nutzer verzeichnet Spotify im selben Zeitraum insgesamt. Durch die Musikpresse und das Feuilleton geistert seit Jahren vor allem aber eine Zahl: 0,0033. 0,0033 Cent, das sind die Tantiemen die Spotify in Deutschland an die Rechteinhaber eines Songs pro Stream ausschüttet.

Für 1000 Streams gibt es demnach 3,39 Euro, um 1000 Euro zu verdienen, muss ein Song etwa 200.000 Mal gestreamt werden, ist die Millionengrenze erreicht, fallen 3400 Euro ab. Das Gros der Künstler kann von den Streaming-Einnahmen also nicht leben.

Brings spielen Konzerte gegen fehlende Einnahmen

Peter Brings spielt seit bald 35 Jahren in der Band, die nach ihm und seinem Bruder Stephan benannt ist. Mit den Kölsch-Rockern feiert er große Erfolge, „Superjeilezick“ ist nur einer der Band-Klassiker zum Kölner Karneval, die Single „Kölsche Jung“ mit FC-Ikone Lukas Podolski verkaufte sich rund 300.000 Mal. In ihrer Heimatstadt Köln füllt die Mundart-Gruppe, die seit Mitte der 90er Jahre auch auf Hochdeutsch singt, sogar das Stadion.

Eine Band wie Brings, sollte man meinen, könnte vom Streaming leben. Zumindest ein nettes Sümmchen, auf das sich nicht verzichten lässt, müsste doch am Monatsende in die Bandkasse fließen. „80 Millionen Streams, dann könnte ich jeden Tag im Ritz übernachten“, sagt Peter Brings, Gitarrist und Sänger der Gruppe. Früher habe man gute Einnahmen durch die Musikverwertungsgesellschaft GEMA erzielen können; das habe sich mittlerweile geändert.

Gestreamt werden Brings von monatlich 800.000 Hörern, eine Zahl, die höher klingt, als sie sich monetär umrechnen lässt. Da auch der CD-Verkauf seit Jahren zurückgeht, verdient die Band kaum etwas an Tonträgern. Geld nehmen Brings, wie die meisten Künstler, vor allem durch Live-Konzerte ein, erzählt der Musiker.

„Wir stehen bis zu 270 Mal im Jahr auf der Bühne“, erzählt Peter Brings. Mit seiner Band spielt er überall, anders geht es auch gar nicht. In legendären Livemusikstätten wie der Batschkapp in Frankfurt, dem Münchner Backstage oder der Großen Freiheit 36 auf St. Pauli können Menschen ein Brings-Konzert erleben, in kleinen Kulturstätten in Korschenbroich, Simmerath oder Kleinostheim, deren Lage eher Wenigen bekannt sein dürfte, ebenso.

In ihrer Heimatstadt Köln ist vom Stadion-Konzert bis zu Gigs im äußersten Stadtteil alles dabei. Abhängig ist die Band von den Streaming-Einnahmen nicht, dafür ist sie zu etabliert. Verzichten kann das Quintett auf die Gelder aber auch nicht.

343,36 Euro für die deutsche Antwort auf Björk

Bei anderen Künstlern und Künstlerinnen sieht es anders aus, etwa bei der Popsängerin Balbina. Die 42-Jährige macht seit 20 Jahren Musik, vor wenigen Wochen hat Balbina, die seit Jahren für Sichtbarkeit des Themas Spotify-Vergütung kämpft, ihre letzte Ausschüttung publik gemacht: exakt 343,36 Euro zahlte Spotify der Sängerin, die der Spiegel als die deutsche Antwort auf Sia und Björk bezeichnete, die Vogue mit Kate Bush und Lady Gaga verglich und der Berliner Tagesspiegel gar auf seine Liste der 100 wichtigsten Kreativen der Stadt setzte.

Balbina hat monatlich etwa 24.000 Hörer, das sind deutlich weniger als Brings, aber immerhin etwa noch die Anzahl der Einwohnerzahl einer deutschen Kleinstadt. Das bedeutet: nichts.

Das Bild zeigt die Berliner Popmusikerin Balbina. Foto: Konzertbüro Schoneberg

Laut Spiegel, die deutsche Antwort auf Björk: Popmusikerin Balbina.

