Eine Wunde, die immer blutetWie drei Kölner Tag für Tag Rassismus erleben

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Eli Abeke vom Kölner Integrationsrat

  • Wir haben uns mit Eli Abeke, Joëlle Bargel und Selamawit Yonas über Rassismus unterhalten.
  • Die drei Kölner engagieren sich gegen einen Rassismus, der ihnen aufgrund ihrer Hautfarbe täglich begegnet.
  • Öfter als blanken Hass erleben sie subtile Diskriminierung. Was haben sie über die Lage in den USA zu sagen? Und: Ist die Situation in Köln eine fundamental andere?

Köln – Eli Abeke redet gelassen über das Thema. „Wir begegnen Rassismus ja Tag für Tag“, sagt der Architekt, der seit sechs Jahren Mitglied des Kölner Integrationsrats ist. „Man muss sich oft mit Worten erklären. Ich nenne das aber nicht Gelassenheit – ich nenne es Ohnmacht.“ Abeke meint nicht den Fahrer eines Betonmischers, der auf einer Baustelle an ihm vorbeilief, einen Elektriker nach dem Bauleiter fragte, der Elektriker auf Abeke deutete, woraufhin der Fahrer rief: „Willst Du mich verarschen?“ Er meint nicht die alte Frau, die seinen Sohn in der Bahn als „kleiner Neger“ beschimpfte. Nicht die Menschen, die ihn anstarren, übersehen, sich abwenden.

Wenn Eli Abeke, der in den 80er Jahren aus Nigeria nach Bremen kam und schon lange in Köln lebt, über seine täglichen Konfrontationen mit Rassismus spricht, meint er Fragen wie: „Woher kommst Du nochmal?“ Oder: „Sie sprechen aber wirklich sehr gut Deutsch.“ Es sind diese ewigen Fragen und Einordnungen, die ihn zu einem Menschen machen, der – weil er eine andere Hautfarbe hat als die Mehrheit – als Erstes eingeordnet wird: Als Schwarzer, als Afrikaner, als Mann mit Migrationshintergrund, der „sehr gut Deutsch spricht“. Vielleicht auch: als intellektueller Schwarzer, als „besonders gut Integrierter“. Zu Gesprächen über ihn selbst, sein Leben, seine Individualität, sein Menschsein, kommt es oft gar nicht. „Ich denke, dass jeder von uns Schwarzen das kennt, dass er sich Tag für Tag mit Worten darstellen muss. Die meisten legen sich dafür Antworten zurecht. Für die, die sensibel sind, ist es schwierig.“

Unverhohlener Hass nimmt zu, ist aber nicht alles

Sie erlebe Rassismus „als Attitüde gegenüber Fremden, die oft eher subtil vermittelt wird“, sagt Joëlle Bargel, deren Mutter aus dem früheren British-Guyana kommt. „Diese Attitüde hat etwas mit permanenter Unterschätzung zu tun, mit Ignoranz und Abwertung.“ Es sei wie ein „leichter Schnitt. Man weiß nicht genau, wo die Wunde herkommt, aber sie ist immer da und am Ende des Tages blutet man.“ Joëlle Bargel, die als Requisiteurin arbeitet und drei Sprachen perfekt spricht, wird im Büro öfter mal für die Putzfrau gehalten.

Regelmäßig sagten Menschen ihr, wie süß sie sei, wenn sie etwas erzähle. Sie hat erlebt, dass Kunden nicht von ihr bedient werden wollen, dass hinter ihrem Rücken „Ausländerschlampe“ gezischt wird, dass sie als Kundin ignoriert wird. Der unverhohlene Hass, der mit dem Erstarken der AfD auch auf der Straße deutlich zugenommen habe, treffe sie allerdings tendenziell weniger als die ewigen Fragen nach den „Wurzeln“ oder der Sprache: „Es ist tödlich für die Nerven, sich ständig erklären zu müssen.“

Rassismus? „Eigentlich erlebe ich das in Köln nicht“, sagt Selamawit Yonas. Sie hält einen Moment inne, bevor sie hinzufügt: „Zumindest nicht so krass wie George Floyd. Dass ich auf mein Deutsch angesprochen werde, dass man mich fragt, ob es in meiner Heimat Schulen gebe und ob wir da etwas zu essen hätten, ich wie selbstverständlich geduzt werde, das erlebe ich fast jeden Tag. Ich nenne das aber lieber Dummheit – gegen die man einfach immer weiter ankämpfen muss.“

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Selamawit Yonas, Filialleiterin des Beauty Shops GT

