„Royaler Morast“Prinz Harry spricht nach Krönung von „Verfolgungswahn“

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Der britische Prinz Harry verlässt nach der Krönungszeremonie von König Charles III. und Königin Camilla im Zentrum von London das Haus.

Der britische Prinz Harry verlässt am Samstag, 6. Mai 2023, nach der Krönungszeremonie von König Charles III. und Königin Camilla im Zentrum von London das Haus.

Nach der Krönung seines Vaters muss sich der Prinz weiter gerichtlich mit der Boulevardpresse auseinandersetzen.

Selten liegen königlicher Glanz und royaler Morast so nah beieinander wie in diesen Tagen. Nur wenige Tage nach der pompösen Krönung seines Vaters König Charles III. zieht Prinz Harry, der bei dem Großereignis nur eine Nebenrolle spielte, gegen die britische Boulevardpresse vor Gericht. Es geht um abgehörte Telefonate und illegal beschaffte Informationen, mit denen der „Daily Mirror“ Dutzende von Artikeln über Harry gefüllt haben soll.

Der 38-Jährige klagt, die Berichte hätten seine Beziehungen zerstört, er leide unter Verfolgungswahn. Am heutigen Mittwoch beginnt der Prozess gegen den Verlag Mirror Group Newspapers (MGN). Harrys Fall ist einer von vier, die verhandelt werden.

Prinz Harry: Historischer Moment vor Gericht

Zum Auftakt wird der Prinz voraussichtlich nicht anwesend sein, da er erst kürzlich von einem Blitzbesuch bei seiner Familie in den USA zurückgekehrt ist. Doch im Juni will Harry selbst vor Gericht aussagen – als erster hochrangiger Royal seit dem 19. Jahrhundert. Das Magazin „New Statesman“ sprach von einem „neuen Kapitel in Prinz Harrys unerbittlichem Kampf gegen die britische Boulevardpresse“.

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Beim „Mirror“ soll es nicht bleiben. Harry hat auch Zeitungen aus dem Imperium des Medienmoguls Rupert Murdoch verklagt: die „Sun“ ebenso wie die „News of the World“, die schon vor Jahren wegen eines Abhörskandals eingestellt wurde. Es sei ein „endloser Kreuzzug“, kommentierte der „New Statesman“. Wie wichtig ihm die Prozesse sind, machte Harry deutlich, als er Ende März überraschend zu einer Anhörung über seine Klage gegen den Verlag der „Daily Mail“ in London erschien.

Im ersten Prozess geht es nun um gut 140 Artikel in „Daily Mirror“, „Sunday Mirror“ und „Sunday People“ aus den Jahren 1996 bis 2010, bei denen sich die Zeitungen illegal Informationen beschafft haben sollen. Häufig im Fokus: Ex-„Mirror“-Chefredakteur und Harry-Intimfeind Piers Morgan, heute ein umstrittener Moderator und Kolumnist, der häufig über den Prinzen und seine Frau Herzogin Meghan herzieht.

„Mirror“ hörte in der Vergangenheit Telefone von Promis ab

Es ist bekannt, dass der „Mirror“ in der Vergangenheit Telefone von Prominenten abgehört hat. Dutzende Millionen Pfund Schadenersatz musste der Verlag bereits zahlen. Doch der Prinz, argumentiert AGM, habe eine Frist versäumt, mehrere Fälle seien verjährt.

Außerdem seien viele Artikel rechtmäßig veröffentlicht worden: Bekannte des Prinzen hätten die Geschichten zu Geld gemacht oder Höflinge hinterrücks Intimes ausgeplaudert. Als der „Mirror“ einen Bericht, wonach der damals 17-Jährige an Pfeifferschem Drüsenfieber erkrankt sei, mit „Harry hat die Kusskrankheit“ überschrieb, sei die wahre Quelle der damalige Pressechef von Vater Charles gewesen – der mit „Mirror“-Chef Morgan befreundet war.

Unheilige Allianz zwischen Königshaus und Boulevardpresse

Für Harry ist der Feldzug gegen die berüchtigte „Yellow Press“ eine zutiefst persönliche Angelegenheit. In seiner Biografie „Spare“ und in zahlreichen Interviews seit seinem Umzug in die USA hat er keine Gelegenheit ausgelassen, der Boulevardpresse eine erhebliche Mitschuld an dem kalten und teilweise unmenschlichen Klima im Palast zu geben, über das sich Ehefrau Meghan öffentlich beklagte.

Harry verachtet die „Yellow Press“, daraus machte er auch in seinem international viel beachteten Interview mit Oprah Winfrey keinen Hehl. Er gibt ihr die Schuld am Unfalltod seiner Mutter Diana 1997, die in Paris von Paparazzi verfolgt wurde.

Aber es ist nicht nur die Presse. Harry prangert eine „unheilige Allianz zwischen Boulevard und Königshaus“ an. So warf der Fünfte in der Thronfolge seiner Stiefmutter Königin Camilla vor, Informationen durchgestochen zu haben, um sich auf seine Kosten ins rechte Licht zu rücken. Diese Anschuldigungen haben das Verhältnis Harrys zu seinem Vater Charles sowie zu seinem Bruder Prinz William erheblich belastet.

Zuletzt wurde im Zusammenhang mit einer weiteren Klage Harrys bekannt, dass William 2020 vom Murdoch-Verlag „eine sehr große Summe Geld“ erhalten habe, um eine Klage des neuen Thronfolgers abzuwehren. Die Rede ist von einer geheimen Absprache zwischen Palast und Presse.

Prinz Harry hat moralisch bereits gewonnen

„Der Grund war, eine Situation zu vermeiden, in der ein Mitglied der königlichen Familie im Zeugenstand sitzen und konkrete Details der privaten und hochsensiblen Voicemails erzählen müsste“, die von einem Reporter der „News of the World“ abgehört worden waren, heißt es in dem Schriftsatz. Die „Institution“ sei unglaublich nervös gewesen und habe einen weiteren Reputationsschaden um jeden Preis vermeiden wollen.

Explizit wird auf den „Tampongate“-Skandal verwiesen: 1993 war ein Telefonat zwischen Charles, damals noch mit Diana verheiratet, und Camilla bekannt geworden, in dem der Thronfolger sagte, er wolle als Tampon in der Hose seiner damaligen Geliebten leben.

Klage von Prinz Harry: Weitreichende Folgen für die britische Medienindustrie

„Wenn Harry gegen die Mirror Group Newspapers gewinnt, könnte das weitreichende Folgen für die britische Medienindustrie haben“, betonte kürzlich der „Guardian“. Denn MGN gehört zum Verlagshaus Reach, das wiederum zahlreiche andere Boulevardtitel betreibt. „Die Journalisten dieser Ausgaben werden den Prozess nervös verfolgen, denn jede größere Zahlung an Harry würde die ohnehin wackeligen Finanzen des Unternehmens belasten, was bereits zu Entlassungen geführt hat.“

Sicher ist, dass die Presse, aber auch der Palast mit dem Prozess neue Details zu erwarten haben. „Selbst wenn der Herzog von Sussex der Mirror Group kein illegales Verhalten nachweisen kann, wird er wahrscheinlich eine Art Sieg davontragen“, so der New Statesman. Harry sei zumindest ein „moralischer Sieger“. (jag/dpa)

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