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Vorschau auf die Cologne JazzweekZum ersten Mal auch im Dom

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Emily Wittbrodt

Emily Wittbrodt

Aufregend vielfältig präsentiert sich die Cologne Jazzweek in ihrem fünften Jahr an zahlreichen Orten in der Stadt.

Es wird wieder schwer für Fans des Jazz und der improvisierten Musik. Diesmal sind es zwar „nur“ sechs Tage, an denen die Cologne Jazzweek eine beachtliche Zahl an Konzerten präsentiert, dennoch dürfte die Qual der Wahl größer werden als zuvor. Im fünften Jahr des Festivals reiht sich ein Highlight ans nächste, jedes Konzert ist ein Solitär mit besonderem Charakter. An 23 Veranstaltungsorten lädt das Festival zu klangästhetischen Erkundungen und verknüpft künstlerische Innovation mit gesellschaftlicher Offenheit.

Die Jazzweek will aktuelle Musikformen mittels Uraufführungen, eigens entwickelten Projekten und neuen Kooperationen abbilden und aktiv mitgestalten. Dabei trifft einmal mehr die Kölner Jazzszene auf europäische Größen, hinzu kommen etliche außereuropäische Gäste, darunter US-amerikanische Heavyweights wie Gitarrist Kurt Rosenwinkel, Schlagzeuger Tyshawn Sorey mit seinem sensationellen Trio (mit Pianist Aaron Diehl und Bassist Harish Raghavan), das Ensemble Parallel Universe von Isaiah Collier sowie das energetische Quartett Kneebody. Höchste Qualität auf allen Ebenen, wobei das Festival freilich nur einen wirklichen „Star“ kennt: den Kölner Dom, der sich mit einem Solo-Orgelkonzert des britischen Keyboarders Kit Downes erstmals an der Jazzweek beteiligt.

Weitere sakrale Räume werden zu pulsierenden Kreativzentren: die Christuskirche, Neu St. Alban sowie die Trinitatiskirche, in der der neuseeländische, seit langem mit Köln und der Jazzweek verbundene Saxofonist Hayden Chisholm das Doppelkonzert „Checkpoint 50 Cologne“ gibt. Im ersten Set spielt er sein Projekt „Love in Numbers“ als „Cologne Version“, im zweiten Set „Chemical Kinetics“ im Quartett mit Pianist Achim Kaufmann, Bassist Petter Eldh und Schlagzeuger Jonas Burgwinkel.

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Emily Wittbrodt spielt drei Konzerte bei der Jazzweek

Ebenfalls in der Trinitatiskirche gibt es eine weitere, unbedingt hörenswerte Premiere: Die Cellistin Emily Wittbrodt führt ihren Liederzyklus „wearing words“ auf, ein kompositorisch und klanglich faszinierendes Werk, das zwischen Klassik, experimentellem Pop, Avantgarde und Kunstlied seine ganz eigene Klangwelt erschafft. Emily Wittbrodt schrieb die Texte nachträglich passgenau für die Musik, wollte sie aber nicht selbst singen: „Ich hatte von Beginn an Sandro Hähnel gedacht. Er ist ein erstaunlicher Opernsänger, doch um zu vermeiden, dass er in seinem vertrauten Tenor singt, habe ich alle Lieder für meine Stimmlage geschrieben. Jetzt singt Sandro hoch und ohne Vibrato, was etwas sehr Zerbrechliches hat.“ Eine ähnlich prononcierte Rolle spielt das Cembalo (gespielt von David Helm), das sich mit Stimme, Cello, Klarinette, Akkordeon und Schlagzeug zu einem begeisternden Klanggebilde fügt.

In noch zwei weiteren Konzerten ist Emily Wittbrodt auf der Jazzweek vertreten. Im zehnköpfigen Ensemble „I Depend“ der Sängerin und Gitarristin Annie Bloch akzentuiert sie den Melodienreigen, der sich mit „spirituellem Indie-Folk-Rock“ kaum hinreichend beschreiben lässt und davon zeugt, wie dehnbar der Begriff „Jazz“ heute ist – ähnlich wie beim „Mendelssohn Project“ von Emily Wittbrodt und Annie Bloch, die nun an der Orgel des Klaus von Bismarck Saals im WDR-Funkhaus zu hören ist.