Es komme immer darauf an, was man als Künstler erreichen wolle, gibt Georg Gläser zu Bedenken. Gläser ist Sänger der Kölner Punkband Pogendroblem, die etwa gleich viele monatliche Hörer wie Balbina auf Spotify hat. Unter den derzeitigen Umständen wolle man gar nicht vom Streaming leben, erzählt Gläser. Die Gegebenheiten der Punkszene kommen den Musikern da entgegen.

„Im Punk sind Vinyl und Tape noch wichtig, auch das Album-Format an sich. Es gibt gerade dort noch viele kleine Labels, Vertriebe und Mailorder, die von Bedeutung sind. Ansonsten spielt Bandcamp eine große Rolle“, erläutert Gläser die Besonderheiten. Bei der Plattform Bandcamp bezahlen die Hörer pro Song oder Album direkt Geld an die Künstler.

Im Punk sind Vinyl und Tape noch wichtig, auch das Album-Format an sich
Georg Gläser, Pogendroblem

Für die Finanzierung ihrer Musik seien auch Fördergelder in der Vergangenheit wichtig gewesen. „Wir hatten das Glück, dreimal Gelder von der ‚Initiative Musik‘ bekommen zu haben und durch den Gewinn eines Musikpreises der Stadt Köln“, sagt Gläser, gemeint ist der Holger-Czukay-Preis. Bei Streaming komme „immer ein bisschen zusammen, was zur Refinanzierung von Albumveröffentlichungen dient, aber als Einnahmequelle ist Streaming für uns viel weniger relevant, als Live-Shows, Merch und selbst physische Tonträger.“

Trotzdem müsse man auf Spotify stattfinden. „Spotify ist für die Sichtbarkeit wichtig, weil gefühlt alle da sind. Die Zahlen der monatlichen Hörer sind für die Außendarstellung von Bedeutung – genauso wie Instagram oder TikTok.“ Es gebe ein paar Bands in der Szene, die bewusst darauf verzichten, „aber die Entwicklung ist in den letzten Jahren dahin gegangen, dass auch ganz kleine Bands ihre Songs auf Spotify hochladen.“

Seit des Starts der Streaming-Plattform zähle „nicht mehr die Rezension in der Zeitung, was im Plattenladen vorne steht oder das Sven Väth das Stück gespielt hat, sondern es geht darum, was der Hörer gerne hört und je häufiger ein Stück gehört wird, desto höher steigt es in dem Algorithmus und wird dadurch letztlich öfter vorgeschlagen“, sagt Gabriel Ananda. Der Filter zwischen dem Song und den Hörern fällt weg. „Das fand ich super spannend.“

Der Filter zwischen dem Song und den Hörern fällt weg

Den ungefilterten Geschmack des Hörers kennenzulernen, ist für die Kölner Techno-Größe einer der positiven Effekte des Streamings. Ananda, seit mehr als 20 Jahren als Produzent und DJ aktiv, stellte fest, dass „auf einmal die ganzen Platten, die ich irgendwann mal gemacht hatte und die ausverkauft oder von den Läden retourniert wurden, auf Spotify wieder zu haben waren.“ Für Ananda ist Streaming auch eine Chance. Mehr als 300 Singles, Remixe, Compilation-Beiträge und andere Veröffentlichungen listet die Seite Discogs für den Musiker, die Mehrheit davon sind auf den Kölner Labeln Traum / Trapez, Treibstoff Recordings und über seine eigenen, etwa Soulful Techno, erschienen.

Darunter finden sich Zusammenarbeiten mit dem Kölner Produzent und DJ Hans Nieswandt, Dominik Eulberg, 2Raumwohnung, Stephan Bodzin oder Lexy & K-Paul. Von seinem über Jahre aufgebauten Namen profitiert Gabriel Ananda, denn die Fans füttern durch das eigenständige Suchen nach seiner Musik und das Hinzufügen jener zu Playlisten den Algorithmus an. Stücke, die Ananda unter neuen oder weniger bekannten Projektnamen herausbringt, haben es dagegen genauso schwer wie Newcomer „deren Musik keiner entdeckt“, sagt er. „Der Algorithmus ist nicht böse, es gibt nur einfach zu viel Musik. Es ist wirklich bitter, dass in einem völlig gesättigten Markt so viel großartige Musik einfach untergeht und nicht gefunden wird.“

