Köln – Herr Kunze, fühlen Sie sich eigentlich missverstanden? Nach 34 Alben erscheint, wenn man Sie googelt, immer noch „Dein ist mein ganzes Herz“ als erster Vorschlag.
HEINZ RUDOLF KUNZE: Es wäre unglaublich arrogant, wenn ich mich darüber nicht freuen würde. Dieses Lied hat meine Hörerschaft enorm vermehrt und ist inzwischen Allgemeingut.
Sie selbst bezeichnen sich aber lieber als politischen Songwriter.
KUNZE: Das ist richtig, aber schauen Sie sich das Schicksal aller meiner Kollegen an: Die erfolgreichsten Nummern sind immer die harmlosesten.
Gleichzeitig wird Ihnen der Vorwurf gemacht, früher seien Sie kritischer gewesen, heute sei Ihre Musik dagegen viel weicher …
KUNZE: Das stimmt doch gar nicht! Selbst auf dem Album „Dein ist mein ganzes Herz“ waren Lieder wie „Vertriebener“, das es immerhin in Geschichtsbücher geschafft hat, und „Madagaskar“, ein Lied über die Judenvernichtung. Ich habe meine Palette erweitert, aber Titel mit Inhalt gibt es nach wie vor. Das kann nur Leuten entgangen sein, die nur die Radiosingles kennen. Wobei: „Aller Herren Länder“ war ein großer Radioerfolg Anfang der Nullerjahre, und das ist ein Lied über Fremdenfeindlichkeit.
Privat
Heinz Rudolf Kunze, geboren 1956 im Flüchtlingslager für Vertriebene im ostwestfälischen Espelkamp, lebt in der Nähe von Hannover.
Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Karriere
Kunze studierte Germanistik und Philosophie und machte das erste und zweite Staatsexamen für das Lehramt. Ab 1980 war er als Musiker erfolgreich. Sein kommerzieller Durchbruch kam 1985 mit „Dein ist mein ganzes Herz“. Kunze schreibt zudem Bücher und tritt als Fernsehschauspieler auf.
Aktuell
Kürzlich erschien das Album „Stein vom Herzen“ (RCA Deutschland/Sony Music)
Kann man zu kritisch sein als Musiker, weil das die Masse verschreckt, die sich gern berieseln lässt?
KUNZE: Das wäre, finde ich, ein sehr feiges Kalkül. Aber es ist tatsächlich merkwürdig: Viele Kollegen hierzulande gebärden sich sehr politisch in Interviews und Talkshows, aber wenn man ihre Platten hört, findet man das nicht wieder. Das verwundert mich schon sehr, weil das doch in die direkte Arbeit gehört und nicht nur in irgendwelche Bekenntnisse.
Das größte Missverständnis in Bezug auf Politik, aus Ihrer Sicht?
KUNZE: Wahrscheinlich das, was Karl Marx so schön formuliert hat: Politik kann nicht alle menschlichen Probleme lösen. Man kann von Politik niemals das absolute Glück auf Erden erwarten. Das führt immer in Diktaturen.
Aber erwartet das denn jemand?
KUNZE: Heutzutage ist das Problem wohl eher, dass die Leute von Politik gar nichts mehr erwarten.
Und das größte Missverständnis über Politiker?
KUNZE: Nach dem, was ich gelernt habe durch Bekanntschaften aus allen Parteien, die im Bundestag sitzen: Dass das alles Schurken sind. Das stimmt nicht. Es gibt sehr viele Politiker, die hart arbeiten, einen 14- bis 16-Stunden-Tag haben, mit denen möchte ich nicht tauschen. Es gibt da auch anständige Menschen. Das muss man mal festhalten.
Sie sind auch mit Christian Wulff befreundet. Ist er ein Opfer dieses Missverständnisses?
KUNZE: Wenn man sich vor Augen führt, dass 17 Vorwürfe gegen ihn fallen gelassen werden mussten und es nun um eine Bagatelle von 700 Euro geht, kann die Stimmung gegen ihn ja nur daran liegen, dass die Leute so schadenfroh sind. Und dass man durch das Bedienen niedriger Instinkte leider hohe Auflagen bekommt. Ich bin absolut sicher, dass sich auch der letzte Vorwurf, an den sich die Staatsanwaltschaft Hannover jetzt klammert, in Luft auflösen wird. Er wird einen Freispruch erster Klasse bekommen. Damit wird seine Ehre ein Stück weit wieder hergestellt sein. Was aber inzwischen alles kaputt ist in seinem Leben, das ist nicht reparabel.