Das NRW-Gifttiergesetz, das die Haltung von besonders gefährlichen Kreaturen verbietet, soll entfristet werden. Wie viele dieser gefährlichen Tiere gibt es in NRW? Wer fängt sie ein, wenn sie ausbüxen? Und wo werden Kobra und Co. untergebracht, wenn sie beschlagnahmt wurden?
Kobras, Skorpione, Schwarze WitwenDie gefährlichsten Bewohner von NRW

Eine giftige arabische Kobra kriecht durch ihr Terrarium im Terrazoo Rheinberg.
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Wenn Jan Peters von „Kindheitstraum“ spricht und von „Faszination“, überkommt den Durchschnittsbürger das kalte Grauen. Ob nordamerikanische Viper, Kobra-Brillenschlange aus Asien, indische Tigervogelspinne, südafrikanischer Dickschwanzskorpion, kleinasiatische Bergotter oder Schwarze Witwe: Es ist extrem gefährlich, was der junge Mann in seinen hunderten Terrarien und Boxen untergebracht hat.
„Wer gebissen oder gestochen wird, hat ein echtes Problem und verliert trotz Krankenhaus schlimmstenfalls sogar sein Leben“, sagt Peters, der eigentlich anders heißt. Er ist der Leiter und Betreiber der Gifttier-Auffangstation des Landes NRW. Seine richtigen Namen möchte er aus Angst vor Aktionen militanter Tierrechtler nicht nennen. Auch den Standort der Station nennt der „Kölner Stadt-Anzeiger“ deshalb nicht.
„Dreifach-Täter“ aus Hagen
Aus NRW beherbergt der 35-Jährige derzeit 158 hochgefährliche Schlangen, 111 giftige Spinnen und 147 Skorpione, die entweder freiwillig abgegeben oder ihren Haltern von den Behörden weggenommen wurden. Die letzten Tiere kamen vor etwa einem Monat aus Hagen. Zwei giftige Schlangen und 22 Skorpione, heimlich gehalten, wurden in einer Wohnung beschlagnahmt.
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Parabuthus transvaalicus: Ein südafrikanischer Dickschwanzskorpion, fotografiert in der NRW-Auffangstation für Gifttiere.
Copyright: Philipp Straßburger
Der Besitzer der Tiere, dem das örtliche Veterinäramt die Haltung solcher Arten in der Vergangenheit bereits untersagt hatte, ist schon zum dritten Mal aufgefallen. Im November 2021 wurden über 50 giftige Reptilien aus seiner Wohnung und dem Keller geholt, im Juni 2022 Dutzende Skorpione, Spinnen und Piranhas. Zahlreiche Exemplare tummelten sich in nicht ausreichend gesicherten Plastikbehältern. Einige krabbelten oder krochen sogar frei herum oder bevölkerten Schubkästen.
NRW: 137 Halter mit 3865 giftigen Tieren
Gegen den Tierhalter wurde erneut ein Strafverfahren eingeleitet. Nach dem zum 1. Januar 2022 in Kraft getretenen Gifttiergesetz-NRW droht ihm bei einer Verurteilung eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe. Eigentlich würde das Gesetz Ende dieses Jahres auslaufen. Die Landesregierung will es aber entfristen. Der entsprechende Gesetzentwurf befinde sich derzeit in der Verbändeanhörung, teilte das nordrhein-westfälische Landwirtschaftsministerium auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit. Im Spätsommer oder Herbst solle sich dann das Kabinett mit dem Entwurf befassen, bevor er anschließend in den Landtag eingebracht wird.

Einer der Terrarien-Gänge in der Auffangstation.
Copyright: Philipp Straßburger
In diesem Zusammenhang seien erstmals die „Erfahrungen aus dem Vollzug“ der Vorschriften evaluiert worden, so das Ministerium. Zum Stichtag 31. Dezember 2024 gab es in NRW demnach „noch 173 gemeldete Halter mit 3.865 sehr giftigen Tieren“. Der überwiegende Teil (3321 Exemplare) waren Schlangen. Dazu kamen 435 Spinnen sowie 109 Skorpione. Ein kleiner Rückgang nach zwei Jahren: In der Anfangsphase des Gesetzes hatten 226 Personen dem Landesumweltamt mitgeteilt, insgesamt 4.589 Gifttiere zu halten.
