Über 1000 UnterzeichnerAnnie Ernaux unterstützt Kulturboykott „Strike Germany“

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Die französische Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux unterstützt einen Boykott-Aufruf.

Die französische Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux unterstützt einen Boykott-Aufruf.

Der Streik von Kulturschaffenden gegen die deutsche Haltung im Nahost-Konflikt wird vielfach kritisiert.

Die französische Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux unterstützt einen Boykott-Aufruf von staatlichen Kulturveranstaltungen in Deutschland. Der Suhrkamp Verlag bestätigte das der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und teilte mit, dass sich die 83-Jährige nicht weiter dazu äußern wolle. Zuvor hatten mehrere Medien berichtet.

Der Aufruf namens „Strike Germany“ richtet sich an internationale Kulturschaffende. Es wird unter anderem der Boykott von Veranstaltungen deutscher Kultureinrichtungen gefordert.

„Strike Germany“ fordert präzisere Antisemitismus-Definition

„Strike Germany“ kritisiert die deutsche Haltung im Nahost-Konflikt. Speziell die Unterstützung Israels und die fehlende Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung. Die Boykott-Bewegung wirft Deutschland vor, die Meinungs- und Kunstfreiheit zu unterdrücken. Speziell, wenn staatlich subventionierte Kultureinrichtungen sich Informationen über etwaige öffentliche Äußerungen von Kunstschaffenden gegen Israel einholen.

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Der Aufruf, den Ernaux und über 1000 weiteren internationalen Künstlerinnen und Künstlern unterzeichnen haben, stellt neben dem Boykott zum Schutz der Kunstfreiheit auch weitere Forderungen. So solle Deutschland sich etwa nicht mehr an der Definition der IHRA-Definition (International Holocaust Remembrance Alliance) orientieren. Laut dieser wird Antisemitismus als „bestimmte Wahrnehmung von Juden, der sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann“ definiert. Deutschland ergänzt sie durch den „Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird“ als Ziel solcher Angriffe. „Strike Germany“ will, dass sich die Kulturstätten an einer präziseren Definition orientieren, da die IHRA-Definition die Grenzen zwischen antisemitischer Rede und Kritik an Israel verwischen.

Auch die Resolution gegen die internationale BDS-Bewegung („Boykott, Desinvestition und Sanktionen“) von 2019 solle zurückgenommen werden. BDS beabsichtigt Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch zu isolieren. Der Staat soll so unter Druck gesetzt werden, bis er die „Apartheid“ in Palästina, wie es BDS definiert, beendet. Israel wird also das Existenzrecht abgesprochen. Der Bundestag sowie die österreichischen und tschechischen Parlamente stufen den BDS als eindeutig antisemitisch ein. Die BDS-Resolution sei für „Strike Germany“ rassistisch und muslimfeindlich.

Annie Ernaux wird Nähe zur BDS-Bewegung vorgeworfen

Annie Ernaux wird eine Nähe zur BDS-Bewegung vorgeworfen. Sie hatte 2018 zusammen mit anderen Kultur- und Kunstschaffenden zum Boykott der Kultursaison „Frankreich–Israel“ aufgerufen und 2019 zum Boykott des Eurovision Song Contests in Tel Aviv.

Das Staatsministerium für Kultur und Medien reagierte nach einem Bericht der „Rheinischen Post“ zurückhaltend auf „Strike Germany“. „Zu Boykottaufrufen in der Kultur hat die Kulturstaatsministerin [Claudia Roth] mehrfach betont, dass sie davon nichts hält. Sie schätzt die Situation in der deutschen Kultur auch völlig anders ein“, zitierte die Zeitung das Ministerium. Für Roth gebe es keinen Anlass, „diesen Aufruf weiter zu kommentieren“.

Von wem „Strike Germany“ ins Leben gerufen wurde, ist bislang nicht bekannt. In vielen Medien wurde wegen des harschen Tons und der überzogenen Vorwürfe die Ernsthaftigkeit von „Strike Germany“ angezweifelt oder gar für krude Satire gehalten. Dies wird mit Bezug auf die vielen Unterzeichner jedoch von dem Boykott-Aufruf zurückgewiesen. Den Terror der Hamas oder die Geiselnahmen thematisiert er übrigens nicht. (mit dpa)

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