Selamawit Yonas kam vor 15 Jahren aus Eritrea nach Köln, sie arbeitet als Filialleiterin in der GT-Beauty-World auf der Schaafenstraße. Während die 38-Jährige lächeln kann, als sie von ihren Erfahrungen erzählt („Man legt sich einen Panzer zu“), fühlt sich ihre Kundin Lovelyn, die mit ihrer siebenjährigen Tochter an der Kasse steht, oft hilflos. „Da ist eine ständige innere Unruhe: Werde ich heute akzeptiert? Werden meine Kinder akzeptiert? Oder werde ich wieder für die Putzfrau gehalten, wenn ich meiner Arbeit als Altenpflegerin nachgehe?“ Lovelyn erzählt, wie ihre Tochter auf dem Schulhof rassistisch beschimpft werde, dass sei das schlimmste. „Die Eltern haben sich entschuldigt, als ich sie zur Rede gestellt habe. Ich frage mich nur, wo das herkommt. Kinder werden nicht als Rassisten geboren.“

Rassismus in Köln: „Ich bin kein exotisches Tier“

Sie könne es verstehen, dass die Leute sie nach ihrer Herkunft fragen, sagt Lovelyn. Nach einem Satz über ihre ostafrikanische Herkunft solle es aber „doch bitte um den Menschen gehen. Ich bin kein exotisches Tier“. Lovelyn spricht von einem „institutionellen Rassismus. Ich sehe in den Verwaltungen kaum Schwarze. Ich sehe sie die Büros putzen und die Straßen reinigen. Überall wird über Gleichberechtigung für Frauen gesprochen. Wir müssen auch mehr über Gleichberechtigung für people of color sprechen.“

Sie hoffe, dass die Demonstrationen gegen Rassismus, die nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd in den USA auch in Köln viele tausend Menschen auf die Straße gebracht haben, „zu einer Sensibilisierung führen. Das erste wäre es, wenn wir uns angucken würden. Viele Menschen gucken mich nicht an. Sie gucken nur auf meine Haare und meine Haut.“ Ihrer Tochter sage sie: „Du hast eine andere Hautfarbe. Deswegen bist Du anders, sonst nicht.“

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„Ihr müsst stark sein“, sagt Eli Abeke seinen Kindern immer wieder. Und: „Ihr seid Menschen wie jeder andere.“ Dass die Eltern das betonen müssen, bedeutet, dass Schwarze oder „People of Color“ oft die Erfahrung machen, es nicht zu sein. Dass sie performen müssen, um ihre Normalität zu zeigen. Besonders freundlich sein, sich besonders anpassen.

Eli Abeke hat einen deutschen Pass, Köln nennt er seine Heimat. Als Vorstandsvorsitzender des Vereins „Bündnis 14 Afrika“ engagiert er sich seit 2014 im Integrationsrat. Obwohl er sich oft ohnmächtig fühlt, hat er beschlossen, Rassismus nicht einfach hinzunehmen. Kürzlich hat er einen Erfolg gefeiert: Der Kölner Stadtrat hat auf Antrag des Integrationsrats Mitte Mai die grundsätzliche Ächtung des Wortes „Neger“ beschlossen, Abeke nennt es nur das „N*wort““.

Der Beschluss fiel einstimmig aus, die AfD enthielt sich allerdings. Dem Antrag vorausgegangen war eine Debatte im Landtag in Mecklenburg-Vorpommern, in der ein AfD-Abgeordneter mehrfach das „N*Wort“ ausgesprochen hatte und dafür zur Ordnung gerufen worden war. Der Abgeordnete hatte gegen den Ordnungsruf geklagt und vor dem Landesverfassungsgericht in Teilen Recht bekommen. „Das Urteil war viel schlimmer als die Sprüche des Politikers“, sagt Abeke.

In Köln gründete sich daraufhin Mitte Januar die Initiative „N*Wort stoppen“.

Problematik des N*Wortes muss erklärt werden

Inzwischen erkundigten sich auch Politiker aus anderen Städten nach dem Kölner Ratsbeschluss, sagt Abeke. 130 000 Menschen haben im Internet eine Petition unterzeichnet, die fordert, das N*Wort grundsätzlich als rassistisch anzuerkennen – unabhängig davon, in welchem Zusammenhang es verwendet wird. „Wenn wir 150 000 Stimmen haben, könnte das Thema im Bundestag besprochen werden. Wir möchten, dass das Urteil des Landesverfassungsgerichts zurückgenommen wird.“

Er erklärt dann noch, dass das N*Wort auf die kolonialistischen Besetzer zurückgeht und die versklavten afrikanischen Bewohner so bezeichnet wurden – er ist es gewöhnt, dass solche Erklärungen nötig sind.

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