Leserbriefe zum Auftritt Netrebkos in Köln„Gesinnungsprüfung“ für Künstler?

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Die russische Sopranistin Anna Netrebko während eines Konzerts in der Kölner Philharmonie im Jahr 2016

Um­strit­tene Diva – Anna Netrebko hat sich nur halbherzig von Putins Angriffskrieg distanziert – Kritik an Auftritt in Köln (23.8.)

„Köln tut sich keinen Gefallen mit diesem Gastspiel“

Es ist alles gesagt und geschrieben zur Kreml-Sopranistin Anna Netrebko. Ihre jahrelange freiwillige Propagandaarbeit für Putin und politische Aktivitäten gegen die Ukraine sind unzweifelhaft. Aus diesem Grund wird sie auch nicht eingeladen in renommierte Opernhäuser. Nun möchte sie einfach weitermachen, den Ruhm und den Applaus bekommen, und Köln gibt ihr die Bühne dazu.

Es ist eine Verfehlung seitens der KölnMusik GmbH und der Intendanz der Kölner Philharmonie und ein fatales Zeichen der Stadt Köln: Ein Gastauftritt von Netrebko – während in der Ukraine der Krieg tobt. Solidarität mit den ukrainischen Menschen sieht anders aus. Der Konzertsaal wurde vom Veranstalter bereits vor dem schrecklichen Angriffskrieg Russlands gegen die ukrainische Bevölkerung gebucht und so wird der Auftritt gerechtfertigt. Man hätte im Vorfeld eine Lösung anstreben können, um eine Absage zu erreichen. Entweder wurde das versäumt oder es war nicht gewollt.

Vor einigen Wochen gab es ein Konzert des Jugendorchesters der Ukraine in der Philharmonie; Auswärtiges Amt und Goethe-Institut hatten dazu eingeladen. Eine Spendengala brachte anschließend eine beachtliche Summe Geld für Künstler in der Ukraine, die nicht mehr auftreten können, weil die kulturellen Stätten in vielen Teilen des Landes durch Bomben und Terror zerstört wurden. Es ist nicht davon auszugehen, das Netrebko auf einen Teil ihrer Gage mit Kartenpreisen von bis zu 350 Euro verzichtet. Stattdessen spendete sie in der Vergangenheit Geld an die Separatistenführer im Donbass.

Es gibt viele mutige russische Künstler, die sich verantwortungsvoll gegen den Krieg und gegen das Regime einsetzten und das weiterhin tun. Denen gehört die Kölner Bühne und die Möglichkeit aufzutreten. Netrebko ist keine tragische Figur – Köln tut sich keinen Gefallen mit diesem Gastspiel. Christian Horst Köln

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Maßstab für die Beurteilung Netrebkos fragwürdig

Es ist sicher glasklar: Nach einem solchen Netrebko-Maßstab müssten wir zuallererst ein posthumes Auftrittsverbot über Heinz Rühmann, Gustav Gründgens, wohl auch über Heinz Erhardt verhängen – und über eine mehrfache Hundertschaft deutscher Künstler, Politiker und Geschäftsleute der ersten Garde. Sie alle haben sich nicht einmal „halbherzig“ distanziert, als es darauf ankam, haben sogar aktiv geholfen, ein offen totalitäres System zu stärken und zu verlängern. Gestört hat uns das bisher wenig.

Vielleicht würden wir bei Jopi Heesters anfangen; bei Ausländern fällt ein Verdikt erfahrungsgemäß nicht ganz so schwer. Direkt danach sollten wir aber das Richard-Wagner-Festspielhaus einebnen, vielleicht auch schnell die Walhalla; dafür gäbe es gleich mehrere sehr triftige Gründe. Aber um Konsequenz geht es hier nicht. Sondern um tagesaktuelle Haltung. Wie immer. Dr. Karl Ulrich Voss Burscheid

Netrebko-Auftritt: Konflikt zwischen Kunst und Moral

Anna Jurjewna Netrebko, ihres Zeichens russische wie österreichische Staatsangehörige, ist im dramatischen Fach fraglos die herausragende Sopranistin der letzten 20 Jahre. Leider war zumindest vor Beginn der russischen Invasion in die Ukraine eine deutliche Nähe zum Putin-Regime erkennbar. Ihre mittlerweile – auch auf gewissen Druck – eher „weiche“ Distanzierung vom Kreml und dessen Angriffskrieg mag halbherzig und nicht überzeugend sein.

Ist das nun ein hinreichender Grund, Netrebko nicht mehr öffentlich auftreten zu lassen, somit auf den Genuss ihrer überragenden Gesangskunst zu verzichten? Wollen wir in der freiheitlichen Demokratie von Künstlern eine bestimmte Haltung verlangen und eine Art „Gesinnungsprüfung“ durchführen? Soll etwa von einem der weltbesten Pianisten, Lang Lang, der erst neulich wieder in der Philharmonie aufgetreten ist, auch eine „zufriedenstellende“ öffentliche Distanzierung von der repressiven, menschenrechtsverachtenden chinesischen Diktatur eingefordert werden?

Wie stark gewichten wir die Freiheit der Kunst und der Berufsausübung? Sind – ganz grundsätzlich gesprochen – entsprechende Ausgrenzungen und Verbote mit unseren Normen und Werten vereinbar? Letztlich haben wir es hier mit einem schwer auflösbaren Konflikt zu tun, dem Widerspruch zwischen Kunst und Ästhetik einerseits und Moral anderseits. Beneidenswert, wer den rechten Weg kennt, die eindeutig richtige Entscheidung treffen kann. Roland Schweizer Leverkusen

Schande für Köln

Es ist unglaublich und eine Schande für die Stadt Köln, dass Personen wie Anna Netrebko und ihr Ehemann – beide Lakaien Putins – hier auftreten dürfen. Wie viele Menschen, Frauen und Kinder in der Ukraine während dieses Konzerts unter Putins Bomben sterben, ist scheinbar gleichgültig. Leon Penkov Köln 

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