Beim zweiten Christopher Street Day Leverkusen (CSD) treffen Demonstration und Straßenfest aufeinander. Zwischen Bierbude, Redebeitrag und Dragshow entsteht ein Raum, der zeigt: Queere Vielfalt ist da – und bleibt.
Zweiter Christopher Street DayWenn die Chemie stimmt – Leverkusen zeigt am Sonntag Haltung

Ein buntes Fahnenmeer zieht durch Leverkusen.
Copyright: Timon Brombach
Auf der Morsbroicher Straße und dem Schlebuscher Marktplatz reihen sich Stände aneinander, zwischen denen sich ein langsam wachsendes Publikum verteilt. Hier tragen Kinder T-Shirts mit Regenbogenherzen, dort klären Aktivistinnen über Transrechte auf. Die Dragqueen „Euphoria“ moderiert: Der „Pride am Rhein“ ist in vollem Gange. Und er ist mehr als nur Kulisse für bunte Outfits und Fahnen. Das Motto, mitten aus der Stadt gedacht: „Wenn die Chemie stimmt.“

Feiern und politische Botschaften verbreiten. Auch Mona und Dominik laufen mit, bei Currenta-
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„Wir wollten ein Motto, das lokal anschlussfähig ist, aber auch die Idee von Zusammenhalt transportiert“, sagt Marco Sahler vom veranstaltenden Verein Pride am Rhein. Der Plan geht auf. Die Mischung aus politischer Aussage und nachbarschaftlicher Offenheit wirkt nicht aufgesetzt – sie ergibt sich einfach.
Demo-Parade mit Botschaft in Leverkusen-Schlebusch
Um Punkt 13 Uhr – nach verschiedenen Reden – setzt sich der Demozug in Bewegung. Saarstraße, Lindenplatz, Fußgängerzone – und dieses Jahr noch weiter über eine Seite der Oulustraße und weiter durch den Stadtteil. „Die Verteidigung queerer Rechte ist die Verteidigung der Rechte aller“, sagt Politiker Karl Lauterbach.
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Grünen-Abgeordnete Nyke Slawik freut sich über Erfolge, die die CSDs schon erzielt haben: „Aber: Es gibt noch viel zu tun!“ Anwohnende stehen auf Balkonen, einige haben Regenbogenflaggen in Blumenkästen drapiert. Andere winken zaghaft, manche klatschen im Takt. Die Demo bleibt freundlich – und politisch.

„Wenn die Chemie stimmt“ ist das diesjährige Motto.
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Knapp 2000 Menschen sind gekommen. „Queer sein ist keine Phase“, ruft Jana (18) mit ihrem gebastelten Schild. Mittendrin: Eltern mit Kindern, Seniorinnen und Rentner mit Plakaten, queere Gruppen aus Köln, Düsseldorf, Bonn – aber eben auch viele aus Leverkusen. Wie Mona und Dominik von der Currenta-Gruppe: „Als wir erfahren haben, dass unsere Firma hier mitläuft, war für uns sofort klar, dass wir dabei sind.“ Spätestens angekommen auf dem Marktplatz wird klar: Es geht nicht nur um Präsenz, sondern um Austausch. Hier spricht ein queerer Jugendlicher über Homophobie in der Schule. Ein paar Meter weiter: Kunst, vegane Waffeln und queere Comics. Am Samstagabend spielte hier die Kölsche Band „Miljö“ im strömenden Regen. Viele waren nicht gekommen, aber die, die da waren, hatten großen Spaß klitschnass zu tanzen und in Pfützen zu springen.
CSD Leverkusen: Bühne frei für Haltung und Unterhaltung
Nun gibt es Musik von DJ Thomas Wagner, der neben DJ Actimax auch auf einem der beiden Trucks, die beim Demozug mitfahren, auflegt. Wer aber nur wegen der Musik gekommen ist, bekommt trotzdem auch die politische Ansage mitgegeben. Aber eben nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern eingebettet in ein Fest, das zugänglich bleibt.
Was den CSD Leverkusen besonders macht, ist das Miteinander. Die katholische Jugendgruppe (KJG) ist mit „KJG-ay“ ebenso präsent wie das Queere Netzwerk NRW. „Ich hätte nicht gedacht, dass es in Leverkusen so etwas gibt“, sagt Oli (16), „es fühlt sich gut an, sich hier einfach zeigen zu können.“ Am Ende stehen Nico Alesi, Kärnseife und Rules of this Game auf der Bühne: Es geht um queere Rechte, um die Kommunalwahl, um Angriffe auf LGBTQ-Gruppen. Aber es bleibt dabei: Die Stimmung ist klar, nicht klagend.
Bleibt was? Ja. Die Organisatoren sehen den zweiten CSD in Leverkusen als Erfolg. Nicht nur, weil mehr Leute da waren als letztes Jahr. Sondern, weil er zeigt, dass es hier nicht um Symbolik geht, sondern um Prozesse. Sichtbarkeit, Akzeptanz, Solidarität – das sind keine Ziele, die man abhakt. Sie müssen wachsen. Genau wie eine Stadt, die sich verändert.

Knapp 2000 Besucher zählen die Organisatoren. Auch Jana (links) ist dabei.
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Marco Sahler, Gesamtleiter des CSD und Vorsitzender von Pride am Rhein, zieht am Sonntagabend ein klares Fazit: „Wir wollten mehr als ein Fest – wir wollten einen Raum schaffen, in dem Vielfalt gelebt und geschützt wird. Und wir wollten zeigen, dass Leverkusen bunt ist, ohne sich dafür verbiegen zu müssen. Ich glaube, das ist uns gelungen. Was mich besonders freut: Die Gespräche auf dem Platz, die neuen Allianzen, das Gefühl von echter Offenheit. Das war nicht laut, aber stark.“ Oder wie es Kaja, Alois und Claire von der evangelischen Jugend Schlebusch (EJS) sagen: „Wenn die Chemie stimmt, dann merkt man das. Und heute hat man es einfach gemerkt.“