„Moderne Sklaverei“Deutsche Supermärkte verdienten in der Pandemie Milliarden

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Die Arbeits- und Lohnbedingungen im Kaffeeanbau sind teilweise schlecht.

München – Wenn es nach der Hilfsorganisation Oxfam geht, steht das neue deutsche Lieferkettengesetz vor einer ersten Bewährungsprobe. Denn während sich die Lage auf Kaffeeplantagen in Brasilien, Teeplantagen in Indien oder dem Weinanbau Südafrikas für dortige Pflücker in der Pandemie weiter verschlechtert hat, seien Supermärkte und Discounter hierzulande zu ausgesprochenen Corona-Gewinnern geworden.

Dieser Vorwurf wird in einer Oxfam-Studie namens „Pandemie-Profiteure und Virus-Verlierer*innen“ gemacht. Oxfam lägen Belege für eine Verbindung deutscher Supermarktketten zu brasilianischen Plantagen vor, die auf einer „schmutzigen Liste“ der dortigen Regierung stünden, sagt Oxfam-Menschenrechtsexperte Tim Zahn.

Gegenüber Oxfam habe die Branche von Discountern wie Lidl und Aldi bis zu Supermärkten wie Rewe das zwar bestritten, räumt der Aktivist ein. Nur Edeka habe sich einer Stellungnahme verweigert. Vor einem Gericht in Brasilien habe der Vertreter einer Kooperative, die viele deutsche Supermärkte und Discounter beliefert, aber gestanden, Kaffee von Plantagen zu beziehen, wo Menschenrechte verletzt würden. Es gebe auch brasilianische Regierungsgutachten, die das bestätigen.

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Unumstritten ist, dass Lidl, Rewe & Co in der Pandemie gut verdient haben. Konsumforscher der Nürnberger GfK-Gruppe haben errechnet, dass Discounter ihre Umsätze im Corona-Jahr 2020 um 8 Prozent und Supermärkte um 17 Prozent steigern konnten. Das ist manch reichem Besitzer der Ketten zugute gekommen.

So seien die Vermögen von Beate Heister und Karl Albrecht Junior als Haupteigner*innen von Aldi Süd voriges Jahr von 18 auf 25 Milliarden Euro geklettert sowie die von Dieter Schwarz, zu dessen Gruppe Lidl zählt, um rund ein Drittel. Bei diesen Berechnungen beruft sich Oxfam auf den Milliardärsindex der Nachrichtengruppe Bloomberg.

Selbst ermittelt hat Oxfam, dass ein indischer Teepflücker voriges Jahr gerade einmal 1,91 Euro Tageslohn erhalten hat. Zur dortigen Existenzsicherung seien aber gut 10 Euro täglich nötig. Im Kaffeesektor Brasiliens betrage die Lücke zwischen gezahlten und existenzsichernden Löhnen 40 Prozent. Dabei habe es relativ gut, wer überhaupt noch Arbeit hat. Während der Pandemie habe vor allem viel weibliches Plantagenpersonal den Job verloren.

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Wer noch arbeitet, werde weder vor Corona geschützt noch vor Pestiziden im Anbau. Schutzkleidung müssten sich Pflücker*innen oft selbst kaufen und sich dafür bei Plantagenbesitzern verschulden, was es unmöglich mache, den Arbeitsplatz zu wechseln. Oxfam nennt die Zustände moderne Sklaverei.

Oxfam: Arbeiter kämpfen um ihre Existenz 

„Während die Supermarktketten Kasse machen, kämpfen die Arbeiter*innen, die unser Essen herstellen, um ihre Existenz“, kritisiert Zahn. Die Ungleichgewichte hätten sich während der Pandemie verstärkt. Wer auf Traubenplantagen in Südafrika arbeite oder im indischen Teeanbau, erhalte gerade ein Prozent des Verkaufspreises entsprechender Produkte hierzulande.

Der Aktivist musste aber einräumen, dass es auch für Oxfam schwierig sei, die Lieferketten im Detail von menschenrechtsverachtenden Plantagen bis in deutsche Handelsfilialen nachzuvollziehen.

Nur im Fall brasilianischen Kaffees glaubt Oxfam diesen Beweis lückenlos antreten zu können. Der Report müsse für deutsche Discounter und Supermarktketten aber nun Anlass sein, ihre Lieferketten gezielt zu prüfen, wie es das neue Lieferkettengesetz bei „substanziierter Kenntnis“ von Verstößen gegen Menschenrechte vorsehe, fordert Zahn. Lidl und Rewe haben zum Report vorerst keine Stellung genommen.

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