Prozess in DresdenSyrer griff „Ungläubige“ aus NRW an

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Gefesselt wird der Angeklagte in den Gerichtssaal geführt.

Dresden – Die beiden Männer ahnten nichts beim Bummel durch die Dresdner Innenstadt am Abend des 4. Oktober 2020 . Von hinten näherte sich der islamistische Attentäter, er zückte zwei Messer und stach zu. Für Thomas L., einen 55-Jährigen Krefelder, kam jede Hilfe zu spät. Sein Partner Oliver L. (53) aus Köln überlebte schwer verletzt. Das Geschehen wird seit Montag im Prozess gegen Abdullah al H. H. vor dem Oberlandesgericht Dresden verhandelt.

Ankläger spricht von Heimtücke

An Füßen gefesselt betritt der Angeklagte den Gerichtssaal, es gelten erhöhte Sicherheitsvorkehrungen. Die Bundesanwaltschaft wirft dem Extremisten Mord, versuchtem Mord sowie gefährliche Körperverletzung vor. Das Attentat reihte sich damals ein in eine Serie von islamistischen Anschlägen in Nizza, Paris und Wien. Abdullah al H.H., ein syrischer Flüchtling, habe aus Heimtücke und niedrigen Beweggründen auf die Geschädigten eingestochen, die er als homosexuell wahrgenommen habe, erklärte Ankläger Marco Mayer zum Prozessauftakt.

Beim Angriff brach die Messerklinge ab

Das Motiv: Der Angeklagte habe „Repräsentanten einer vom ihm als ungläubig abgelehnten freiheitlichen und offenen Gesellschaftsordnung“ mit dem Tode bestrafen wollen. Durch die Wucht der ersten Attacke sei eine Klinge abgebrochen, führt Mayer aus. Sofort danach habe H. mit dem kleineren Messer auf den Kölner Oliver L. eingestochen. Die Opfer gingen zu Boden, wehrten sich, woraufhin H. weiter zustach.

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Kriminaltechniker sichern Spuren am Dresdner Tatort.

Zunächst konnte der Angeklagte unerkannt fliehen. Erst 15 Tage nach dem Anschlag führte eine DNA-Spur vom Tatort zu dem heute 21-jährigen Syrer. Der Mann war bei den Sicherheitsbehörden aktenkundig. Bis fünf Tage vor dem Attentat hatte er eine Jugendstrafe von drei Jahren und einem Monat verbüßt.

Nach der Einreise radikalsiert

Bereits kurz nach seiner Einreise 2015 hatte sich der Anhänger der Terror-Miliz „Islamischer Staat“ (IS) radikalisiert, Abdullah H. galt als islamistischer Gefährder. Die Risikoprognosen nach seiner Entlassung ließen das Schlimmste befürchten, sächsische Staatsschützer beobachteten den Dschihadisten. Just in dem Moment, als er zuschlug, verloren ihn die Behörden aus dem Blick.

Zum Prozessauftakt am Montag verweigert Abdullah al H. H. die Aussage. „Mein Mandant wird sich schweigend verteidigen“, sagte sein Verteidiger Peter Hollstein. Der Vorsitzende Richter beruft Norbert Leygraf in den Zeugenstand. Der psychiatrische Sachverständige aus Essen hatte den Angeklagten drei Wochen zuvor in der Dresdner Justizvollzugsanstalt befragt.

Der 21-Jährige habe gefesselt hinter einer Trennscheibe gesessen, schildert der Arzt die Situation. H. sei ihm gegenüber „freundlich und zugewandt“ aufgetreten, habe seine Lebensgeschichte erzählt und sich umfassend zu der Tat geäußert. Freimütig habe er bekundet, dass er Homosexuelle für Feinde Gottes halte. Schon vom Gefängnis aus wollte er sich demnach Waffen beschaffen, um Ungläubige zu töten. Zwei, drei Tage nach seiner Entlassung habe er zwei Messersets gekauft, berichtet Leygraf. Die zwei längsten Messer habe er sich nach eigenen Angaben eingesteckt. Ein Gebet in einer Moschee, danach suchte der Angeklagte laut dem Gutachter Zielpersonen aus.

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Offenbar hätte es so gut wie jeden treffen können. Der junge IS-Anhänger folgte mehreren Menschen. Frauen und Alte habe er nicht angreifen wollen, so sein Bericht. Dann sei ihm das Männerpaar aufgefallen, Hand in Hand. Sie hätten „miteinander gelacht, miteinander gespielt“, referierte der Gutachter das Gespräch, H. habe angeführt, dass man Homosexuelle als Feinde Gottes bekämpfen und töten müsse. In allen Details habe der Islamist den Anschlag geschildert. Er habe ursprünglich nicht weglaufen, sondern „sich auch opfern wollen“, berichtete der Arzt.

Verteidiger Hollstein wertete in einer Verhandlungspause H.’s Äußerungen gegenüber dem Gutachter als Geständnis. „Er hat die Tat eingeräumt. Es ist hier der richtige Täter vor Gericht.“ (mit dpa)

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