Begräbnis der QueenEine Szene soll nie wieder gezeigt werden

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London – Wir sehen ein minuziös durchchoreographiertes Schauspiel für die Kameras, und doch ist es echt, es ist bewegend und absurd zugleich – die Beerdigung der Queen im Fernsehen. „Historisch“, kein Wort fällt öfter in den Live-Übertragungen. Und so wurde stundenlang Sendezeit freigeräumt und alle Expertinnen und Experten für Royales in die Studios geladen, die man finden konnte. Das Erste zeigte „Trauerfeier für die Queen“, das ZDF „Trauer um Queen Elizabeth II.“ – ein Rätsel, warum sich die öffentlich-rechtlichen Sender nicht einfach zusammengetan haben, wenn sie doch ohnehin dieselben Bilder zeigen.

Dieselben Bilder zeigen natürlich auch RTL („Punkt 12 Spezial: Letzte Ehre für die Queen“) und Sat. 1 („Goodbye Queen Elizabeth“) – nur wird bei den Privaten noch deutlich mehr drübergequatscht. Was wird wohl in dem Brief stehen, der im Blumengesteck auf dem Sarg zu sehen ist? Harrys Kieferpartie wirkt angespannt – was hat das zu bedeuten?

Auch im ÖR wird gesprochen, wo die Worte fehlen

Viel tiefsinniger geht es bei den Öffentlich-Rechtlichen aber auch nicht immer zu: „Die Fernsehkameras legten nahe, dass Harry nicht »God save the King« mitgesungen hat“, munkelt man im ZDF. Aber was soll man auch machen? Der Trauerzug zieht sich ewig hin, und alle Details über die Krone (wurde extra für die Queen schmaler gemacht), die Outfits („Die Damen dürfen kaum Schmuck tragen, und wenn dann nur ein Erbstück der Familie, das eine besondere Funktion hat) und die Gesichtsausdrücke (Gefühle zu zeigen verstößt gegen das Protokoll) sind schon ausführlich erörtert worden.

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Viele befolgen die Trauerfeier im pub, so auch in Melbourne.

Wenn dann auch alle Spekulationen durchspekuliert sind (Ob Joe Biden gleich wieder abreist? Ob es solche Zeremonien unter Charles noch geben wird? Ob die Briten wohl die Monarchie ganz abschaffen?), bleibt nur noch eins: Zeit totschlagen. Das hört sich bei Katja Burkard (RTL) so an: „Wir haben es ja vorher schon alles erwähnt, aber für die die sich jetzt dazuschalten – sagen Sie doch noch mal, warum der Kanonenwagen nicht mehr von Pferden gezogen wird.“ Und der britische Generalkonsul muss auf die Frage, ob er die Queen persönlich kenne, durchaus sehr schmallippig antworten: „Ich habe sie einmal vorbeifahren sehen.“

Die Bilder der Trauerfeier sagen genug

Man könnte natürlich auch einfach mal schweigen und die Bilder für sich sprechen lassen. Beeindruckend genug sind sie: Mit unbewegten Gesichtern marschieren die Männer in ihren Uniformen im Gleichschritt vor, neben und hinter dem Sarg ihrer Queen. Es sind tatsächlich fast nur (weiße) Männer und sie verkörpern eine Tradition, die so steif und akkurat ist, dass darin ohne Frage Würde, Macht und Größe liegt. Aber auch genauso viel Strenge, Nostalgie und Vergeblichkeit. Was macht man eigentlich, wenn man zur Toilette muss? Notdurft ist nicht vorgesehen, genauso wenig wie Erschöpfung, zu offensichtliche Gefühle. Oder gar ein Fehltritt. Alle Abläufe wurden mehrmals geprobt – mitten in der Nacht, erfahren wir im ZDF.

Die britische BBC vertraut der Macht dieser Bilder viel mehr als die deutschen Kollegen. Minutenlang wird gar nicht kommentiert und wenn, dann nur sachliche Infos zum Prozedere. Erst viel später dürfen auch mal Vertraute des Königshauses über die Bilder plaudern – als der Sarg vom Kanonenwagen in eine eigens produzierte Limousine verfrachtet wird, die sich in einem Konvoi auf den Weg nach Windsor macht.

Vollverglaster Leichenwagen der Queen

Der Leichenwagen ist fast vollverglast – so wäre Schneewittchen heute unterwegs, wenn die Zwerge sich das leisten könnten. Dank dieser Sonderanfertigung können auch die Hubschrauber gute Bilder liefern. Diese Beerdigung ist eben ein fulminantes Medienereignis, das auf der ganzen Welt verfolgt wird.

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Auf den Straßen Londons nehmen die Leute von der Queen Abschied.

Zwölfeinhalb Stunden hat Sat.1 berichtet, nach der Beisetzung in der St. George’s Chapel auf Schloss Windsor ist Schluss. Und nicht nur der Trauergemeinde steht die Ermattung in die Gesichter geschrieben – auch aus dem Moderationsteam ist die Luft raus. Immerhin: Man will Tränen gesehen haben bei König Charles. „Das war wohl der emotionalste Moment, den wir miterleben durften.“

Eine Szene soll nie wieder gezeigt werden

Bei RTL geht es noch vergleichsweise munter weiter mit dem scheinbar nimmermüden Kölner Adelsexperten Michael Begasse, der immer weitere Details zu allen königlichen Nichten, Neffen, Cousins und Cousinen, Schwägerinnen und Schwagern in petto hat. Frauke Ludowig moderiert, und Guido Maria Kretschmer ist auch noch da. Die wohl eindrucksvollste Szene der Beisetzung: Der Sarg, der sich langsam nach unten in die Krypta senkte.

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Die Bilderflut dieses Tages war nicht nur in allen Medien präsent – sie wird uns auch in den nächsten Wochen noch begleiten. Bis auf eben dieses eine Motiv des herabsinkenden Sarges. Die TV-Sender, sagt Michael Begasse, durften es nur unter der Bedingung zeigen, dass es niemals wieder zu sehen ist, in keinem Archiv landet. Das habe der Palast verfügt: „Es soll nicht beliebig werden.“ Ein starkes Zeichen mitten in dieser gnadenlos öffentlichen Beerdigung.

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