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Kommentar zur UnionHendrik Wüst, Kanzlerkandidat der Reserve

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Markus Söder (CSU, r), Ministerpräsident von Bayern, begrüßt Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, vor einer gemeinsamen Kabinettssitzung der beiden Bundesländer in München.

Markus Söder (CSU, r), Ministerpräsident von Bayern, begrüßt Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, vor einer gemeinsamen Kabinettssitzung der beiden Bundesländer in München.

Friedrich Merz hat in Sachen Kanzlerkandidatur den ersten Zugriff – Hendrik Wüst kann sich als Kronprinz fühlen.

Noch vor zwei Jahren lieferten sich die Regierungschefs von Bayern und Nordrhein-Westfalen ein Hass-Duell, das die ganze Republik monatelang in Atem hielt. Beim Kampf um die Kanzlerkandidatur der Union flogen nur so die Fetzen zwischen Markus Söder (CSU) und dem damaligen NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU). So massiv waren die Angriffe und vergifteten Ratschläge aus dem Süden, dass sie letztendlich auch dazu beitrugen, Laschets Traum vom Kanzleramt zu beenden.

Der Ministerpräsident in Düsseldorf heißt nun schon seit Oktober 2021 Hendrik Wüst. Gestern nun reiste er mit seinem NRW-Regierungstross zum Besuch nach Bayern, wo sein Kollege Söder im Oktober eine für ihn schicksalshafte Landtagswahl zu überstehen hat.

Inszenierung in München: Strikte Gemeinsamkeit und Schulterschluss

Die Inszenierung in München sah vor: Strikte Gemeinsamkeit und Schulterschluss, bloß keine Hinweise darauf, dass sich da möglicherweise ein neuer Machtkampf am Horizont abzeichnet! Am Ende der gemeinsamen Kabinettssitzung betonten denn Wüst und Söder auch einträchtig das Gewicht ihrer beider Länder und erhöhten mit einem Appell in der Flüchtlingspolitik den Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

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Carsten  Fiedler

Carsten Fiedler

Carsten Fiedler, Jahrgang 1969, ist Chefredakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Geschäftsführender Chefredakteur des Newsrooms der Kölner Stadt-Anzeiger Medien. Begonnen hat Fiedlers Karriere in der...

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So sehr Söder und Wüst auch darauf abzielten, ein gemeinsames Signal der Stärke gegen die Ampel in Berlin zu senden, stellte sich bei ihrem Auftritt doch noch eine andere Frage: Wie positionieren sich die beiden ehrgeizigen Länderchefs in der Frage der Kanzlerkandidatur der Union? Könnte es nach der aus Sicht von CDU/CSU traumatisch verlaufenen Bundestagswahl 2021 erneut zum Duell Bayern gegen NRW kommen?

Hendrik Wüst und Markus Söder gehören zur „Einstein-Connection“

Wüst und Söder kennen sich schon lange, beide waren in ihren Ländern mal Chefs der Jungen Union. Beide gehörten auch der „Einstein-Connection“ an, die sich 2007 im Berliner Café Einstein gründete, um die CDU/CSU konservativer und gegen die Mittepolitik Angela Merkels zu positionieren.

Während die Polit-Freundschaft zwischen Söder und Laschet im Kampf und die Kanzler-Kandidatur zerbrach und bis heute zerstört ist, bemühen sich Söder und Wüst derzeit um Gemeinsamkeit. Das liegt natürlich auch am veränderten parteiinternen Machtgefüge: Mit Friedrich Merz als CDU-Partei- und Fraktionschef gibt es für die Bundestagswahl 2025 einen geborenen Kanzlerkandidaten. Macht Merz keine großen Fehler und bringt die Partei nicht gegen sich auf, hat er unbestritten den ersten Zugriff. Hinzu kommt, dass die Union ein erneutes Kanzlerkandidatendrama wie 2021 unter allen Umständen verhindern will. Gut möglich, dass Merz sich darum schon 2024 auf den Schild heben lassen möchte.

Hendrik Wüst kann sich als eigentlicher Kronprinz sehen

Zum jetzigen Zeitpunkt bleibt Wüst und Söder darum nur die Rolle der Kandidaten in Reserve. Wobei sich bei Söder die Frage stellt, ob er nach seinem rücksichtslosen Gebolze gegen Laschet 2021 überhaupt noch einmal als Kanzlerkandidat vermittelbar wäre. Viele in der Union halten das für unvorstellbar.

Wüst hingegen kann sich als der eigentliche Kronprinz sehen. Er hat es nicht nur geschafft, wenige Monate nach der aus Sicht der Union völlig vergeigten Bundestagswahl einen in seiner Deutlichkeit beeindruckenden Wahlsieg für die CDU in NRW einzufahren. Es ist ihm auch gelungen, ein bislang gut funktionierendes Bündnis mit den Grünen zu schmieden, das Modellcharakter für den Bund haben könnte.

Sollte Merz noch ins Trudeln geraten, hätte Wüst unter den Kandidaten im Wartestand sicherlich die beste Ausgangsposition. Beansprucht Merz die Kandidatur aber für sich, kann der 47-jährige Wüst aber getrost noch warten. Genauso agiert er auch. Die Frage der Kanzlerkandidatur stelle sich nicht, sagte er. Er konzentriere sich darauf, das Beste für NRW zu erreichen. Seinen Teflon-Kurs – keine Fehler machen und mit Schwarz-Grün im Land möglichst geräuschlos regieren – wird Wüst weiter verfolgen.

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