Die vergessenen HeldenHört auch auf die Hausärzte in der Corona-Krise

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Hausarzt Symbol 2

Ein Desinfektionsspender hängt im Eingang der Praxis neben Hinweisen zur Hygiene und zum Verhalten beim Verdacht auf eine Infektion mit dem Coronavirus.

  • Ganz Deutschland hört während der Corona-Krise auf Virologen und Experten aus den Krankenhäusern.
  • Doch es waren die Hausärzte, die gewissermaßen den Schutzwall um die Krankenhäuser bildeten und die Außerordentliches geleistet haben, schreibt Ulrich Weigeldet, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands, in diesem Gastbeitrag.
  • Ihre Stimmen wurden lange nicht gehört – dabei hätte das Unsicherheit bei den Patienten und organisatorisches Wirrwarr vermieden.

Köln – Eine Pandemie, wie wir sie gerade erleben, betrifft alle Bereiche einer Gesellschaft, naturgemäß aber vor allem das Gesundheitswesen. Entscheidungen müssen getroffen werden, die teilweise jahrelang etablierte Strukturen von einem auf den anderen Tag verändern, und das nicht nur in den Krankenhäusern. Was die Corona-Pandemie für die Hausarztpraxen in ganz Deutschland bedeutet, fand zunächst kein großes Interesse in Politik und Öffentlichkeit. Der Fokus lag auf den Krankenhäusern und einzelnen Fachleuten, die die Diskussion in den Publikumsmedien wesentlich mitbestimmten. 

Nach und nach zeigten aber insbesondere Vergleiche mit Ländern, deren Gesundheitswesen nicht auf einer starken ambulanten Versorgung aufbauen, dass die Hausärztinnen und Hausärzte auch während dieser Pandemie einen wesentlichen Beitrag zur Stabilität des deutschen Gesundheitswesens leisten. Indem sie ihre Patientinnen und Patienten weiterhin bestmöglich versorgen, bilden sie einen Schutzwall vor einer Überforderung in den Krankenhäusern. Früh hatten wir davor gewarnt, dass andere Krankheiten nicht warten, bis das Coronavirus wieder abebbt – leider findet dieses Thema erst jetzt, wo erste Zahlen zu verschobenen Operationen die Runde machen, die öffentliche Aufmerksamkeit.

Viele Hausärzte mussten Initiative zeigen

Umso wichtiger war – insbesondere im März und April – die Eigeninitiative, die viele Hausärzte gezeigt haben, ja zeigen mussten. Sehr gut deutlich wird das am Beispiel Schutzausrüstung. Da diese viel zu lange in den Praxen fehlte, wurden Hausärzte allerorts kreativ und organisierten sich selbst das Nötigste. In ganz Deutschland gründeten die Hausärzteschaft und ihr Verband – oft auf eigenen Antrieb – zudem Infektionsuntersuchungsstellen, um die Ansteckungsrisiken in den Praxen so gering wie möglich zu halten. Es hätte sicherlich nicht eines so großen Engagements bedurft, wenn den bereits vor einigen Jahren simulierten Pandemie-Szenarien entsprechende Handlungen gefolgt wären.

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Überhaupt hätten einige Herausforderungen umgangen werden können, wenn die hausärztliche Stimme früher Gehör gefunden hätte – beispielsweise in den Krisenstäben. Sehr deutlich wurde das bei der Sonderregelung zur telefonischen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Immer wieder mussten wir protestieren, zunächst, dass diese überhaupt kommt, dann, dass sie für 14 Tage gilt, und zuletzt, dass die Sonderregelung immer wieder verlängert wird.

Angst vor der Sprechstunde

Warum wir hier so hartnäckig waren? Weil unser Praxisalltag zeigt, dass gerade ältere, chronisch kranke Patienten sich häufig nicht in die Sprechstunde trauen, wenn das Wartezimmer voll von anderen Menschen ist, die an Atemwegserkrankungen – und möglicherweise eben auch an Covid-19 – leiden. Anfang Juni hat nun das Institut der deutschen Wirtschaft betont, dass die Ärzte durch die umsichtige Nutzung der Regelung „einen substanziellen Beitrag zur Eindämmung des Infektionsgeschehens geleistet“ haben. Schade, dass es hier so lange Widerstand gegeben hatte.

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In den Praxen erleben wir aber nicht nur die Ängste vor dem Coronavirus, sondern auch die Sorgen vieler Patienten vor den Folgen der Pandemie, vor Arbeitslosigkeit, vor sozialer Vereinsamung und auch vor Quarantäne. Was letztere etwa für die Großfamilie in einer kleinen Wohnung ohne Balkon bedeutet oder für den jungen Mann, der seit Jahren an Angststörungen leidet, oder die Rentnerin, die sich im Pflegeheim nach ihrer Familie sehnt, das nimmt dann manchmal mehr Raum in der Sprechstunde ein als der eigentliche Behandlungsanlass.

Hier leisteten auch die Medizinischen Fachangestellten in unseren Praxen an vorderster Front enorme Arbeit. Daher hatten wir gefordert, dass sie – ebenso wie die Pflegekräfte – einen Bonus erhalten sollen. Dass beim Pflegebonus so lange Unklarheit herrschte und teilweise noch herrscht, ist, gelinde gesagt, peinlich. Aber das ist ein anderes Thema.

Große Verunsicherung

Die Fülle an Information, vor allem aber auch an Desinformation sorgt noch immer bei vielen Patienten für große Verunsicherung. Ein aktuelles Beispiel hierfür sind die wechselnden Teststrategien. In vielen Medien ist das Motto „Testen, testen, testen“ präsenter denn je, auch durch den Einsatz von Gesundheitsminister Jens Spahns (CDU). Gleichzeitig werden die Tests (ob nun PCR- oder Antikörper-Test) nicht für jeden Patienten von der Krankenkasse bezahlt. Die lange Zeit undurchsichtige Regelung bei gleichzeitiger medialer Präsenz des Themas hat dazu geführt, dass ein Großteil der Sprechstunde für die Klärung der Finanzierungsfrage des Tests genutzt werden muss. Das ist ärgerlich, wenn man bedenkt, wie wichtig die medizinische Aufklärung beim Thema „Testen – ja oder nein?“ ist.

Ein weiteres wichtiges Thema, das gerade viele Hausärzte umtreibt, ist der sogenannte Schutzschirm, der die Umsatzeinbußen durch Corona ausgleichen soll. Bei der bisherigen Regelung klemmt es an der ein oder anderen Stelle noch. Die Kolleginnen und Kollegen in den Praxen haben viel Engagement gezeigt und ihr Möglichstes getan, um die Patienten zu schützen und weiterhin bestmöglich zu versorgen. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass sie dafür fair honoriert werden und keine wirtschaftlichen Einbußen zu befürchten haben. Hier braucht es klare Regeln und unbürokratische Lösungen.

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