NRW-InnenausschussLützerath: Ermittlungen gegen Polizisten wegen sexueller Belästigung

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Zwei Polizisten ziehen einen Demonstranten während der Proteste gegen den Abriss von Lützerath weg.

Zwei Polizisten ziehen einen Demonstranten während der Proteste gegen den Abriss von Lützerath weg.

Im Innenausschuss des NRW-Landtags werden neue Details zu den Protesten in Lützerath öffentlich.

Der illegale Marsch von rund 1000 Demonstranten auf das geräumte Braunkohledorf Lützerath und zur Abbruchkante des Tagebaus Garzweiler II bei der Großdemonstration am vergangenen Samstag ist nach Auffassung des NRW-Innenministers von der linksextremistischen Szene von langer Hand vorgeplant worden.

„Es wurde mir berichtet von Menschen, die komplett schwarz gekleidet waren, Hosenbeine, Arme und sonstige Körperteile unter der Kleidung abgepolstert hatten, Masken und Brillen gegen Reizgas getragen haben und komplett vermummt waren“, sagt Herbert Reul (CDU) am Donnerstag bei einer Sitzung im Innenausschuss des Landtags, bei dem es um die Aufarbeitung eines der größten Polizeieinsätze der NRW-Geschichte geht. „Diese Störer-Aktion war gesteuert.“

Neue Details zu Lützerath: „Schwarzer Block“ mit 300 bis 400 Personen soll Polizei attackiert haben

Nach den Erkenntnissen der Polizei handelt es sich bei dem sogenannten schwarzen Block um 300 bis 400 Personen. Es sei mit Steinen und mit Pyrotechnik gezielt auf Einsatzkräfte geworfen worden. „Man hat Polenböller in Schlammklumpen verpackt, um eine höhere Reichweite zu erzielen.“

Alles zum Thema Herbert Reul

Mit Erstaunen nehme er zur Kenntnis, dass es dem schwarzen Block gelungen sei, einen kleinen Teil der Demonstranten für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Die Strategie der Entgrenzung sei aufgegangen. Der weitaus überwiegende Teil der Demonstranten, die von der Polizei auf 15000 geschätzt wird, habe sich korrekt und friedlich verhalten.

Unter den rund 1000, die am Ende in Lützerath angekommen seien, habe es bis zu 600 gegeben, die nicht der linksextremistischen Szene zuzurechnen seien. Diese „Mischszene“ bereite ihm Sorgen, so Reul. Bis zur Räumung der Ortschaft seien Organisationen wie die „Interventionistische Linke“, „Ums Ganze“ und „Ende Gelände“, die zum Teil vom Verfassungsschutz beobachtet werden, nicht dominierend gewesen. Das habe sich bei der Großdemonstration geändert.

Der Frage, warum sich ein Teil der zivildemokratischen Gruppen nicht rechtzeitig distanziert habe, müsse nachgegangen werden. Bei Parolen wie „Zwischen Bullenhelm und Nasenbein passt immer noch ein Pflasterstein“ oder „Cops töten“ höre „der Spaß auf“, so Reul. Aufrufe vor dem Weg nach Lützerath, jeder müsse selbst entscheiden, was er tue oder die Rechtfertigung von Gewalt als zwar illegales, aber legitimes Mittel zu bezeichnen, „gehen mir zu weit“.

An der Tagebaukante sei bei der Demo ein Polizeipferd durch den Einsatz von Silberfolien bewusst scheu gemacht worden, bis es mitsamt der Reiterin durchgegangen und auf die Tagebaukante zugaloppiert sei. Die Beamtin habe unter dem Gejohle der Demonstranten gerade noch abspringen können und das Pferd dann gestoppt.

Innenausschuss in NRW zu Lützerath: Störer greifen gezielt nach Schusswaffen von Polizisten

Auch sei berichtet worden, dass Störer gezielt nach den Schusswaffen von Polizisten gegriffen hätten. „Teilweise ist es gelungen, eine der Sicherungen am Holster schon zu lösen“, sagte Reul. „Ich will mir gar nicht ausmalen, was da hätte passieren können.“

Der eigentliche Räumungseinsatz in Lützerath, bei dem in der Spitze bis zu 3700 Polizisten eingesetzt waren, sei gut vorbereitet worden, die Strategie der Deeskalation aufgegangen. Reul bedankt sich ausdrücklich bei den vielen Besetzern, die das Dorf freiwillig geräumt haben.

Reul bedankt sich bei friedlichen Besetzern

Dass 372 Menschen der Aufforderung der Polizei gefolgt sind, „war eine große Hilfe“. Insgesamt wurden von 159 Besetzern die Personalien festgestellt, zehn sitzen noch in Gewahrsam. Ihnen werden Hausfriedensbruch, Widerstand gegen die Staatsgewalt oder gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Insgesamt seien vor und mit Beginn der Räumung rund 430 Straftaten erfasst worden, weitere 50 im Zusammenhang mit der Großdemonstration am vergangenen Samstag.

Ermittelt wird nach Angaben des Innenministers auch gegen vier Polizeibeamte wegen des Vorwurfs der Körperverletzung und in einem Fall wegen sexueller Belästigung. „Wir schauen uns den Einsatz im Rahmen der Nachbereitung sehr genau an“, sagt Reul. „Wer Fehler gemacht hat, wird zur Rechenschaft gezogen.“

Den Vorwurf unverhältnismäßiger Gewaltanwendung, den Greta Thunberg, Luisa Neubauer und andere Klimaaktivistinnen erhoben hatten, weist der Innenminister zurück. Die schwerste Verletzung bei der Demo sei eine Gehirnerschütterung gewesen. In den meisten Fällen habe es sich um Fuß-, Bein-, Arm- und Handverletzungen sowie um Platzwunden gehandelt.

Weniger als 20 Demonstrantinnen und Demonstranten seien im Klinikum Erkelenz behandelt worden, gab das Klinikum im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ an. Nach der Demonstration gegen den Räumungseinsatz am vergangenen Samstag habe das Krankenhaus außerdem sieben leicht verletzte Polizeikräfte versorgt.

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