Deutsche von Hamas verschlepptMutter von Shani Louk berichtet von letztem Gespräch mit Tochter – Blutbad bei Festival

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Militante Palästinenser umringen am 7. Oktober im Gazastreifen einen Pick-up, auf dem ein Entführungsopfer liegt.

Militante Palästinenser umringen am 7. Oktober im Gazastreifen einen Pick-up, auf dem ein Entführungsopfer liegt.

Die 22-jährige Deutsche Shani Louk ist bei einem Festival in Israel entführt worden. Hamas-Kämpfer richteten ein Blutbad an.

Shani Louk hat bei einem Festival in der israelischen Negev-Wüste gefeiert, als sie mutmaßlich von palästinensischen Hamas-Terroristen entführt wurde. Die junge Frau mit deutscher Staatsbürgerschaft, die aber in Israel lebte, ist eines von zahlreiche Opfern bei dem „Tribe of Nova“-Festival, das am Wochenende in der Nähe zum Gazastreifen stattfand. Ob Louk noch lebt, ist unklar. Im Internet verbreitete sich ein Video, auf dem die Mutter ihre Tochter zweifelsfrei wiedererkannt haben will.

Unterdessen werden immer mehr Details zu dem Blutbad bekannt, das die Hamas beim Festival anrichtete.

Shani Louk ist in dem Video, auf das sich ihre Mutter bezieht, leblos auf der Ladefläche eines Pick-ups zu sehen, umringt von bewaffneten und feixenden Männern. Eine grölende Meute begleitet das Auto, einzelne Männer bespucken den Körper der Frau. Die Mutter, die aus Ravensburg stammt, wandte sich in einem Video an die Öffentlichkeit und bat um Hilfe, um das Schicksal ihrer Tochter aufzuklären. Ob Shani noch lebt, ist bislang völlig unklar.

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Shani Louk: Kreditkarte wurde offenbar am Samstagnachmittag benutzt

Die Mutter Ricarda Louk sagte der „Zeit“, sie habe noch am Samstag mit ihrer Tochter gesprochen, als der Angriff der Hamas bereits begonnen hatte. „Hast du einen Bunker in der Nähe?“, habe sie Shani gefragt. Diese habe versprochen, sich eine Zuflucht zu suchen. Danach sei der Kontakt abgebrochen. Einige Stunden später habe ein Freund der Familie das Video mit der leblosen jungen Frau geschickt. Sie habe ihre Tochter sofort erkannt, so die Mutter. Ricarda Louk glaubt zu erkennen, dass die Aufnahmen bereits im Gazastreifen entstanden.

Ricarda Louk sagt, sie habe eine Nachricht bekommen, dass am Samstagnachmittag jemand erfolglos im Gazastreifen versucht habe, die Kreditkarte ihrer Tochter zu benutzen. Das könne ein Lebenszeichen sein. Louk hofft, dass das Auswärtige Amt sich verstärkt des Schicksals ihrer Tochter annimmt.

Bis zu 250 Tote bei „Tribe of Nova“-Festival

Bei ihrem Großangriff auf Israel hatten bewaffnete Kämpfer der Hamas auf das Trance-Musikfestival, auf dem rund 3000 Menschen feierten, nach Angaben eines israelischen Rettungsdienstes am Samstag bis zu 250 Menschen getötet. Es gebe etwa „vier oder fünf Lastwagen, die jeweils 50 Leichen“ von dem Festivalgelände in der Nähe des Gazastreifens abtransportierten, sagte der Sprecher des israelischen Rettungsdienstes Zaka, Moti Bukjin, am Montag der Nachrichtenagentur afp. Er gehe von „etwa 200 bis 250 Leichen“ aus. Zahlreiche Menschen wurden auch als Geiseln genommen. Ihr Schicksal ist wie das von Shani Louk ungewiss.

Die „Zeit“ sprach ebenfalls mit einem Festival-Teilnehmer, der von entsetzlichen Szenen am Samstag berichtet. Der 24-jährige Raz Cohen sagt, er habe sich mit Freundinnen und Freunden unter der Bühne versteckt, damit die Hamas-Kämpfer sie nicht finden. Diese hätten in die Menschenmenge geschossen, es brach eine Massenpanik aus. Er selber flüchtete dann auch und habe sich über sechs Stunden in einem Gestrüpp an einem Bachlauf versteckt.

Drohnen-Video zeigt Ausmaß des Massakers bei „Tribe of Nova

Am Montag wurden immer mehr Details zu dem Hamas-Angriff auf das Festival bekannt. Die Zahl von 250 Toten könnte noch deutlich steigen, wenn man die Augenzeugen-Berichte und ein Drohnen-Video zugrunde legt. Das Video, das sich in den sozialen Netzwerken verbreitete und das von Experten als echt eingestuft wird, zeigt die Anzeichen der Panik, die sich unter den Besuchern verbreitete. Ging man zunächst von Luftangriffen aus, so ergriffen die überwiegend jungen Menschen die Flucht, als die Terroristen sich aus verschiedenen Richtungen und teilweise auch mit Gleitschirmen näherten. Die Besucher strömten zu ihren Fahrzeugen.

Zu sehen sind unzählige Autos, die mit offenen Türen am Straßenrand strandeten, weil sie durch Beschuss an der Flucht gehindert wurden oder einfach nicht mehr durchkamen.

Überlebende sprechen von einem Massaker. Die Terroristen seien von Baum zu Baum gegangen und hätten die Menschen, die sich dort versteckten, erschossen. Israelischen Medien zufolge sollen zahlreiche Frauen vergewaltigt worden sein, bevor sie getötet oder verschleppt wurden.

Tante von Shani Louk richtet Appell an Bundesregierung

Im Internet kursiert am Montag ein Video, das Shani Louk tanzend bei einem Festival zeigen soll. Offenbar wurde es von der 22-Jährigen auf ihrem Instagram-Account gepostet, der aber privat ist. Es wird behauptet, der Clip sei auf dem „Tribe of Nova“-Festival kurz vor dem Hamas-Überfall entstanden. Ob dies allerdings der Wahrheit entspricht oder das Video zu einem früheren Zeitpunkt entstand, ist unklar.

Auch die Tante von Shani Louk meldete sich inzwischen zu Wort. Orly Louk, die in Sulz am Neckar lebt, richtete einen emotionalen Appell an die deutsche Bundesregierung. „Wir bekommen hier keine Informationen, nur aus den Videos, und die Situation ist nicht gut“, sagte Orly Louk. „Die Verantwortung liegt bei der deutschen Regierung, jemanden zu schicken und meine Nichte von diesem Horror zu befreien“, sagte sie der dpa. (mit afp und dpa)

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