#metoo zum TrotzWoody Allens antiquitiertes Frauenbild

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Am Donnerstag kommt sein 48. Film in die Kinos: Woody Allen.

Am Donnerstag kommt sein 48. Film in die Kinos: Woody Allen.

  • Alte Missbrauchsvorwürfe sorgten dafür, dass Amazon den Film wieder fallen ließ. Nun kommt Woody Allens „A Rainy Day in New York“ in die deutschen Kinos.
  • Viele Stars des Films haben ihr Honorar nach Drehschluss an #Me-Too und Time Up gespendet.
  • Verstörend sind vor allem die Rollen von Männern und Frauen, die komplett aus der Zeit gefallen sind.

Köln – Dies ist das Zeugnis einer enttäuschten Liebe. Denn geliebt habe ich Woody Allen schon als noch blutjunger Kinogänger: Woody als bärtiger Rebell in einer lateinamerikanischen Militärdiktatur („Bananas“); Woody als widerspenstiges Spermium, das umsonst „Ich will da nicht raus!“ ruft („Was Sie schon immer über Sex wissen wollten“). Später natürlich die New Yorker Psycho-Exerzitien, in denen der einstige Gagschreiber von Bob Hope und John Parr erst wirklich zu sich selbst fand. „Annie Hall“, dem man im Deutschen den schrecklich geheimnislosen, aber sprichwörtlich gewordenen Titel „Der Stadtneurotiker“ gab, und „Manhattan“, diese Bild und Wort gewordene Gershwin-Melodie.

Und nun das, „A Rainy Day in New York“.

Unter diesem Titel kommt am Donnerstag der neue Woody-Allen-Film ins Kino, es ist sein 48. Was man gewöhnlich unter Alterswerk versteht, ist bei Allen geprägt durch eine Mischung aus Selbstzitat, Müdigkeit und einigen genialen Ausreißern wie „Midnight in Paris“ – sowie durch die Odyssee durch europäische Hauptstädte, nachdem er in Amerika kaum noch Finanziers für seine Geschichten fand. Nun kehrt er also in die alte Heimat New York zurück, doch in Wahrheit scheint er sich mehr denn je auf der Flucht zu befinden, vor der eigenen Biografie, vor der Diskussion um seine Person, in gewisser Weise auch vor dem neuen Jahrtausend, in dem er immer noch Filme drehen will – am vergangenen Sonntag feierte er seinen 84. Geburtstag. Ein Nachfolger für „A Rainy Day in New York“ ist bereits angekündigt, Schauplatz ist San Sebastian.

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„A Rainy Day in New York“ wurde für Amazon produziert, seine Entstehung fiel mit dem Aufkommen der #Me-Too-Bewegung zusammen. Diese hatte im Zuge der Missbrauchsvorwürfe gegen den Filmproduzenten Harvey Weinstein Fahrt aufgenommen, und nun traf sie auch Woody Allen aufgrund eines Falls, der schon wieder in Vergessenheit geraten schien: Anfang der 90er Jahre hatte seine einstmalige Lebensgefährtin, die Schauspielerin Mia Farrow, von sexuellen Übergriffen des Regisseurs auf die minderjährige Adoptivtochter Dylan berichtet – ein während des Sorgerechtsstreits erhobener Vorwurf, der in langwierigen Untersuchungen allerdings nie untermauert werden konnte. Nun holt Allen die Vergangenheit wieder ein, Amazon will angesichts der neu entflammten Diskussion „A Rainy Day in New York“ in Amerika nicht zeigen.

Man kann von Woody Allen nicht erwarten, dass er auf die Debatte künstlerisch reagiert, dass er also einen filmischen Kommentar an die Adresse seiner Kritiker und Kritikerinnen liefert. Erschreckend, ja verstörend ist dennoch der Unwille, die durch #Me-Too oder Times Up repräsentierten Ideen auch nur ein wenig an sich heranzulassen. Stattdessen zeichnet der neue Film ein Frauenbild, wie es antiquierter kaum vorstellbar ist. Elle Fanning spielt in „A Rainy Day in New York“ ein ewig staunendes Provinz-Naivchen, das die Chance bekommt, im Traumort Manhattan einen Filmregisseur für die Uni-Zeitung zu interviewen – der Meister hat seine besten Tage zwar hinter sich, aber das hindert Ashleigh nicht daran, schon bei dem Gedanken an die Begegnung vor Ehrfurcht fast in Ohnmacht zu fallen.

Zweiter Mann auf ihrem Weg in den Big Apple ist ihr Freund Gatsby, der gönnerhaft eine romantische Sightseeingtour plant und ebenfalls völlig außer sich gerät, wenn er an New York denkt. Wohlgemerkt, es handelt es sich um ein Pärchen aus der Jetzt-Zeit, das sich allerdings benimmt, als wären die puritanischen 50er Jahren in den USA niemals zu Ende gegangen. Muss man erwähnen, dass der dazu ertönende Jazz ebenfalls aus dieser Zeit stammt, mindestens?

Rückzug in eine Kunstwelt

„A Rainy Day in New York“ ist auf eine Weise aus der Zeit gefallen, die man im besten Fall nur als Verdrängungsleistung interpretieren kann. Was hier geschieht, wirkt wie ein Rückzug in eine Kunstwelt, die mit der Wirklichkeit nichts mehr zu tun hat. Tatsächlich will Allen ein poetisches Vakuum erschaffen: Der Regen, der Plüsch in den Restaurants und Bars, die kernige, irgendwie an Hemingway erinnernde Todessehnsucht des von Liev Schreiber gespielten Regisseurs Pollard, schließlich das Liebesgeplänkel des so fein säuberlich auf seine Rollen festgelegten Paars – all das möchte sich gern zur Hommage an ein New York der alten Tage verdichten, die Manhattan auf diese Weise vermutlich nie gesehen hat.

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Wie in all seinen Filmen der vergangenen Zeit ist es Allen gelungen, berühmte, zumindest angesagte Darsteller zu engagieren, die sich auch aus Solidarität für einen legendären, aber geschmähten Regisseur verpflichten ließen. Vielleicht sind weniger die alten Vorwürfe dafür ausschlaggebend, dass viele von ihnen wie Timothée Chalamet , Selena Gomez und Rebecca Hall nach den Dreharbeiten ihr Honorar an #Me-Too und Times Up spendeten – vielmehr dürfte ihnen klar geworden sein, an welch verheerendem Gesellschaftsporträt sie mitgewirkt haben. Das wäre ein Fall von schlechtem Gewissen. Aber auch einer von enttäuschter Liebe.

„A Rainy Day in New York“ startet am Donnerstag in den deutschen Kinos.

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