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Zwei Verdächtige aus NRWChatgruppe „Schweinetreff“ soll hinter hunderten Bombendrohungen stecken

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Das Essener Einkaufszentrum Limbecker Platz musste 2024 geräumt werden.

Das Essener Einkaufszentrum Limbecker Platz musste 2024 geräumt werden. (Archivbild)

Das Bundeskriminalamt ermittelt gegen vier Verdächtige, die bundesweit mit falschen Bombendrohungen Einsätze ausgelöst haben sollen.

Die Chatgruppe nannte sich „Schweinetreff“. Eine kriminelle Online-Gruppierung mit vier Hauptakteuren im Alter zwischen 16 und 23 Jahren. Die Teilnehmenden kommunizierten einzig über virtuell in einem Messengerdienst. Das Ziel dieser Verbindung fiel simpel aus: mittels hunderter Bombendrohungen gegen Schulen, Hauptbahnhöfe, Einkaufszentren und andere städtischer sowie öffentlicher Einrichtungen bundesweit so viel Unruhe wie möglich zu stiften.

Am Dienstagmorgen durchsuchten Beamte des Bundeskriminalamts (BKA) im Auftrag der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main mehrere Objekte der Vierer-Gruppe und eines Zeugen. „Den Beschuldigten wird unter anderem die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen“, erklärte Oberstaatsanwalt Benjamin Krause. Zu den Tatverdächtigen zählt neben einem 23-Jährigen aus Frankfurt/Main sowie einem 16-jährigen Schüler aus Niedersachsen nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ ein 16-Jähriger aus Herne und ein 20-Jähriger aus Dortmund.

Letzterer soll bereits in der Vergangenheit bei der Polizei aktenkundig geworden sein. So stand er im Verdacht des sogenannten „Swattings“ – einer Masche, bei der ein anonymer Anrufer bei der Polizei mittels falscher Angaben einen Einsatz auslöst, der seinen Mobbingopfern gilt. Zudem soll der Dortmunder auch illegalerweise Personendaten anderer Menschen im Internet veröffentlicht haben. Experten sprechen vom „Doxxing“ (abgeleitet von „docs“/„dox“, Abkürzung des englischen Wortes „documents“). Bisher gingen diese Fälle nicht vor Gericht.

Ermittler sehen keinen politischen oder religiösen Hintergrund

Mit Blick auf die aktuelle Razzia und die wiederkehrenden Bombendrohungen seit dem Frühjahr 2024 spricht Oberstaatsanwalt Krause von einer „asozialen Betätigung“ der Urheber. Zumal diese Gruppe in ihren anonymen Mails häufig islamistisch motivierte Anschläge angekündigt habe, um ihre wahre Identität zu verschleiern. „Wir konnten bei keinem der vier Beschuldigten einen politischen oder religiösen Hintergrund feststellen“, erklärt der ZIT-Sprecher.

Dr. Benjamin Krause (Oberstaatsanwalt) spricht bei einer Pressekonferenz. (Archivbild)

Dr. Benjamin Krause (Oberstaatsanwalt) spricht bei einer Pressekonferenz. (Archivbild)

Das Motiv bestehe nach seiner Einschätzung einzig allein darin, soviel mediale Aufmerksamkeit wie möglich zu generieren. „Eine höchst perfide Masche, da die Drohsachverhalte bundesweit in hunderten Fällen Polizeieinsätze ausgelöst haben“, führte der Frankfurter Ankläger aus.

Hoher Schaden durch Einsätze – auch psychologisch belastend

So etwa im Mai 2024, als das Einkaufszentrum Limbecker Platz in Essen nach einer Droh-Mail geräumt wurde. Sprengstoffspürhunde schnüffelten erfolglos durch das rund 70.000 Quadratmeter große Einkaufscenter. Im September wurde der Bahnhof Neunkirchen aufgrund weiterer Drohnachrichten gesperrt. Der Bahnverkehr kam zum Erliegen. Einen Monat später ließen die Sicherheitsbehörden das Funkhaus des Mitteldeutschen Rundfunks in Magdeburg räumen. Kurz vor Weihnachten ereilte ein Einkaufszentrum in Sachsen-Anhalt sowie eine Schule in Bad Hersfeld dasselbe Schicksal.

Sven Kurenbach ist der Vizepräsident des Bundeskriminalamtes (BKA).

Sven Kurenbach ist der Vizepräsident des Bundeskriminalamtes (BKA).

Den vorläufigen Sachschaden durch die Evakuierungsmaßnahmen bezifferten die Strafverfolger auf einen hohen fünfstelligen Betrag. „Daneben wirken sich Evakuierungen und Polizeieinsätze besonders in Schulen psychologisch belastend auf Schülerinnen, Schüler und Lehrpersonal aus“, ließen BKA und ZIT in einer Pressemitteilung wissen. „Auch besteht die Gefahr, dass im speziellen Fall aufgrund der vielen eingehenden Drohsachverhalte diejenigen untergehen, die eine tatsächliche Gefahr darstellen.“ Neben Deutschland waren auch Einrichtungen in Österreich betroffen.

Drohmails können für die Absender teuer werden

Laut BKA-Vizepräsident Sven Kurenbach zeigt „das entschlossene Handeln der Strafverfolgungsbehörden, dass das Internet trotz vermeintlicher Anonymität keinen rechtsfreien Raum darstellt. Darüber hinaus können derartige Drohmails für den Absender zusätzlich sehr teuer werden, denn Großeinsätze der Polizei sind mit hohen Kosten verbunden.“ ZIT-Leiter Krause ergänzte: „Die heutigen Maßnahmen verdeutlichen, dass es sich bei den vorgeworfenen Handlungen nicht um harmlose Streiche, sondern um Straftaten handelt, die einen enormen finanziellen Schaden anrichten und zugleich das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung massiv beeinträchtigen können.“

Zuletzt hatte die zentrale hessische Cyberabwehrstelle im September 2024 die Online-Gruppierung „New World Order“ ausgehoben. Das Ziel dieser IT-Kriminellen war systematisches Cybermobbing und Cyberstalking.