Die Sicherheitslage ist angespannt, die Branche Nachrichtendienst boomt. Nun soll eine Behörde mit Sitz in Köln aufgerüstet werden: der Militärische Abschirmdienst, kurz MAD.
SpionageabwehrKöln wird zur Nachrichtendienst-Hauptstadt

Das ist die Toreinfahrt zur Konrad-Adenauer-Kaserne in Köln, wo der Militärische Abschirmdienst (MAD) seinen Hauptsitz hat.
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Anfang des Jahres erschienen mehrmals Drohnen über dem Luftwaffenstützpunkt Schwesing in Schleswig-Holstein. Minutenlang verharrten sie in der Luft. Versuche, sie mit Störsendern zur Landung zu zwingen, blieben wirkungslos. Vermutlich Spezialgeräte, hieß es später in einem Lagebericht der Bundeswehr, über den die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete, möglicherweise gesteuert von Schiffen im Meer. Das Verteidigungsministerium ermittelte demnach wegen des Verdachts der Spionage, auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) sei involviert. In Schwesing befindet sich das Ausbildungszentrum Flugabwehrraketen.
Einige Monate zuvor, in der Nacht zum 14. August 2024, schlugen die Sensoren am Wasserwerk der Luftwaffenkaserne in Köln-Wahn Alarm. Wachleute rückten zur Kontrolle aus, fanden einen Eindringling, er flüchtete. Kurz darauf wurde ein Loch im Zaun entdeckt. Die Bundeswehr riegelte die gesamte Kaserne ab, sie befürchtete eine Kontamination des Trinkwassers. Polizei, Feldjäger und MAD ermittelten. Später gaben Tests Entwarnung: Das Trinkwasser war sauber.
Seit dem russischen Angriffskrieg sind die Nerven angespannt
Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine sind die Nerven angespannt. Drohnensichtungen legten im September Flughäfen in ganz Europa lahm, Sicherheitsbehörden warnen deutsche Unternehmen vor möglichen Sabotageakten im Auftrag Russlands. Gleichzeitig steigen die Rheinmetall-Aktien auf ein Rekordhoch. Neben der Rüstungsindustrie boomt in diesen Zeiten eine weitere Branche: die Nachrichtendienste.
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Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sitzt in Chorweiler.
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Das zeigt auch ein Blick in die Statistik. Das Bundesamt für Verfassungsschutz mit Sitz in Köln-Chorweiler hat heute 60 Prozent mehr Mitarbeiter als vor zehn Jahren, sein Budget hat sich in derselben Zeitspanne mehr als verdoppelt. Der Bundesnachrichtendienst (BND) rekrutiert Spione mit der selten offensiven Werbekampagne „Wir suchen Terroristen (m/w/d)“ und freut sich ebenfalls über mehr Geld: Die Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt für den Auslandsnachrichtendienst lagen 2024 etwa 450 Millionen Euro über dem Budget von 2014.
Den größten Budget-Zuwachs verzeichnet jedoch der Militärische Abschirmdienst, kurz MAD. Im Jahr 2014 flossen 72 Millionen aus dem Bundeshaushalt dorthin, zehn Jahre später waren es fast dreimal so viel. Für 2026 ist ein Rekord-Budget angesetzt: 302 Millionen Euro. Es ist nicht die einzige Veränderung beim MAD. Die Bundesregierung will dem Nachrichtendienst der Bundeswehr deutlich mehr Befugnisse geben. Das geht aus einem Gesetzesentwurf hervor, den das Kabinett im August beschloss.
Nachrichtendienst soll Brigade Litauen schützen
Der MAD ist der kleinste der drei deutschen Nachrichtendienste und hat seine Zentrale, wie auch der Verfassungsschutz, in Köln – was die Stadt wohl zur Nachrichtendienst-Hauptstadt der Bundesrepublik macht. Während der Verfassungsschutz in seinem Betonklotz in Chorweiler sitzt, zog der MAD in den Kölner Süden, nach Raderthal in die Konrad-Adenauer-Kaserne. Die Zentrale in Köln ist nicht die einzige Gemeinsamkeit: Der MAD fungiert als eine Art Verfassungsschutz der Bundeswehr und führt Sicherheitsüberprüfungen beim Personal durch. Zwei Bedingungen müssen erfüllt sein, damit der MAD tätig werden kann. Erstens: Extremistische Vorfälle und Spionage müssen sich innerhalb der Bundeswehr beobachten lassen. Zweitens: Sie richten sich in ihrem Handeln gegen den Verteidigungsbereich.

Markus Ogorek ist Direktor des Instituts für Öffentliches Recht der Universität Köln.
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Das soll sich mit dem neuen MAD-Gesetz ändern. „Die Doppelklammer wird jetzt aufgelöst“, erklärt Markus Ogorek, Direktor des Instituts für Öffentliches Recht der Universität Köln. Der MAD darf dann – in Absprache mit dem Verfassungsschutz – auch Personen beobachten, die nicht in der Truppe dienen, wenn sie sich gegen diese richten. Die zweite zentrale Änderung: Der MAD soll künftig auch außerhalb Deutschlands agieren.
Hintergrund ist die Brigade Litauen, die in Vilnius die Nato-Ostflanke schützen soll. Im April wurde sie formal in den Dienst gestellt, bis Ende 2027 soll sie voll einsatzfähig sein und 5000 deutsche Soldaten umfassen. Ihre Stationierung ist dauerhaft. Es ist der erste Auslandseinsatz seit langem, bei dem deutsche Soldaten – anders als in Afghanistan und Mali – die streng geschützten Stützpunkte verlassen. Auch deshalb will der MAD in Litauen einen Außenposten errichten.