Kölner Feuerwehr mit Schutzkleidung gegen Schlangenbisse
Wer die Tiere behalten wollte, musste mit der Meldung ein erweitertes Führungszeugnis sowie einen Nachweis über eine Haftpflichtversicherung vorlegen. Insgesamt kamen 213 Personen der Aufforderung damals nach. Das Gesetzt verbietet Privatpersonen seitdem die Anschaffung von Tieren, „die aufgrund ihrer starken Giftwirkung nach Bissen oder Stichen in der Lage sind, Menschen erheblich zu verletzen oder zu töten“. Es gibt nur noch den Bestandschutz für bereits gehaltene Exoten.

Tigervogelspinne, fotografiert in der NRW-Auffangstation für Gifttiere.
Copyright: Philipp Straßburger
Wenn illegal gehaltene Tiere entdeckt und konfisziert werden, kommt meist die Feuerwehr zum Einsatz. In Köln ist der unter anderem mit spezieller Schutzkleidung, Käfigen, Fangschlingen oder Schlangensäcken ausgerüstete „Gerätewagen Tiertransport“ auf der Feuer- und Rettungswache 8 (Ostheim) stationiert. Im vergangenen Jahr gab es 1.118 Einsätze im Zusammenhang mit Tieren. Am häufigsten ging es dabei um das Einfangen von sogenannten Fundtieren, die häufig verletzt sind.
Korallenschlange im Kölner Stadtteil Klettenberg gesucht
Gifttiere sind nur selten im Spiel. Beispielsweise im Februar 2021, als in Klettenberg eine sechs Monate alte südafrikanische Korallenschlange aus ihrem Terrarium ausbüxte. Nach erfolgloser Suche informierte der Besitzer die Feuerwehr. Die circa 20 Zentimeter lange Giftschlange von geringem Durchmesser, deren Biss ein Nervengift freisetzt, war ein Jungtier – somit waren die Giftmengen nach Expertenmeinung nicht vergleichbar mit denen eines ausgewachsenen Tieres.
Der Einsatz zeigt, wie aufwendig und trickreich eine Suche sein kann. Die Kölner Feuerwehr, die im engen Austausch mit Fachleuten des Kölner Zoos stand, versiegelte die betroffene Wohnung und kontrollierte Keller- und Außenbereiche. Alle Nachbarn im Zehn-Parteien-Haus mussten ihre Wohnungen verlassen. Abfallbehälter wurden von der „Fachgruppe Reptilien“ der Feuerwehr Düsseldorf überprüft.
In der Wohnung des Schlangen-Eigentümers wurde Mehl gestreut, um Kriechspuren zu erkennen. „Kriechsperren“ in einigen Räumen und im Flur sollten eine weitere Flucht verhindern.
Suche mit Mehl, Endoskop, Kriechsperren und Futterfallen
Anschließend wurden mit Kamera- und Endoskoptechnik schwer zugängliche Bereiche kontrolliert. Mit ausgelegten Wärmequellen und Futterfallen wurde versucht, das Tier anzulocken. Da es sich um eine wechselwarme Schlange handelte, deren Aktivität von der Außentemperatur abhängt, war ein Verlassen des Hauses bei den im Februar herrschenden Außentemperaturen unwahrscheinlich. Das Tier wäre nach der Einschätzung von Experten umgehend in eine „Kältestarre“ verfallen und bei länger anhaltenden Minusgraden auch verendet.
Die Schlange wurde schließlich noch am Abend wohlbehalten in der Wohnung des Reptilienbesitzers gefunden. Sie war gerade auf dem Weg zu einer der aufgestellten Futterfallen. Die nordrhein-westfälischen Feuerwehren sind nicht flächendeckend im Umgang mit gefährlichen Arten geschult, beklagt Christoph Schöneborn, Landesgeschäftsführer des Verbands der Feuerwehren in NRW. Unter den 396 Städten und Gemeinden Nordrhein-Westfalens laufe die Feuerwehrarbeit in 288 Kommunen rein ehrenamtlich - nicht jede kleine Gemeinde könne solche Schulungen organisieren. Dafür seien die Fallzahlen auch zu gering.
Feuerwehrverband forderte zentrale Landesstelle für Gifttier-Einsätze
„Allerdings hat die Bedeutung des Themas in den letzten zehn, 15 Jahren zugenommen“, sagt Schöneborn. Sein Verband rege deshalb schon länger eine zentrale Landesstelle an, wo die Feuerwehren Expertenrat zu Gifttieren einholen könnten. „Das wäre sehr sinnvoll und würde auch die Einsatzkräfte schützen.“ Oft gehen die Rettungskräfte so vor: Sie schicken Fotos an einen externen Experten und holen eine schnelle Einschätzung ein.