„Ich kannte Felix Mendelssohn-Bartholdy vor allem für seine Kammermusik und Cello-Stücke, die ich viel gespielt habe“, sagt Emily Wittbrodt. „Wir haben uns auf das monumentale Orgelwerk Präludium und Fuge in c-Moll konzentriert und geschaut, welche Teile uns besonders interessieren. Das konnten manchmal nur zwei Takte sein, es ging vor allem darum herauszufinden, welche harmonischen Wendungen intuitiv unser Interesse wecken. Wir haben uns dem betont spielerisch genähert, es war wie ein persönlicher Befreiungsschlag, eine Art Emanzipation.“ Mal feingliedrig und zärtlich, mal aufbrausend und energisch verbinden sich Orgel und Cello zu einem fulminanten Kunst-Stück.

Emily Wittbrodt möchte mit ihrer Musik Verbindungen zwischen Menschen, Klängen und Kunstformen schaffen: „Ich suche immer nach der ehrlichsten Art und Weise, meine Beobachtungen, Gedanken und Gefühle in Klang umzusetzen.“ Mit dieser Vorgabe flaniert sie vorfreudig durch das Programm der Cologne Jazzweek, wobei sie sich von vertrauten Musizierenden ebenso wie von ihrer Lust am Entdecken leiten lässt. „Für mich geht es gleich los mit den Solo-Auftritten der Bassisten Roger Kintopf und Robert Landfermann. Danach dann Big Breeezy – Mumble Jazz von Victor Fox, mit ihm habe ich jüngst bei seinem Masterabschluss-Konzert gespielt, ich schätze sehr, wie er komponiert und auch wie er spielt. Mein absolutes Highlight ist das Erasao Septett von Mariá Portugal. Mit ihr spiele ich demnächst im Fire! Orchestra, eine tolle Sängerin und Schlagzeugerin, die stets Genre übergreifend arbeitet.“

Auch der portugiesischen Trompeterin Susana Santos Silva und der dänischen Saxofonistin Mette Rasmussen wird Emily Wittbrodt im neuen Fire! Orchestra während des Jazzfests Berlin 2025 begegnen. In Köln spielt Santos Silva nun im Ensemble Tungemål des dänisch-argentinischen Gitarristen Mark Solborg, während Matte Rasmussen mit Craig Taborn und Ches Smith im Trio „Weird of Mouth“ die Jazzweek erbeben lässt.

Für Emily Wittbrodt geht es weiter mit der komplexen Konzept-Improvisation der Band Glotze, „nicht zuletzt, weil Elisabeth Coudoux am Cello und Pei Ann Yeoh an der Geige dabei sind“. Gespannt ist sie auf das unberechenbare Experimental-Trio Jump! mit Vokalkünstlerin Thea Soti, Schlagzeuger Anthony Greminger und Keyboarder Darius Heid: „Das sind drei sehr eigenständige Künstlerpersönlichkeiten. Sie waren gerade auf Indonesien-Tour und haben bestimmt spannende Klänge mitgebracht.“ Weiter geht es für sie mit dem Trio der südkoreanischen Pianistin Chaerin Im, die eines von drei „NICA exchange“-Konzerten spielt. „Sie ist eine sehr feinfühlige Musikerin, ich bin ihr bei Pablo Held begegnet.“ Ebenso wichtig sind Emily Wittbodt dann zum Jazzweek-Finale die Konzerte von Jorik Bergman und Fabian Dudek.

Ihre Vorfreude ist ansteckend, ihr Lob des Festivals nachvollziehbar: „Für eine so große und musikalisch unfassbar reiche Stadt wie Köln war es nur logisch, dass sie mit der Cologne Jazzweek endlich ein internationales Jazz-Festival bekommen hat. Es ist eine Mammutleistung von Janning Trumann, dem Künstlerischen Leiter, und seinem Team. Man hatte ja die Kürzungsandrohungen mitbekommen, dass es Janning dennoch geschafft hat, das Festival in der Stadt sichtbar zu machen und zu verankern, das ist für Köln ein ganz großer Gewinn.“


Cologne Jazzweek, 31.5. bis 5.9. an 23 Veranstaltungsorten in Köln.

Das vollständige Programm unter jazzweek.de