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Spanische LiteraturDas Beste aus dem Gastland der Frankfurter Buchmesse

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Fallschirmspringer mit spanischer Fahne (Symbolbild)

Köln – Wem auf dem Buchmarkt derzeit vieles spanisch vorkommt, liegt richtig. Spanien ist in diesem Jahr Gastland der Frankfurter Buchmesse, die am Dienstag eröffnet wird. „Sprühende Kreativität“ lautet das Motto des Auftritts, das nun nicht gerade vor Kreativität sprüht, aber doch den Eindruck bestätigt, den die Vielzahl der einschlägigen, teilweise durch ein Übersetzungsprogramm geförderten Neuerscheinungen vermitteln. Einige Highlights gibt es hier im Schnelldurchlauf.

Irene Vallejos Sachbuch „Papyrus“ ist ein Festakt für unsere Gegenwart

Irene Vallejo wird auf der Eröffnungsfeier der Buchmesse sprechen. Das ist eine Wahl, die man nach der Lektüre ihres schön durchs Thema schweifenden Sachbuchs „Papyrus“ nur zu gut versteht. Denn die Literaturwissenschaftlerin aus Zaragoza preist die Erfindung des Buches als Triumph über das Vergessen - nachdem die Texte zuvor in vergänglichen Medien wie Rauch, Lehm, Blättern, Schilf, Seide oder Lumpen fixiert worden waren. Vallejos Geschichte des Buches führt tief hinein in Vergangenheit und ist doch ein Festakt für unsere Gegenwart.

Ein Kracher ist die vierbändige Ausgabe „Spanische und hispanoamerikanische Lyrik“, die Martin von Koppenfels bei C. H. Beck herausgibt. Eine derart umfassende Präsentation der spanischen und dann eben auch hispanoamerikanischen Lyrik hat es bei uns noch nicht gegeben. Sie reicht von den „erotischen Lockrufen“ im Andalusien des 11. Jahrhunderts bis zu den gegenwärtigen Versen von Jaime Luis Huenún, dem Sohn eines Mapuche und einer Chilenin. Die zweisprachige Ausgabe versammelt nicht nur über 800 Gedichte, sondern liefert zudem eine konzentrierte Erläuterung der Lyrik über 1000 Jahre hinweg. All das mit Anspruch auf Wissenschaftlichkeit und Verständlichkeit. Ein Füllhorn.

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Einer der Großen der neuen spanischen Literatur ist Rafael Chirbes (1949-2015). Nun liegen seine sorgsam bearbeiteten Tagebücher erstmals auf Deutsch vor: „Von Zeit zu Zeit“ deckt die Jahre 1984 bis 2005 ab. Da wird ein erfrischend scharfer Blick aufs Ego und auf die Welt geworfen. Während es zu Anfang der Aufzeichnungen vor allem um Sex und Liebe unter Homosexuellen geht, schonungslos und direkt, richtet sich der Fokus bald schon mehr und mehr und schließlich vollends auf die Literatur. Auf die eigene und auf die der anderen. Wer sich von der Kraft der Chirbes-Prosa überzeugen will, kann auf ein umfängliches Werkverzeichnis zurückgreifen. Da ist nicht zuletzt „Die schöne Schrift“, das Werk, das 2007 das „Buch für die Stadt“ in Köln und der Region gewesen ist. Zu empfehlen sind überdies die Romane seiner Spanien-Trilogie, die der Kunstmann Verlag im Schuber anbietet. „Der lange Marsch“ schildert das Franco-Spanien der 1960er Jahre, „Der Fall von Madrid“ den Tag im Jahre 1975, an dem der Diktator starb, und „Alte Freunde“ erkundet das demokratische Spanien der 1990er Jahre. Ein großes Panorama voller Angst und Hoffnung, Aufbruch und Enttäuschung.

Die vorgestellten Bücher

Rafael Chirbes: „Von Zeit zu Zeit – Tagebücher 1984 – 2005“, dt. von Dagmar Ploetz und Carsten Regling, Kunstmann, 472 S., 34 Euro. E-Book: 27,99 Euro. Rafael Chirbes: „Spanien Trilogie – Der lange Marsch, Der Fall von Madrid, Alte Freunde“, dt. von Dagmar Ploetz, Kunstmann, 816 S., 39 Euro. E-Book: 31,99 Euro. Aroa Moreno Durán: „Die Tochter des Kommunisten“, dt. von Marianne Gareis, 176 S., 22 Euro. E-Book: 16,99 Euro. Almudena Grandes: „Die drei Hochzeiten von Manolita“, dt. von Roberto de Hollanda, Hanser, 672 S., 30 Euro. E-Book: 23,99 Euro. Martin von Koppenfels (Hrsg.): „Spanische und hispanoamerikanische Lyrik“, C. H. Beck, vier Bände im Schuber, 2642 S., 158 Euro. Manuel Chaves Nogales: „Deutschland im Zeichen des Hakenkreuzes“, dt. von Frank Henseleit, Kupido Verlag, 160 S., 24,80 Euro. E-Book: 10,99 Euro. „Spanische Bibliothek“, Suhrkamp, zehn Bände, jeweils zwischen 14 und 20 Euro.

