„Undoing”-Regisseurin Susanne Bier„Ich kann gnadenlos sein”

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Nicole Kidman (l.) und Hugh Grant spielen die Hauptrollen in Susanne Biers Serie "The Undoing".

  • Die Dänin Susanne Bier gehört zu den erfolgreichsten Regisseurinnen der Welt.
  • Die Oscar-Gewinnerin Susanne Bier spricht im Interview über ihre neue Serie „The Undoing“, privilegierte Weiße und ihre Liebe zum Backen.

Frau Bier, Ihre neue Serie „The Undoing“ wurde von David E. Kelley geschrieben und von Nicole Kidman mitproduziert. In welchem Stadium stießen Sie dazu? Susanne Bier: Der Sender wandte sich schon an mich, als es einen ersten Entwurf für die erste Folge gab. Die Aussicht, mit David und Nicole zu arbeiten, reizte mich. Und mir gefiel die Ausgangskonstellation der Geschichte, weil sich daraus sowohl ein Drama als auch ein Thriller machen ließ. Ich ließ David wissen, dass ich dabei bin, wenn das Ganze mehr die Thriller-Richtung einschlägt. Und so kam es dann auch.

Sie hatten also schon im Entstehungsprozesse kreativen Einfluss?

Oh ja, David schickte mir regelmäßig Drehbücher und arbeitete meine Kommentare und Anmerkungen ein. Das war eine echte Gemeinschaftsarbeit, sehr unproblematisch.

Kelley und Kidman waren beide auch bei „Big Little Lies“ dabei. Hatten Sie keine Bedenken, dass „The Undoing“ ständig damit verglichen wird?

Kein bisschen. Und ich liebe „Big Little Lies“. Aber für mich halten sich die Überschneidungen beider Serien in Grenzen. Schon allein weil unsere viel mehr auf Thriller-Spannung setzt – und sich auf die Details einer einzigen Ehe konzentriert. Außerdem hat Nicole natürlich darauf geachtet, dass es keine großen Parallelen gibt. Wenn sie dort eine Szene in der Badewanne hatte, haben wir uns lieber etwas anderes ausgedacht.

So oder so scheint das Publikum gerne dabei zuzusehen, wenn reichen Leuten schlimme Dinge passieren ... Was nicht wirklich verwunderlich ist, oder? Wenn wir abends beim Spazierengehen in hell beleuchtete Wohnzimmer gucken, fragen wir uns ja auch, ob dort wirklich alle so glücklich sind, wie es den Anschein hat. Und wenn wir auf Instagram jemandem folgen, der ständig zeigt, wie erfolgreich und toll sein Leben ist, dann sehen wir uns das mit einer Mischung aus Bewunderung, Neid und Zweifel an. Es geht einfach eine gewisse Genugtuung damit einher, wenn wir mitansehen, dass selbst die scheinbar Überprivilegierten zu Fall kommen können. Im Übrigen ist genau dieses „white privilege“ natürlich auch Thema in „The Undoing“. Für mich ist dies zwar wahrlich keine politische Serie, aber auf subtile Weise erzählen wir eben doch auch von einer gesellschaftlichen Kluft, etwa wenn all diese weißen Mütter an der teuren Privatschule auf die junge Frau herabsehen, deren Kind nur dank eines Stipendiums dort sein kann.

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Wie ist es eigentlich, wenn die Hauptdarstellerin auch die Produzentin ist? Gerät man da als Regisseurin in eine seltsame Position?

Im Gegenteil, zumindest mit Nicole, die sehr gut darin ist, zwischen ihren beiden Jobs zu unterscheiden. Für mich war es ein großer Luxus, dass meine engste künstlerische Mitstreiterin, nämlich meine Hauptdarstellerin, auch als Produzentin das Sagen hat. Denn das bedeutete schließlich, dass ich meine Vision nicht doppelt vermitteln muss und im Idealfall eine Verbündete in den Reihen der Produzenten habe. Trotzdem muss ich noch mal betonen, auf welche bemerkenswerte Weise es Nicole gelingt, diese verschiedenen Rollen zu trennen. Wenn sie vor der Kamera stand, dann war sie auf nichts als die Schauspielerei konzentriert.

Die männliche Hauptrolle spielt Hugh Grant. Wie sind Sie auf den für die Rolle des mordverdächtigen Ehemanns gekommen?

Mir gefiel gerade, dass er für einen solchen Part nicht zwingend die naheliegende Wahl war. Aber letztlich war für mich das Wichtigste, dass ich ihn mir gut an Nicoles Seite vorstellen konnte. Das war einfach mein Bauchgefühl: dass die Chemie zwischen den beiden stimmen und sie als langjähriges Ehepaar überzeugen würden. Das Casting ist für mich einer der wichtigsten Aspekte bei einem Film oder einer Serie. Und dass dabei so viel von der Intuition abhängt, macht die Sache sehr kniffelig.

