ARD-Film über Berthold BeitzDer Preis der Macht

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Golo Mann (Edgar Selge, l.) und Berthold Beitz (Sven-Eric Bechtolf) in „Das Geheimnis der Freiheit“

Golo Mann (Edgar Selge, l.) und Berthold Beitz (Sven-Eric Bechtolf) in „Das Geheimnis der Freiheit“

Köln – Auf dem Klingelschild steht noch immer der Name des Vaters. Thomas Mann. Obwohl dieser schon lange tot ist. Doch Golo Mann (Edgar Selge), der mit der demenzkranken Mutter zusammenlebt, ist auch im Seniorenalter noch immer vor allem Sohn. In dem WDR-Fernsehfilm „Das Geheimnis der Freiheit“, den das Erste an diesem Mittwoch zeigt, ist es nicht zuletzt die Sehnsucht danach, dem Übervater und der Mutter, die ihn mit eben diesem verwechselt, zu entkommen, die ihn das Angebot von Berthold Beitz (Sven-Eric Bechtolf) annehmen lässt.

Der Krupp-Generalbevollmächtigte kämpft Anfang der 70er Jahre gegen den Niedergang des Essener Konzerns, und Mann soll ihm auf seine Weise dabei helfen. Er gibt bei dem Historiker eine Biografie seines Ziehvaters Alfried Krupp in Auftrag. Beitz geht es darum, den verurteilten Kriegsverbrecher in ein möglichst günstiges Licht zu rücken. Und so treffen zwei sehr unterschiedliche Männer aufeinander, die doch viel gemeinsam haben: Den Kampf gegen eine übermächtige Vaterfigur und die Dämonen des Zweiten Weltkriegs.

Geister der Vergangenheit

Diese verfolgen besonders Beitz. Dabei war er er einer der wenigen, die nicht wegguckten oder mitmachten, sondern etwas gegen die Verbrechen des NS-Regimes unternahmen. Er rettete als kaufmännischer Leiter der Karpathen-Öl AG in Boryslaw mehreren Hundert jüdischen Zwangsarbeitern das Leben, indem er sie als unentbehrlich für die Erdölindustrie einstufte und in den von ihm verwalteten Fabriken beschäftigte. Dafür ehrt ihn der Staat Israel 1973 als Gerechten unter den Völkern. Doch Beitz tut sich schwer mit der Anerkennung. Hat er doch das Gefühl, nicht genug getan zu haben. Der Geist seiner Sekretärin, die er nicht retten konnte, verfolgt ihn. Immer wieder sieht er die junge Frau.

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Irgendwann vertraut er sich Mann an. Es sind die Gespräche der so ungleichen Männer, die zu den Stärken des Films zählen. Doch leider vertrauen Regisseur Dror Zahavi und Drehbuchautor Sebastian Orlac ihren Hauptfiguren nicht genug, um ihnen noch mehr Raum zu geben. Das war auch deshalb bedauerlich, weil Selge und Bechtolf den Männern so viele interessante Facetten abgewinnen, dass man gerne mehr von diesen Gesprächsszenen gesehen hätte. Stattdessen muss Beitz etwa mit Erich Honecker durch die Gegend fahren und auf Empfängen rumstehen. Besonders erhellend ist das nicht. Interessanter ist vielmehr, wenn Beitz Mann von der Machtlosigkeit berichtet, die er empfand, als die Menschen in die Züge ins KZ gesperrt wurden. „Wenn Sie das gesehen haben, wollen Sie so viel Macht, wie Sie nur haben können“, entgegnet er dem Historiker, als dieser ihn fragt, warum er nach diesen Erlebnissen sein Leben ausgerechnet in den Dienst eines Kriegsverbrechers stellt. Das Buch, das Beitz bei Mann in Auftrag gegeben hat, wird am Ende nicht erscheinen. Zu persönlich, findet der Industrielle.

Das Timing der Ausstrahlung zumindest ist perfekt. Am Mittwoch tagt der Aufsichtsrat von Thyssenkrupp. Es geht um die Zukunft des angeschlagenen Konzerns. Das Erste zeigt „Das Geheimnis der Freiheit“ an diesem Mittwoch um 20.15 Uhr.

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