Die Kölner Feuerwehr beispielsweise hat eine Liste unterschiedlicher Experten. Bei der Feuerwehr in Bochum heißt es, sie greife bei verdächtigen Spinnen oder Schlangen auf das Fachwissen des örtlichen Tierparks zurück. In Dortmund nimmt die Feuerwehr gemeldete Fundtiere aller Art in einem speziellen Gerätewagen auf - sollten das in seltenen Fällen mal eine Vogelspinne oder eine Schlange sein, sei auch hier externen Sachverstand gefragt.
Einsatz im Blumenladen
Gelegentlich werden diese Anfragen auch an die Düsseldorfer Feuerwehr gestellt, die, in NRW einzigartig, über eine spezielle Reptilien-Gruppe verfügt. Die Expertise des siebenköpfigen Teams ist bundesweit gefragt. Hilfeersuchen gehen auch hier häufig mit Fotos ein. „Wenn das Tier auf dem Bild gut erkennbar ist, kann ich oft recht schnell Entwarnung geben“, sagt Christoph Müller von der Expertengruppe.
Kürzlich kam ein Alarm aus einem Blumenladen. Das unbekannte Wesen entpuppte sich als harmloser Molch. Auf einem Bürgersteig in Düsseldorf war eine Kornnatter unterwegs. „Das sind kleine Ausbruchskünstler, aber nicht giftig.“ Mal muss man etwas länger suchen, mal geht es zügig voran. „Man kennt ja einige Vorlieben: Eine Natter klettert gern, ein Königspython verkriecht sich eher in eine dunkle Ecke und ein wärmeliebendes Reptil legt sich gerne hinter einen Heizkörper“, so Müller. Seine Einheit schult Feuerwehr-Einsatzkräfte regelmäßig, auch praktisch - auf einer Tierfarm im Harz.
NRW zahlt täglich 14,03 Euro für die Unterbringung einer Schlange
„Wir üben den Umgang mit Riesenschlangen, Giftschlangen, Skorpionen und anderen Gifttieren“, erzählt der Experte. Ein weiterer Auftrag: Patientinnen und Patienten nach Bissen von Gifttieren schnellstmöglich mit dem richtigen Antiserum versorgen. An der Uniklinik Düsseldorf befinde sich einer von bundesweit mehreren Serum-Standorten. Die Reptilien-Fachgruppe berät und unterstützt bei der Auswahl des geeigneten Serums, das in Eilfällen per Hubschrauber transportiert werden muss.

Ceylon Bambusotter, Tigervogelspinne, fotografiert in der NRW-Auffangstation für Gifttiere.
Copyright: Philipp Straßburger
Falls das NRW-Gifttiergesetz tatsächlich vom Landtag entfristet werden sollte, wird sich Jan Peters wieder an der Ausschreibung zur Unterbringung beschlagnahmter Tiere beteiligen. Derzeit bekommt er pauschalisierte Tagessätze für die einzelnen Gattungen. Für Giftschlangen erhalte er 14,03 Euro pro Tier und Tag, für Spinnen 12,27 Euro und für Skorpione 9,23 Euro, heißt es aus dem Landwirtschaftsministerium. Bei der Versorgung gelte „das Vier-Augen-Prinzip, das heißt es müssen aufgrund der Giftigkeit immer zwei Personen bei den Tätigkeiten anwesend sein, damit im Falle eines Bisses Notfallmaßnahmen eingeleitet werden können". Zudem hätten die Exoten „in der Regel spezielle Ansprüche (Temperatur, Ausstattung, Beleuchtung, Futterspezialisten), so dass die Haltung oft mit hohen Kosten einhergeht“.
Experte fordert Ausnahmen zum NRW-Verbot, Gifttiere neu anzuschaffen
Na ja, die Entlohnung gehe „halt so eben“, betont Peters. Ihn treibe ein anderes Thema um. „Das absolute Anschaffungsverbot, ohne Ausnahmetatbestände für Privatpersonen“, sagt er. Dies sei außerhalb von NRW, im Saarland etwa oder in Hamburg, meist nicht so. „Dass man als Privathalter überhaupt keine Möglichkeit haben soll, legal eines dieser Tiere zu halten, auch wenn man alle erdenklichen Vorgaben penibel einhält.“
So würden „echte Tierliebhaber in die Illegalität“ getrieben, glaubt Peters. Und wenn die Halter ihre Tiere dann naturgemäß nicht offiziell anmelden, könnten das Veterinäramt auch nicht die Zustände vor Ort prüfen. „Die Gefahr, dass etwas aus dem Ruder läuft, wird dadurch doch noch viel größer.“