Zum Kita-Start in NRW bleibt die Lage angespannt: Platzmangel, Personalknappheit und Notbetrieb belasten Familien und Träger.
Weniger Plätze, mehr StressDas müssen Eltern zum Start ins neue Kita-Jahr wissen

Eine Erzieherin serviert Kindern Lasagne zum Mittagessen in einer Kindertagesstätte. (Archivbild)
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Personalnot, finanzielle Engpässe und verkürzte Betreuungszeiten: Auf Familien mit Kindergartenkindern kommen altbekannte Probleme zu. Seit Jahren ist das Platzangebot geschrumpft.
Eltern kleiner Kinder müssen sich auch im neuen Kindergartenjahr auf Missstände in der Kitalandschaft einstellen. Einrichtungsträger und Elternvertreter warnen vor einem weiteren Jahr mit Notbetreuung, Unterfinanzierung und stark belastetem Personal.
Rückgang bei U3-Plätzen – und der Bedarf wächst weiter
Im neuen Kita-Jahr, das offiziell am 1. August beginnt, werden mehr als 5.000 Kinder weniger betreut als im Vorjahr. Vor allem für Kinder unter drei Jahren wurden von den Jugendämtern weniger Plätze gemeldet: So stehen für die Kleinsten 216.162 Plätze in Kitas und bei Tagesmüttern zur Verfügung, im Kitajahr 2024/25 waren es noch 221.084 - ein Minus von 4.922 Plätzen, wie das nordrhein-westfälische Familienministerium mitteilte.

Ein Mädchen mit einem Fahrradhelm in der Hand steht im Eingangsbereich einer Kita, wo ein Gummistiefel-Ständer steht. (Archivbild)
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Bei den Kindern über drei Jahre fiel der Rückgang geringer aus: Hier wurden rund 200 Plätze weniger angemeldet. Hintergrund könnten unter anderem rückläufige Geburtenraten seit 2022 sein. Zudem gebe es regionale Unterschiede: „Es gibt auch noch zahlreiche Bezirke, in denen es einen weiteren Aufwuchs gibt“, hieß es aus dem Ministerium. Gibt es genug Plätze für alle? Trotz massiven Ausbaus des Angebots in den vergangenen Jahren gab es in NRW in den letzten Jahren stets einen akuten Mangel an Betreuungsplätzen.
Platznot bleibt – selbst bei sinkenden Anmeldezahlen
Noch im Jahr 2023 ging die Bertelsmann-Stiftung von mehr als 100.000 fehlenden Betreuungsplätzen aus. Je nach Lage vor Ort gestaltete sich die Suche nach einem passenden, wohnortnahen Kita-Platz für viele Familien auch in diesem Frühjahr schwierig - während aus einigen Regionen freie Plätze gemeldet wurden.
Mancherorts, etwa in Münster, gibt es Stadtteile mit Überkapazitäten und trotzdem Familien, die noch auf der Suche nach einem geeigneten Platzangebot sind. „Auch wenn die Anmeldungen in diesem Jahr nicht so hoch sind wie in den Vorjahren, darf das den Blick darauf nicht verstellen, dass wir weiterhin ein Mehr an Betreuungskapazitäten brauchen“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums. Es müsse daher weiter in den Platzausbau investiert werden.
Fachkräftemangel in Kitas spitzt sich zu – Kritik an Landesregierung
Die Opposition hält den Verweis der schwarz-grünen Landesregierung auf die sinkende Geburtenrate für eine „Nebelkerze“, um von der sich verschlechternden Entwicklung abzulenken: „Seit Jahren hinkt Nordrhein-Westfalen beim Platzausbau hinterher“, kritisiert Dennis Maelzer, familienpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. „Der Bedarf der Familien ist weitaus höher.“
Es fehlen Fachkräfte - wer kümmert sich um die Kinder? Laut Ministerium arbeiten in den NRW-Kitas mit 92.853 Erzieherinnen und Erziehern so viele Menschen wie nie - von 2014 bis 2024 sei ein Zuwachs von 24.000 Personen zu verzeichnen gewesen. Allerdings sei auch zugleich der Bedarf gestiegen. „Der Arbeitsmarkt ist einfach leergefegt“, sagt auch Daniela Heimann vom Landeselternbeirat NRW (LEB). Die Landesregierung setzte als Reaktion darauf Ende 2024 eine umstrittene Personalverordnung in Kraft.
Kita-Personal: Zwischen Qualitätsanspruch und Personalkrise
Die Lockerungen bei den Vorgaben für Personal sollen es bei Engpässen ermöglichen, Ergänzungskräfte aus anderen pädagogischen Bereichen flexibler einzusetzen. Kritik daran kommt unter anderem vom Kita-Bündnis NRW, dem Zusammenschluss der freien Träger: „Musikpädagogen oder Bewegungstherapeuten in unseren Einrichtungen sind eine wichtige Stütze im Kita-Alltag, aber eben nur als Ergänzung und nicht als Ersatz für pädagogisches Fachpersonal“, sagt Birte Wuermeling, Sprecherin des Bündnisses.

