Gastbeitrag„Farbig“ ist nicht die höflichere Variante von „schwarz“

Lesezeit 4 Minuten
Proteste in Palmdale, Kalifornien

Proteste in Palmdale, Kalifornien

  • Im Zuge der „Black Lives Matter“-Proteste kommt bei vielen Menschen Unsicherheit auf: Was sind die richtigen Bezeichnungen, wenn man über Hautfarben sprechen muss?
  • Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft an der Freien Universität Berlin, erklärt, warum man nicht „farbig“ sagt, auch wenn viele Menschen denken, das sei höflich.

Wenn Berichte und Gespräche über die „Black Lives Matter“-Bewegung in den USA deutsche Wörter verwenden, ist mal von „Schwarzen“ die Rede, mal von „Afroamerikanern“ die Rede. Manchmal höre ich – zumeist von älteren Menschen – im Bemühen um eine Wortwahl, die niemanden beleidigt, sie hätten als Kind gelernt, dass „schwarz“ unhöflich sei und man lieber „farbig“ oder „dunkelhäutig“ sagen solle. Was stimmt denn nun?

Für die angemessene Bezeichnung von Gruppen gilt eine klare Regel: Die Mitglieder der Gruppe selbst sind die einzigen, die über diese Frage entscheiden können. Das liegt daran, dass nur die Betroffenen wissen können, ob ein bestimmtes Wort sie persönlich beleidigt oder als Gruppe herabwürdigt – von außen können Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft das nicht entscheiden, da ihnen die konkreten Alltags- und Lebenserfahrungen der Betroffenen fehlen. Deshalb empfehle ich, sich immer direkt bei den Betroffenen zu informieren. Im konkreten Fall ist das Buch „Deutschland Schwarz Weiß“ der Autorin Noah Sow ein exzellenter Einstieg.

Rassismus ist auch in Deutschland ein Problem, wie die Kölnerin Alice Hasters in ihrem Buch „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten” erklärt. (Hier gelangen Sie zum Text.)

Um aber dennoch schon einmal eine erste Orientierung zu geben: Die Betroffenen in den USA bevorzugen die Begriffe „black“ (also „schwarz“) und „African American“ zu etwa gleichen Teilen, wobei „African American“ genau genommen nur die Nachfahren der zur Zeit der Sklaverei aus West-Afrika nach Nordamerika entführten Menschen bezeichnet, während „black“ umfassender alle Menschen mit einer wie auch immer gearteten familiengeschichtlichen Herkunft aus Afrika meint. Deshalb heißt die eingangs erwähnte Bewegung auch „Black Lives Matter“ und nicht „African American Lives Matter“.

In Deutschland bevorzugen die Betroffenen insgesamt die Bezeichnung „schwarz“, am besten als Adjektiv in Verbindungen wie „schwarze Menschen“ (zum Beispiel im Namen der Organisation „Initiative Schwarze Menschen in Deutschland“) oder „schwarze Deutsche“.

„Dunkelhäutig“ ist schlicht nicht zutreffend

Die Wörter „farbig“ und „dunkelhäutig“ (und ihre englischen Entsprechungen) werden von den Betroffenen in Deutschland und den USA weitgehend abgelehnt. „Farbig“ hat eine historische Verbindung zu Ideologien der sogenannten Rassentrennung und verbietet sich schon deshalb, und „dunkelhäutig“ ist schlicht unzutreffend, da es sehr hellhäutige Menschen gibt, die dennoch eindeutig als Schwarze kategorisiert werden – denken Sie zum Beispiel an den ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama.

Beide Wörter wirken außerdem wie ein verschämter Versuch, das Wort „schwarz“ zu meiden – auch in den USA bevorzugen weiße Menschen interessanterweise recht klar das Wort „African American“ gegenüber „black“. Die Mehrheitsgesellschaft versucht hier also, ein ihr selbst unangenehmes Wort zu meiden und setzt sich dabei über die Sichtweise der Betroffenen hinweg, die sich selbstverständlich nicht dafür schämen, schwarz zu sein.

Die drei Kölner Eli Abeke, Joëlle Bargel und Selamawit Yonas engagieren sich gegen einen Rassismus, der ihnen aufgrund ihrer Hautfarbe täglich begegnet. (Hier gelangen Sie zum Text.) 

Jenseits der grundsätzlichen Frage der Gruppenbezeichnungen ist es wichtig zu verstehen, dass Individuen in Gruppen selten völlig einer Meinung sind. Wenn man es mit einem einzelnen Menschen zu tun hat, sollte man deshalb unbedingt darauf achten, ob er oder sie vielleicht eine andere Selbstbezeichnung bevorzugt. Der Sänger Roberto Blanco zum Beispiel hat einmal geäußert, für ihn sei der Begriff „Farbiger“ der treffendste. Dann ist dies ihm gegenüber selbstverständlich zu respektieren, denn auch auf individueller Ebene gilt im Großen und Ganzen das für Gruppen genannte Prinzip: Über ihre Bezeichnung entscheiden am besten die Bezeichneten selbst.

Das könnte Sie auch interessieren:

Hinweis der Redaktion: Viele schwarze Menschen bevorzugen die Bezeichnung BPoC (Black and People/Person of Color) bzw. BIPoC (Black, Indigenous and People/Person of Color). Die Bedeutung dieser sozialen Kategorien wird in diesem Text nicht behandelt. 

Die Organisation Amnesty International bietet auf ihrer Webseite ein für den Einstieg übersichtliches „Glossar für diskriminierungssensible Sprache“.

Wenn Ihnen in unseren Texten Begriffe auffallen, die Sie für problematisch halten, machen Sie uns gerne darauf aufmerksam.

BuchtippNoah Sow: Deutschland Schwarz Weiß. Der alltägliche Rassismus, Books on demand, ISBN-Nummer: 978-3746006819, 344 Seiten, 12,95 Euro. 

KStA abonnieren