„Tanz den Mussolini“DAF-Sänger Gabi Delgado-López ist tot

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Gabi Delgado-Lopez

Gabriel „Gabi“ Delgado-Lopez von der Band DAF - Deutsch Amerikanische Freundschaft bei der  c/o-pop 2008 in Köln.

Gabi Delgado-López war bereits acht Jahre alt, als seine Familie aus dem sonnigen Andalusien ins graue, langweilige Nordrhein-Westfalen zog. Später bezeichnete er eben das als sein großes Glück, Deutsch als Zweitsprache gelernt zu haben: „Da hatte ich eine andere Sicht auf die Bedeutung der Dinge. Ich glaube, ein Deutscher hätte sich nicht getraut, nur im Imperativ zu singen: „Küss mich, mein Mädchen!“, „Tanz den Mussolini!“ 

Gabi Delgado traute sich und eckte prompt aufs Glamouröseste an. Mit 15 war er von zu Hause abgehauen, getrieben von seinem kaum durchdachten Plan, aus grauer Städte Mauern Kunst zu gewinnen. Er landete dann in der gerade aufblühenden Punk-Szene Düsseldorfs, schrieb für Franz Bielmeiers Fanzine „The Ostrich“ und beteiligte sich als Autodidakt an einigen der Bands, die nun wie Pilze aus dem Boden schossen: Charley‘s Girls, Mittagspause (die späteren Fehlfarben) und natürlich der Deutsch-Amerikanischen Freundschaft, kurz DAF, die er zusammen mit dem klassisch ausgebildeten Schlagzeuger Robert Görl und einigen anderen Musikern in Wuppertal gründete.

Gitarristen und Bassisten sind „zu spießig“

Schnell erwiesen sich Görl und Delgado als radikales Dreamteam, wild entschlossen, alle Brücken zur Musik der Väter und großen Brüder abzubrechen. Sie entledigten sich ihrer Gitarristen und Bassisten, die waren, lästerte Delgado-López noch Jahrzehnte später im Gespräch, „einfach zu spießig“. Das dynamische Duo zog ohne Geld und Unterkunft nach London, besorgte sich provokante Leder-Outfits in schwulen Sexshops und reduzierte seine Musik auf Schlagwerk, zickige Sequenzer und Gabi Delgados im Befehlston herausgehauenen Statements.

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Live traten sie vor einer Wand aus Kassettenrekordern auf, ein Tape für jedes neue Stück. In England zeigte man sich von den durchgeknallten Deutschen, die freudig und äußerst sexy jedes Klischee überboten, begeistert. DAF unterschrieben erst bei Daniel Millers Mute Records, dem Label von Depeche Mode, Nick Cave und New Order (die sich alle von DAF beeinflussen ließen), und dann bei Richard Bransons Virgin Records.

DAF als „schwule Nazis“

Mit ihrem Virgin-Debüt „Alles ist gut“ landeten sie schließlich auch in den deutschen Charts. Die Jugend tanzte – scheinbar geschichtsvergessen – den Mussolini, die 68er schüttelten die Köpfe, und als Görl und Delgado dann noch das Liebeslied „Der Räuber und der Prinz“ veröffentlichten, ergab sich die öffentliche Meinung endgültig dem Taumel der Signifikanten: schwule Nazis! Wo sollte das noch hinführen?

Für DAF führte es nach dem fünften Studioalbum „Für immer“ aus dem Jahr 1982 vorerst zur Auflösung, es war einfach alles gesagt. Später taten sie sich sporadisch wieder zusammen, feierten ihr 30-jähriges Bestehen mit einem Konzert auf der Kölner c/o pop, nahmen auch neue Alben auf. Die dem umwälzenden Frühwerk freilich wenig hinzuzufügen hatten. „Verschwende deine Jugend“, wie einer von Delgados geliebten Imperativen gefordert hatte.

Gabi Delgado-López zog zeitweilig nach Zürich, lebte dann in Berlin und organisierte dort die ersten deutschen House-Partys. Später zog er sich in die alte spanische Heimat zurück, veröffentlichte auch einige Soloalben. Und blieb immer gut für ein streitbares Statement. Sein Tod in der Nacht vom 22. März, zuerst von seinem alten Bandkollegen Robert Görl auf dessen Facebook-Seite vermeldet, kam völlig überraschend. Gabi Delgado-López, dieser Irrwisch des Imperativs, wurde nur 61 Jahre alt.

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