Ein Mädchen spielt in einer Kita mit bunten Bechern und Bauklötzen. (Archivbild)
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Der Landeselternbeirat dagegen hält die Flexibilisierung angesichts der großen Personalnot für einen Schritt in die richtige Richtung. Nur müsse diese Möglichkeit noch stärker von den Einrichtungen genutzt werden. „Es wäre schön, wenn mehr Einrichtungen bei der Personalsuche ein bisschen mehr „Out of the box“ denken würden. Berufsfremden Menschen über entsprechende Qualifizierungen den Weg in die Kitas zu öffnen, kann helfen, das System zu stabilisieren“, sagt LEB-Vorstandsmitglied Heimann.
Zwischen Lösung und Notlösung: Debatte um Kita-Ergänzungskräfte
Wie zuverlässig sind Kitas in NRW? Was mit der Corona-Pandemie in zahlreichen Kitas Einzug hielt, riss auch im abgelaufenen Kita-Jahr nicht ab: Fehlt es kurzfristig oder auch mal länger an Personal und können Kitas die Personalschlüssel nicht einhalten, wechseln Einrichtungen in den Notbetrieb: Fast 34.000 Mal meldeten Kitas im abgelaufenen Jahr Personalengpässe. Häufig werden dann die Betreuungszeiten verkürzt oder Plätze reduziert.
Manchmal machen auch ganze Gruppen oder Einrichtungen zu. Der Landeselternbeirat geht davon aus, dass spätestens mit der Erkältungszeit im Herbst wieder zahlreiche Einrichtungen betroffen sein werden. Was bedeutet die angespannte Situation für die Kita-Qualität? Aktuell sei das Versprechen guter frühkindlicher Bildung ebenso wie eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf vielfach nicht einlösbar, kritisiert das Kita-Bündnis. „Dass Eltern sich aufgrund plötzlicher Notbetreuung nicht mehr darauf verlassen können, dass ihr Kind morgen auch betreut werden kann, ist das eine.
Engpässe und Notbetreuung belasten Familien und Einrichtungen
Das andere ist, dass wichtige gesellschaftliche Aufgaben wie etwa eine angemessene Sprachförderung dann gar nicht mehr möglich sind“, kritisiert Wuermeling. Was kommt an Kosten auf Eltern von Kita-Kindern zu? Wer wie viel für den Kita-Platz berappen muss, hängt neben dem Betreuungsumfang und den finanziellen Möglichkeiten der Eltern auch stark davon ab, wo die Familie lebt. Die Städte legen selbst fest, wie hoch die Gebühren sind.

Ein Kind malt ein Bild in einer Kindertagesstätte. Eltern kleiner Kinder müssen sich auch im ab August startenden Kindergartenjahr auf Missstände in der Kitalandschaft einstellen. (Symbolbild)
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Die Folge ist ein Flickenteppich: Von Beitragsfreiheit für Kinder ab drei Jahren bis zu mehreren Hundert Euro pro Monat für kleinere Kinder bei einem mittleren Haushaltseinkommen der Eltern. In den letzten beiden Kita-Jahren vor der Einschulung ist die Betreuung dann landesweit gebührenfrei. Ein im schwarz-grünen Koalitionsvertrag in Aussicht gestelltes drittes beitragsfreies Jahr ist ebenso wie die angestrebte kostenfreie Verpflegung in den Einrichtungen weiter nicht in Sicht.
Sparzwang statt Stabilität: Kita-System droht der Kollaps
Wie sind die Einrichtungen finanziell aufgestellt? „Die Decke ist in alle Richtungen zu kurz“, sagt Birte Wuermeling, Sprecherin des Kita-Bündnisses NRW. Seit Jahren fordere das Bündnis eine Reform der Finanzierung: Gestiegene Tariflöhne für Erzieherinnen und Erzieher würden nicht direkt, sondern erst viele Monate später aufgefangen.
Das bringe viele Einrichtungen in enorme Sparzwänge und existenzielle Nöte. „Die Landesregierung muss endlich handeln, damit das System nicht zusammenbricht“, betont Wuermeling, die selbst für den Kita-Träger Fröbel tätig ist.
Die Hoffnungen auf eine auskömmlichere Finanzierung richten sich auch auf die angekündigte Reform des sogenannten Kinderbildungsgesetzes - doch die lässt weiter auf sich warten. Die Landesregierung will aber mehr Geld geben. So sollen im Haushalt des kommenden Jahres 370 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung stehen. Schon ab diesem Kita-Jahr seien die Mittel, die jede Einrichtung pro Kind erhält, um 9,5 Prozent angehoben worden, um die gestiegenen Kosten aufzufangen, betont das Ministerium. (dpa)