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Scharfe Kritik an Julia Klöckner„Der Kurswechsel ist ein gezielter Angriff auf queeres Leben“

Lesezeit 4 Minuten
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) spricht im Bundestag. (Archivbild)

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) spricht im Bundestag. (Archivbild)

Die Bundestagsverwaltung untersagt ihrem queeren Mitarbeitenden-Netzwerk die CSD-Teilnahme. Kritik daran kommt auch aus Leverkusen. 

Ein von der Bundestagsverwaltung verhängter CSD-Ausschluss der queeren Bundestagsgruppe sorgt für scharfe Kritik. „Wenn die Teilnahme solcher Mitarbeitenden-Netzwerke untersagt oder erschwert wird, halte ich das für ein falsches und unnötiges Signal – gerade in der jetzigen Zeit“, sagte die Queerbeauftragte des Bundes, Sophie Koch, im Zusammenhang mit der zuvor bekannt gewordenen untersagten Teilnahme des queeren Regenbogennetzwerks der Bundestagsverwaltung am Berliner CSD, der für den 26. Juli in der Hauptstadt geplant ist.

Sie würde sich wünschen, dass in Zukunft „alle Beteiligten vor solchen Entscheidungen miteinander in den Dialog treten würden“, erklärte Koch außerdem. In Zeiten, in denen Demonstrationen queerer Menschen und Feste der Vielfalt angegriffen würden, brauche es „große Solidarität und sichtbare Unterstützung“, betonte Koch.

Bundestagsverwaltung nennt „Neutralitätspflicht“ als Grund

Der Berliner CSD e. V. hatte zuvor mitgeteilt, das Regenbogennetzwerk sei zwar 2023 und 2024 noch dabei gewesen, habe die geplante Fußgruppe auf Weisung der Verwaltungsspitze in diesem Jahr jedoch zurückgezogen.

ARCHIV - 27.07.2024, Berlin: Menschen feiern beim alljährlichen Berlin Pride Umzug zum Christopher Street Day (CSD). (zu dpa: «Weisung der Bundestagsspitze: Regennetzwerk nicht beim CSD») Foto: Anna Ross/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Menschen feiern beim alljährlichen Berlin Pride Umzug zum Christopher Street Day (CSD). (Archivbild)

„Der Direktor beim Deutschen Bundestag hat die Entscheidung getroffen, dass die Bundestagsverwaltung als solche, insbesondere aufgrund der gebotenen Neutralitätspflicht, nicht an politischen Demonstrationen und öffentlichen Versammlungen teilnimmt“, erklärte eine Sprecherin der Bundestagsverwaltung die Entscheidung. Außerhalb des Dienstes stehe Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Teilnahme aber frei.

Berliner CSD-Vorstand: „Aktive Absage an queere Sichtbarkeit“

Auch der Berliner CSD-Vorstand kritisierte die Entscheidung. Der Vereinsvorstand sprach von einer „aktiven Absage an queere Sichtbarkeit“ und kritisierte: „Wer die Teilnahme von queeren Netzwerkgruppen staatlicher Institutionen untersagt, kündigt stillschweigend den Konsens auf, dass Grundrechte sichtbar verteidigt gehören.“

Stattdessen brauchte es politischen Rückhalt in Zeiten, in denen CSDs zur Zielscheibe rechtsextremer Angriffe werden, teilte der Verein mit. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) sei nun aufgefordert, die Entscheidung öffentlich einzuordnen.

Julia Klöckner bereits zuvor in der Kritik

Die CDU-Politikerin war bereits zuvor in die Kritik geraten. Im Mai hatte schon für Aufsehen gesorgt, dass Klöckner künftig nur noch zum Internationalen Tag gegen Homophobie am 17. Mai die Regenbogenflagge am Reichstagsgebäude hissen lassen will und nicht mehr zum Berliner CSD.

Die Regenbogenfahne wehte im Jahr 2022 anlässlich des Berliner Christopher Street Day (CSD) erstmals am Reichstagsgebäude. (Archivbild)

Die Regenbogenfahne wehte im Jahr 2022 anlässlich des Berliner Christopher Street Day (CSD) erstmals am Reichstagsgebäude. (Archivbild)

2022 war die Regenbogenflagge erstmals auf dem Bundestag gehisst worden. Klöckner ließ nun mitteilen, zum CSD keine Rainbow-Beflaggung mehr zuzulassen, da der Christopher Street Day „als Tag der Versammlung, des Protests und der Feier von seiner kraftvollen Präsenz auf den Straßen lebt“. Der CSD wird im Sommer in vielen Städten begangen. Er erinnert vom Namen her an Aufstände der queeren Community in der Christopher Street in New York von 1969. Er steht für die Sichtbarmachung und Gleichstellung queerer Menschen.

Irritationen auch in der Union: „Entsetzt und sehr enttäuscht“

Unklar blieb zunächst jedoch, ob Klöckner auch den Ausschluss der queeren Bundestagsgruppe vom CSD angeordnet hat. Direktor der Bundestagsverwaltung ist Paul Göttke, Klöckner hatte ihn für die Position vorgeschlagen. Nach Angaben des Berliner „Tagesspiegel“ machte die Pressestelle des Bundestags jedoch keine Angaben dazu, ob Göttke auf Weisung Klöckners gehandelt hat.

Kritik am Vorgehen der Bundestagsverwaltung kommt unterdessen auch aus der CDU: So forderte der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak, das Regenbogennetzwerk müsse beim Berliner CSD sichtbar sein. Er wünsche sich „eine Lösung, die das jenseits der gebotenen Neutralitätspflicht ermöglicht“, zitierte die Berliner Tageszeitung den CDU-Politiker. „Entsetzt und sehr enttäuscht“ zeigte sich derweil die Interessensvertretung queerer Menschen in CDU und CSU (LSU). Die Entscheidung sei ein „bedauerliches Signal“, hieß es in einer Mitteilung. 

Scharfe Kritik von Linken und Grünen an Julia Klöckner

Noch deutlicher fällt die Kritik von Linken und Grünen aus: „Der Kurswechsel von Julia Klöckner und der CDU ist kein Zufall – er ist ein gezielter Angriff auf queeres Leben“, schrieb der queerpolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Maik Brückner, bei Instagram.

Die Verbannung queerer Sichtbarkeit aus dem Bundestag sei Ausdruck eines „gefährlichen Rechtsrucks – auch innerhalb der Bundesregierung“, schrieb Brückner weiter. „Wer nicht für queere Rechte eintritt, stellt sich gegen sie.“ Klöckner betreibe „Symbolpolitik auf Kosten queerer Menschen“, fügte der Linken-Politiker an. 

Nyke Slawik: „Fatales Zeichen“ und „beunruhigende Entwicklung“

Auch Nyke Slawik, Leverkusener Grünen-Politikerin und queerpolitische Sprecherin ihrer Partei, fand deutliche Worte. Die Absage sei ein „fatales Zeichen“, das sich in eine „beunruhigende Entwicklung“ einreihe, schrieb Slawik mit Blick auf die vorherige Entscheidung gegen eine Regenbogenflagge auf dem Bundestag während des Berliner CSDs.

„Diese wiederholten Einschränkungen queerer Sichtbarkeit im Kontext des Bundestags sind kein Zufall“, führte die Leverkusenerin aus. „Sie senden ein klares Signal: Rückzug statt Haltung.“ Bundestagspräsidentin Klöckner müsse nun ein „klares Bekenntnis zur Sichtbarkeit queerer Menschen im Bundestag und in der Öffentlichkeit“ abgeben und ihre Entscheidung überdenken, forderte Slawik. (mit dpa)