Der Spanische Bürgerkrieg (1936-1939) und die anschließende Franco-Diktatur bis 1975 prägen viele Romane. Die große Almudena Grandes (1960-1921) hat sogar eine Reihe mit „Episoden aus einem unendlichen Krieg“ aufgelegt. Nun erscheint bei Hanser als dritter Band – nach „Der Feind meines Vaters“ und „Inés und die Freude“ - der Roman „Die drei Hochzeiten von Manolita“. Es ist ein üppiges, alle Erzählwinkel ausmalendes und „auf wahren Begebenheiten“ basierendes Werk um eine Republikanerin zu Zeiten der Gewalt. „Der Krieg“, heißt es darin einmal, „hatte das Beste, aber auch das Schlechteste in uns allen hervorgebracht.“ Auf der einen Seite Menschen wie Manolita, die sich wagemutig für Verfolgte einsetzen, und auf der anderen Seite Verräter im Freundeskreis und Peinigerinnen im Internat. All das ist so lehrreich wie lesenswert. Zwei weitere Romane mit „Episoden aus einem unendlichen Krieg“ stehen bei uns noch aus.

„Die Tochter des Kommunisten“ ist der überraschende Debütroman von Aroa Moreno Durán. Überraschend deshalb, weil die Geschichte der Spanier, die aus dem Franco-Spanien in die DDR geflüchtet sind, kein vertrauter Romanstoff ist. Nicht bei uns und nicht in Spanien. Ich-Erzählerin Katia schildert den Ostberliner Alltag mit den Eltern und Schwester Martina, den Kontakt zur kleinen spanischen Gemeinde – und ihre geheime Liebesflucht in den Westen. Der Clou: Beim Wiedersehen nach dem Mauerfall wird ein erschütterndes Familiengeheimnis gelüftet. Ein bewegender Roman über Heimat und Exil, Verlust und Verrat.

Manuel Chaves Nogales reiste 1933 durch Nazi-Deutschland

Noch ein Blick von Spanien aus auf Deutschland. Der Kölner Kupido Verlag von Frank Henseleit präsentiert den zweiten Band der Werkausgabe von Manuel Chaves Nogales (1897-1944). „Deutschland im Zeichen des Hakenkreuzes“ versammelt die Reportagen einer Reise durchs Nazireich im April und Mai 1933. Der Journalist der Madrider Zeitung „Ahora“ bietet vitale Eindrücke von einem Land, das jubelnd dem Abgrund entgegenrast. Schon zu diesem frühen Zeitpunkt erkennt Nogales: „Deutschland will den Krieg; es wird ihn beginnen, sobald es dazu in der Lage ist. Es wird bald dazu in der Lage sein.“ Auch die auf „Ausrottung“ zielende Verfolgung der jüdischen Bevölkerung hat er sofort im Blick. Beobachtungen aus den ersten Wochen der Nazi-Diktatur – sozusagen um fünf Minuten nach Zwölf.

Wer nun noch immer auf der Suche sein sollte: Der Suhrkamp Verlag geht mit einer „Spanischen Bibliothek“ ins Rennen um die Gunst des Lesepublikums. Es sind zehn Titel, die jeweils ein Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts repräsentieren sollen. Mit dabei sind Autorinnen und Autoren der Jahrgänge 1866 bis 1955: Ramón María del Valle-Inclán („Frühlingssonate“), Federico García Lorca („Zigeunerromanzen“), Luis Cernuda („Wirklichkeit und Verlangen“), María Zambrano („Waldlichtungen“), Carmen Laforet („Nada“), Jorge Semprun („Federico Sánchez verabschiedet sich“), Juan Benet („Rostige Lanzen“), Esther Tusquets („Abschied von Don Juan“), Adelaida García Morales („Der Süden“) und Julio Llamazares („Der gelbe Regen“). Sämtliche Titel sind schon einmal auf Deutsch erschienen, aber seit langem nicht mehr lieferbar. Ein toller Früchtekorb.

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