Kommentar zur HaushaltssperreLass mal gut sein, Christian

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Bundeskanzler Olaf Scholz (rechts), Robert Habeck (Mitte), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Christian Lindner, Bundesminister der Finanzen,

Bundeskanzler Olaf Scholz (rechts), Robert Habeck (Mitte), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Christian Lindner, Bundesminister der Finanzen, müssen sich mit den Folgen des Haushaltsurteils auseinandersetzen. (Archivbild)

Mit aller Macht und allen Tricks hat Christian Lindner versucht, trotz der Krise die Schuldenbremse einzuhalten. Der Bundesfinanzminister hat mit den Versuchen, die Schuldenbremse einzuhalten, die Regierung an den Rand des Abgrunds manövriert. 

Nun also doch. Nachdem Christian Lindner noch vor einer Woche behauptet hatte, dass die Beratungen über den Bundeshaushalt von dem Schuldenbremsen-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes gar nicht betroffen seien, zieht der Finanzminister jetzt die Notbremse. Lindner verordnet seinen Kabinettskolleginnen und -kollegen eine weitgehende Ausgabensperre, um Vorbelastungen für künftige Haushaltsjahre zu vermeiden. Es ist das offizielle Eingeständnis, dass die Ampelregierung in einer schweren finanzpolitischen Krise steckt.

Gigantische Summen fehlen. Nicht nur die von Karlsruhe beanstandeten 60 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds, sondern aller Voraussicht nach auch weitere Milliardenbeträge aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds zur Abfederung der Corona-Folgen. Die Haushaltslücken sind derart groß, dass sie sich nicht durch bloße Sparpolitik schließen lassen werden – auch wenn liberale und konservative Haushaltspolitiker das nun eifrig behaupten. Entweder, die Ampel findet neue Finanzierungswege, vulgo Möglichkeiten der Kreditaufnahme, oder die wichtigen Investitionen in den klimaneutralen Umbau der Industrie werden nicht getätigt. Letzteres wäre der Super-GAU für den Standort Deutschland.

Schon jetzt ist der Schaden gewaltig. Allein, dass die zugesagten Milliardenzuschüsse für den Bau von Computerchipfabriken in Sachsen-Anhalt und Sachsen nun wieder zur Diskussion stehen, zerstört Vertrauen. Sollte die Förderung tatsächlich wegfallen, stünde die Industrienation Deutschland international blamiert da. Zwar mag man über die Sinnhaftigkeit staatlicher Ansiedlungspolitik streiten, wenn aber eine Entscheidung gefallen ist, muss Politik verlässlich sein. Andernfalls nehmen Investoren mit Recht Reißaus.

Auch die Fördermilliarden für den Ausbau der Elektromobilität, den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft, den Umbau der Stahlindustrie und die Modernisierung der Schienennetze müssen fließen. Es geht bei diesen Vorhaben um Klimaschutz, vor allem aber geht es um die Zukunftsfähigkeit der deutschen Industrie.

In Peking fragt niemand nach den ordnungspolitischen Grundsätzen der Freiburger Schule

Die USA, China und viele Staaten Asiens treiben den grünen Wandel der Wirtschaft mit Subventionen in schwindelerregender Höhe voran. Wer heute in dem Rennen um Technologieführerschaft den Anschluss verliert, büßt morgen auch Marktanteile und Wohlstand ein. Die Erkenntnis mag für Ordoliberale schmerzhaft sein, aber in Washington, Peking und Seoul fragt niemand nach den ordnungspolitischen Grundsätzen der Freiburger Schule.

Die Situation ist verfahren, unlösbar aber ist sie nicht. Denn im Grunde hat der deutsche Staat durch das Karlsruher Urteil nicht einen einzigen Euro mehr oder weniger in der Tasche. Auch die 60 Milliarden Euro des Klima- und Transformationsfonds wären Schulden gewesen – nur eben in einem Nebenhaushalt verbucht. Buchhalterisch spräche nichts dagegen, die Kredite im Kernhaushalt aufzunehmen – allerdings müsste die Ampel dafür die Schuldenbremse aussetzen. Das aber wollte Finanzminister Lindner bislang um jeden Preis vermeiden – und hat damit wesentlich zu der aktuellen Misere beigetragen.

Auch die Fördermilliarden für den Ausbau der Elektromobilität, den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft, den Umbau der Stahlindustrie und die Modernisierung der Schienennetze müssen fließen. Es geht bei diesen Vorhaben um Klimaschutz, vor allem aber geht es um die Zukunftsfähigkeit der deutschen Industrie.

Merz badet noch in seiner Schadenfreude

Gleichzeitig muss die Koalition in Verhandlungen mit der Union eintreten, um die Schuldenbremse zu reformieren. Zwar badet Friedrich Merz gerade noch in seiner Schadenfreude, bekanntlich aber hält sich der Mann aus dem Sauerland für den nächsten Kanzler der Bundesrepublik. Als solcher stünde er vor denselben Problemen wie die Ampel heute, insofern spricht auch aus seiner Sicht einiges dafür, die Schuldenbremse an die Bedürfnisse der Zeit anzupassen.

Sparsamer Umgang mit öffentlichen Geldern ist wichtig, aber kein Selbstzweck. Die Schuldenbremse sollte nachfolgende Generationen vor überbordender Kreditlast bewahren. Dieses Ziel hat sie erreicht, allerdings um den Preis ausbleibender Zukunftsinvestitionen. Dieser Preis ist zu hoch – übrigens auch monetär. Ein höherer Schuldendienst wird für künftige Generationen um einiges leichter zu tragen sein als eine nicht mehr konkurrenzfähige Wirtschaft.

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