Mai 2025, Vilnius: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) nehmen am Aufstellungsappell der Panzerbrigade 45 teil.
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Eigentlich fällt das Ausland in die Zuständigkeit des Bundesnachrichtendienstes mit Sitz in Berlin. Sein Aufgabenfeld ist breit: Der BND überwacht die Kampfhandlungen in der Ukraine, den Kokainschmuggel aus Kolumbien, Waffenhandel im Sudan. „Als einziger deutscher Nachrichtendienst verfügt der BND über das Instrument der strategischen Aufklärung, darf also umgangssprachlich Massenabhören von Ausländern im Ausland durchführen“, sagt Ogorek. Diese Informationen könnten auch beim Schutz der Brigade Litauen helfen.
„Der BND verfügt aber nicht unbedingt über die Mittel, um in klassischer Manier einer Verfassungsschutzbehörde vor Ort zu prüfen, dass Bundeswehrsoldaten nicht abends in einer litauischen Kneipe von russischen Agenten angesprochen werden oder sich durch halbseidene Freizeitaktivitäten erpressbar machen.“ Die Folge: Der MAD bekommt bei der Spionageabwehr mehr Befugnisse und darf künftig in Absprache mit dem BND auch außerhalb der Kasernen im Ausland tätig werden.
MAD spricht von „zeitgemäßem“ Gesetz
Für die Novelle sei die sicherheitspolitische Lage entscheidend, so Ogorek; das MAD-Gesetz sehe „deutliche Sonderbestimmungen im Spannungs- und Verteidigungsfall“ vor, die Spionageabwehr wird massiv ausgebaut. Weniger Neuregelungen gibt es bei der Abwehr von Extremismus in der Bundeswehr. In den letzten Jahren fanden MAD-Ermittlungen vor allem ihren Weg in die Öffentlichkeit, wenn Munition und Sprengstoff verschwanden und Rechtsextremisten sich in Elite-Einheiten tummelten. „Insbesondere rechtsextremistische oder reichsbürgerähnliche Bestrebungen stellen weiterhin eine erhebliche Herausforderung für die Truppe dar“, sagt Ogorek. Rund drei Viertel der nachrichtendienstlichen Operationen, die der MAD im vergangenen Jahr durchführte, betrafen den Rechtsextremismus.
Mit der Novelle werde ein „zeitgemäßes und einsatzrealitätsnahes Gesetz geschaffen“, schreibt ein Sprecher des Bundesamts für den militärischen Abschirmdienst auf Anfrage. „Ziel ist es, der Spionage und der Sabotage sowie politisch motiviertem Extremismus und Terrorismus mit allen zulässigen Mitteln des demokratischen Rechtsstaats entgegenzutreten und dabei die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr zu schützen.“ Dies gelinge nur mit „zeitgemäßen Befugnissen“ für den MAD.

Martin Jäger, Präsident des Bundesnachrichtendienstes, und Martina Rosenberg, Präsidentin des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst, nehmen an der öffentlichen Anhörung der Präsidenten der Nachrichtendienste durch das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags teil.
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Auf welche „zeitgemäße“ Lage der MAD anspielt, machte Behördenchefin Martina Rosenberg bei einer Sitzung des parlamentarischen Kontrollausschusses im Oktober deutlich. „Gegnerische Akteure“ würden versuchen, die Bundeswehr zu unterwandern, warnte sie. „Sabotageakte, Desinformationskampagnen zur Wahlbeeinflussung, Brandstiftungen, Drohnenüberflüge über zivilen sowie militärischen Liegenschaften, verursachen gerade in Europa Unsicherheit und ein Gefühl von Machtlosigkeit“, so Rosenberg. „Gleichzeitig stellen extremistische Strömungen innerhalb und außerhalb der Bundeswehr eine wachsende Bedrohung für unsere demokratischen Werte und die Einsatzbereitschaft unserer Truppen dar.“ Die auf den Weg gebrachte Reform der gesetzlichen Grundlage sei dringend nötig.
Der Militärische Abschirmdienst ist nicht der einzige Nachrichtendienst, dessen Rechte deutlich ausgeweitet werden. Bereits Anfang November verabschiedete der Düsseldorfer Landtag eine Reform des NRW-Verfassungsschutzes, das der Behörde deutlich mehr Befugnisse zur digitalen Überwachung gibt. Im Frühjahr 2026 soll auch der BND mit einem neuen Gesetz ausgestattet werden, der Dienst soll nach Wunsch seines Behördenleiters operativer werden, anschlussfähiger. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz darf mit gesetzlichen Anpassungen rechnen. Diese, sagt Ogorek, dürften jedoch „weniger umfangreich ausfallen“ als das neue MAD-Gesetz.