Zur Person

Die Dänin Susanne Bier gehört zu den erfolgreichsten Regisseurinnen der Welt. 1991 kam ihr erster Spielfilm „Freud Leaving Home“ in die Kinos, der internationale Durchbruch gelang ihr 2002 mit dem Dogma-Film „Für immer und ewig“. Ihr Film „Brothers – Unter Brüdern“ wurde für zahllose Europäische Filmpreise nominiert, „Nach der Hochzeit“ sogar für den Oscar. Letzterer ging in der Kategorie Bester nicht-englischsprachiger Film schließlich an Biers Drama „In einer besseren Welt“. Regelmäßig setzt die Mutter zweier Kinder auch internationale Projekte um, etwa „Eine neue Chance“ mit Halle Berry, „Serena“ mit Jennifer Lawrence oder den sensationell erfolgreichen Netflix-Film „Bird Box“ mit Sandra Bullock.

 Nach „The Night Manager“ legt sie nun mit „The Undoing“ ihre zweite Serie vor. In Deutschland zu sehen ist die Produktion nach einem Drehbuch von David E. Kelley mit Nicole Kidman und Hugh Grant in den Hauptrollen bei Sky. (red)

Sie haben früher mal gesagt, dass Ihre Arbeit mit amerikanischen Schauspielern sich schon allein dadurch unterscheidet, dass Sie Europäerin sind. Wie meinen Sie das?

Ich muss gleich präzisieren: weil ich Skandinavierin bin. Wir Skandinavier können sehr ehrlich und direkt sein, gerade im Vergleich zu Amerikanern. Manchmal ist eine Schauspielerin oder ein Schauspieler davon im ersten Moment etwas überrumpelt oder irritiert. Aber in den meisten Fällen führt das, so scheint mir, dazu, dass sie mir umso mehr vertrauen. Denn so wissen sie, dass ich niemals loben würde, wenn ich es nicht wirklich meine. Sicherlich bin ich nicht immer die Diplomatischste, und der eine oder die andere war in der Vergangenheit schon etwas vor den Kopf gestoßen, wenn ich nach einer Einstellung sagte, dass das langweilig gewesen sei. Aber am Ende hilft diese ehrliche Art meist dabei, aus allen das Beste herauszuholen.

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Susanne Bier

Würden Sie sich als Protagonistin bezeichnen?

In der Arbeit auf jeden Fall. Da kann ich mitunter auch recht gnadenlos sein, wenn ich von etwas überzeugt bin. Privat bin ich allerdings anders. Da lasse ich auch mal fünf gerade sein, denn nicht jede Schlacht lohnt es, geschlagen zu werden.

Ihr erster Job war 1989 ein Musikvideo für die deutsche Band Alphaville ...

Moment, war das mein erster Job als Regisseurin, nach meinem Abschlussfilm? Da bin ich mir gerade gar nicht mehr sicher. Aber ohne Frage war das eine der ersten Sachen, die ich inszeniert habe. Würde ich gerne mal wieder sehen, das Video.

Auf jeden Fall wollten Sie eigentlich erst Architektin werden, richtig?

Ja, das habe ich in London studiert. Aber dann hatte ich einen Job als Set-Designerin und fing an, mich fürs visuelle Erzählen von Geschichten zu interessieren. Ein Freund studierte Regie an der Filmhochschule, dadurch schnupperte ich da rein – und habe schnell nicht mehr zurückgeblickt. Zwei Wochen, nachdem ich mich in Dänemark fürs Regiestudium beworben hatte, bekam ich den Platz. Damit war die Sache geritzt.

Und seither gab es nie mehr den Gedanken an einen neuerlichen Neuanfang?

Hin und wieder will ich schon hinschmeißen und stattdessen eine Bäckerei eröffnen. Einfach weil ich gerne backe. Das ist neben der Filmemacherei der einzige andere Bereich in meinem Leben, in dem ich ehrgeizig bin.

Dafür hatten Sie sicherlich im Corona-Jahr 2020 häufig Gelegenheit. Allerdings mussten Sie auch „The Undoing“ während der Pandemie fertigstellen, nicht wahr?

Das stimmt. Eigentlich sollte die Serie ja schon im Mai anlaufen, doch als es im März überall zum Stillstand kam, waren wir mit dem Schnitt und der Postproduktion noch nicht ganz fertig. Ich bin dann zurück nach Kopenhagen geflogen, mein Cutter saß in London, und wir hatten Teams sowohl in Vancouver als auch in Los Angeles, die letzte Hand anlegen mussten. Wir haben mit unseren Smartphones und Tablets kommuniziert und ständig Videotelefonate geführt. Aber es war klar, dass wir die Deadline nicht einhalten können, wenn wir über die ganze Welt verstreut sind. Alles war problemlos mach- und umsetzbar, nur dauerte es eben länger als üblich.

Das Gespräch führte Patrick Heidmann

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