Ananda kommt auf etwa 170.000 Hörerinnen und Hörer im Monat, mit den Einnahmen ist er zufrieden, 700 bis 800 Euro kämen so monatlich für ihn zusammen. Für DJ-Gigs habe er teilweise bis 5.000 Euro bekommen, erzählt der 47-jährige DJ und Produzent, der unter dem Namen Soulful Techno auch einen Podcast betreibt. „Die 0,0003 Cent klingen erst einmal nach wenig, aber wenn man sich überlegt, wie viel Geld bei einem selbst hängen bleibt, wenn man Platten macht, kommt man bei Spotify unterm Strich besser weg.“

Man hat schon das Gefühl, dass man da meistens nicht so gut wegkommt
9ine Bro (Lugatti & 9ine)

Auch für das Kölner Rap-Duo Lugatti & 9ine ist Spotify eine wichtige Einnahmequelle, auch hier „nicht die wichtigste“. Die Höhe der Streaming-Zahlen oder der monatlichen Hörer sagt nichts darüber aus, ob man davon leben könne. Der Megalodon-Remix eines Songs des Rappers Bonez MC (47 Rapper, 18 Minuten Länge), habe zwar manch einem beteiligten Künstler, der vorher vielleicht 20.000 monatliche Hörerinnen und Hörer hatte, kurzzeitig eine Million Hörer gebracht, der Erfolg sei jedoch nur temporär und müsse richtig eingeordnet werden, gibt 9ine Bro, der auch als Solo-Künstler aktiv ist, anhand dieses Beispiels zu bedenken.

Das Bild zeigt die Rapper Lugatti & 9ine im Backstage eines Clubs. Foto: Jan Sour

Das Rapper-Duo Lugatti & 9ine im Tour-Backstage.

Die Miete alleine davon zahlen, führt der Rapper weiter aus, könne niemand. Von Spotify fühlen sich die Kölner nicht ausreichend gewürdigt. „Man hat schon das Gefühl, dass man da meistens nicht so gut wegkommt.“ Sich von dem schwedischen Unternehmen unabhängig zu machen, sei nicht möglich – weil einfach jeder da sei. Zumal andere Angebote wie Soundcloud nicht monetarisierbar seien.

„11 Euro im Monat? Das ist schon crazy“

„Wir haben noch das Glück, dass wir, obwohl wir keinen klassischen Boom Bap machen, noch sehr viele Fans haben, die sich für Vinyl begeistern“, erzählt Lugatti. Vergleichbar mit Streaming sei das jedoch nicht, denn beim Streaming verdiene man konstant, während die Platte, sobald eine Auflage weg sei, erstmal nicht nachgepresst werde. Und jene Auflagen lägen eh nur im hunderter Bereich, so die Musiker. 

Das Problem beginne schon vorher, nämlich bei dem Preis, den Nutzer für einen Spotify-Account zahlen, und den Lizenzgebühren der Major-Labels, findet der Rapper Lugatti. Major-Labels, das sind die drei größten Plattenfirmen Universal, Sony und Warner. An deren Musikkatalog besitzt der Streaming-Anbieter keine Rechte, sondern bezahlt die Labels dafür, die Songs anbieten zu können. Neun Milliarden Euro ließ sich Spotify die Verwertungsrechte 2023 kosten. „Ich denke, die Nutzer müssten mehr bezahlen. Wie viel kostet Spotify, elf Euro im Monat? Das ist schon crazy – dafür bekommt man dann den ganzen Musikkatalog der Welt, was nicht fair ist“, findet Lugatti. Die lassen sich die Majors großzügig bezahlen, „geben den Künstlern dann aber Scheiß-Verträge“ und damit wenig vom Kuchen ab.

Mit Spotify, wissen auch Lugatti & 9ine, müsse man sich arrangieren. Auch müsen Küstlerinnen und Künstler regelmässig auf Social Media aktiv sein, ob sie wollen oder nicht.

„Wir würden am liebsten in einer Gesellschaft leben, in der Musik und auch alles Weitere nicht warenförmig ist“, sagt Georg Gläser. „Auch mittelbar wäre eine Zurückdrängung dieser Tendenz im Musikbereich sinnvoll.“