Endgültige Sperre nach 56.571 TweetsTrump versucht, Twitter-Block zu umgehen

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Trump Maga Kappe

Twitter war Donald Trumps liebstes Propaganda-Werkzeug. Damist ist jetzt Schluss.

Köln – Und pötzlich war es still. Keine Wutausbrüche in Großbuchstaben mehr, keine Lügen von Fake News und Wahlbetrug. Und vor allem: keine Hassbotschaften mehr. Nach Jahren der toleranten Duldung hat Twitter Donald Trump, dem zumindest noch für ein paar Tage amtierenden US-Präsidenten, am Freitag endgültig den Saft abgedreht.

Es ist eine Zäsur. Und allein dieser Umstand, die Tatsache, dass die Sperre eines Twitter-Accounts so viel Tragweite hat, dass sie global relevant ist, zeigt, wie sehr Donald Trump die Welt, und ja, auch die Medienwelt, in den vergangenen fünf Jahren verändert hat.

Ob Trump während seiner Amtszeit nun im Golfresort oder im Weißen Haus saß – Twitter war der Ort, an dem er regierte. „Commander in Tweet“ nannten ihn die US-Medien scherzhaft. Eine Anspielung auf „Commander in Chief“, den obersten Befehlshaber. Wer wird gefeuert? Wer wird befördert? Wie will Trump mit US-Truppen in Deutschland verfahren? Was sind die Pläne für den Umgang mit dem Iran? Für nahezu alle politischen Entscheidungen galt: Twitter war der Ort, an dem man zuerst von ihnen erfuhr – nicht selten zum Ärger von Trumps eigenen Sicherheitsberatern.

Twittersperre

Wie Sie sehen, sehen Sie nichts mehr.

Im Juli 2018 bangte die Welt, ob Trump einen Krieg mit dem Iran beginnen würde, nachdem er dem iranischen Präsidenten Hassan Rouhani auf Twitter offen gedroht hatte. Im selben Jahr erfuhr US-Außenminister Rex Tillerson über Twitter, dass er gefeuert wurde – Stunden bevor Trump ihn direkt kontaktierte.

Twitter: Trumps wichtigstes Propaganda-Werkzeug

Twitter war über Jahre Trumps wichtigstes Propaganda-Werkzeug, das Mittel, mit dem er seine Meinung ungefiltert an die breite Masse bringen konnte. Mit einer einzigen Twitter-Botschaft zerstörte Trump Karrieren, erschuf neue Feindbilder und setzte seine Agenda für die folgenden Wochen und Monate.

Bereits lange vor seiner Wahl zum Präsidenten stieß Trump auf Twitter die „Birther“-Debatte an und dichtete dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama an, kein legaler US-Bürger zu sein. Zu Beginn wurde der Vorwurf belächelt, doch er sollte für Obama über Monate hinweg zu einem so großen Ärgernis werden, dass das Weiße Haus schließlich seine Geburtsurkunde veröffentlichen musste.

Es waren Trumps zahlreiche Wahlkampf-Tweets über „die Mauer“ zu Mexiko, die 2015 und 2016 monatelang für Diskussionen sorgten. Und es war Trumps unermüdlicher Twitter-Kampf gegen „die Medien“ und ihm unliebsame Berichterstattung in jeglicher Form, die dazu geführt hat, dass der Begriff „Fake News“ aus dem heutigen Sprachgebrauch kaum noch wegzudenken ist.

Vor allem aber war Twitter Trumps Mittel, um Hass zu schüren. In Tweets wütete der Präsident gegen „Illegale Einwanderer“, „Transgender“ und das „Chinavirus“, dichtete Obama einen Abhörskandal an, erklärte schwarze Demonstranten zu Verbrechern und relativierte rechte Terrorakte.

Die gefährliche Mär des Wahlbetrugs

Allein mit Hunderten Tweets festigte Trump in den vergangenen Monaten die Mär vom großangelegten Wahlbetrug. „Voter Fraud“, „rigged election“, „Mail-in Ballots“: Mit diesen Schlagwörtern beschwor der US-Präsident aus dem Nichts und entgegen aller gesicherten Erkenntnisse eine Schein-Debatte herauf, die letztlich darin gipfelte, dass seine Anhänger das Kapitol in Washington stürmten und fünf Menschen starben.

56.571 Tweets sollte es schließlich dauern, bis Twitter eingriff und Donald Trumps Account sperrte. Zu spät, wie viele finden. Doch nicht nur für die großen Tech-Unernehmen war der Umgang mit Trumps Tweets über Jahre hinweg eine Gratwanderung. Auch etablierte Medien taten sich schwer. Wie geht man um mit offensichtlichen Lügen und Aussagen, die wie Brandbeschleuniger wirken, wenn sie aus der Tastatur eines amtierenden Präsidenten stammen und auch ohne mediale Hilfe Millionen von Menschen erreichen? Wie ordnet man Unwahrheiten ein, ohne ihnen ein noch größeres Publikum zu verschaffen? Wie ignoriert man die Aussagen eines Präsidenten, ohne sich Zensur vorwerfen lassen zu müssen? Es dauerte eine komplette Amtszeit, bis US-Medien nach der Wahl im November den radikalen Schritt wagten, eine Pressekonferenz des Präsidenten kurzerhand abzuschalten, weil sie nicht auf Wahrheiten beruhte.

Trumps will Twitter austricksen

Dieses Kapitel ist nun abgeschlossen. Twitter bleibt Trump verwehrt, Twitch hat Trumps Kanal ebenfalls gesperrt, Facebook und Instagram halten sich eine dauerhafte Sperre seines Profils offen. Doch der Präsident sucht bereits nach neuen Wegen, um sich an seine Anhänger zu wenden. Über den offiziellen Account des US-Präsidenten, der mit jedem neuen Amtsinhaber auf Null gesetzt wird, wetterte er gegen Twitter und angebliche Zensur und erklärte, an anderen Möglichkeiten und seiner eigenen Plattform zu arbeiten. Twitter löschte die Tweets nahezu umgehend. Der Account eines engen Trump-Mitarbeiters wurde gesperrt, nachdem dieser seinen Namen zu „Donald Trump“ geändert hatte, um ihn dem Präsidenten zu überlassen.

Eine wahrscheinliches neues Trump-Sprachrohr ist die App Parler, die ähnlich wie Telegram längst zum rechtsorientierten Paralleluniversum avanciert ist, und bei der namhafte Trump-Unterstützer bereits Konten pflegen. Diesmal ist Silicon Valley schneller: Am Samstag entfernten sowohl Google als auch Apple die Anwendung aus ihren App-Stores.

Auch wenn sie auf Twitter nicht mehr zu finden sind: Trumps Tausende Tweets gehen in die Geschichte ein. Das US-Nationalarchiv hat sie bereits vor Jahren als offizielle Aussagen des Präsidenten eingestuft und damit begonnen, sie zu sammeln. Online sind alle Tweets seit 2009 auf thetrumparchive.com festgehalten.

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