Serienstart bei Disney+„Andor“ ist Star Wars für Erwachsene

Lesezeit 4 Minuten

Cassian Andor lässt sich vom Schicksal treiben, bis er eines Tages einem leidenschaftlichen Rebellen begegnet. Die Serie „Star Wars: Andor“ (Start am 21. September) erzählt vom Widerstand gegen die Diktatur des Imperiums. Und sie tut das auf eine völlig unheroische Art, die die dunkle Seite der Macht noch viel dunkler wirken lässt.

„Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis“, da traf Cassian Andor in einer Spelunke auf dem Planeten Morlana One auf eine geheimnisvolle Lady. Er hatte ein Kästchen aus den Beständen des Imperiums zu verkaufen, das Raumschiffe unverfolgbar macht.

Zwei Schergen des Imperiums heften sich an seine Fersen. Als Erster stirbt der dünne Imperiale, dann sein teigiger Kollege. Wer die Truppen des Imperators dezimiert, ist selbstverständlich des Todes. Cassian Andor, Held der neuen „Star Wars“-Serie „Andor“, wird zur Jagd freigegeben.

Cassian Andor kennen wir aus dem Film „Rogue One – A Star Wars Story“. Die erzählte von den Tagen direkt vor dem ersten „Star Wars“-Film „Krieg der Sterne“ aka „Eine neue Hoffnung“ (1977). Damals, wir erinnern uns, überbrachte ein kleiner, blau-weißer Droide, von der Gestalt her einem Mülleimer nicht unähnlich, die wichtigste Botschaft für die in der Defensive befindlichen Guten eines langen Sternenkrieges an Prinzessin Leia Organa. Es waren die Pläne für den Todesstern des Imperators.

Diese gravierendste aller Massenvernichtungswaffen des Imperiums war am Ende von „Eine neue Hoffnung“ allerdings so einfach zum Zerplatzen zu bringen wie ein Blechbriefkasten durch Silvesterböller. Und als dann der Abspann lief und die erste Begeisterung der Sci-Fi-Maniacs abgeklungen war, fragte man sich doch, wie diese Ingenieursdilettanten von der dunklen Seite je an die Macht gelangen konnten.

Diego Luna spielt einen Ziellosen, der seinen Lebenssinn bekommt

Genau diese Unstimmigkeit wurde in „Rogue One“ behoben. Boshafte Zeitgenossen nannten den Film die wohl teuerste Korrektur eines Plot-Lochs. Aber er war gut gelungen, ein handfester Kriegsfilm, der das „Wars“ in „Star Wars“ betonte und ohne die gewaltsame Einschraubung von Witz und Witzfiguren auskam, die schon so viele 200-Millionen-Dollar-Kinokolosse ruiniert hatten. Felicity Jones („Die Entdeckung der Unendlichkeit“) und Diego Luna, der danach mit „Narcos: Mexico“ (2018–2020) als Drogenboss Félix Gallardo glänzte, waren als Rebellenduo Jyn Erso und Cassian Andor ein natürlich wirkendes und identifikationsstiftendes Heldengespann. Cool und lebensecht.

Und genauso ist die Prequel-Serie zum Prequel-Film, die fünf Jahre vor „Rogue One“ spielt und erzählt, wie der für sich kämpfende Andor als Kind war, wie der traumatisierte Wildfang von Maarva Andor (Fiona Shaw) adoptiert wurde, wie er durch Luthen Rael (Stellan Skarsgard) für die Rebellen angeworben wurde, „um einen Stab ins Auge des Imperiums zu stechen“, und wie er sich mit einer weiteren Aktion den Zorn des Imperiums zuzog, besser: den von dessen ehrgeizigem Offizier Syril Karn (Kyle Soller). Ein Zielloser bekommt seine Mission. Wurde „The Mandalorian“ von einer Westernstimmung getragen, so ist „Andor“ die Dystopie in George Lucas’ 100.000 Lichtjahre messender Galaxie. Und es ist wie immer: Das Imperium schlägt zurück.

Die echtesten Menschen, die es in der „weit, weit entfernten Galaxis“ je gab

Mehr Handlung soll gar nicht verraten werden. Aber was das Team um Tony Gilroy gezaubert hat, ist „Star Wars noir“ mit den echtesten Menschen, die je in diesem Franchise zu sehen waren – Menschen zum Anfassen, die Angst haben, die bluten, weinen, schwitzen, miteinander schlafen (na ja, zumindest deutet dies der Blick auf eine Bettstatt an), hart aufeinander einschlagen und schmerzvoll sterben.

Hier kommt „Star Wars“ für Erwachsene, der Blick in eine graue und schwarze Welt, deren Farben schmutzig sind, die qualmt und stinkt und deren Stimmung eher bladerunneresk ist als märchenhaft. Es regnet oft und die Musik des zweifach oscarnominierten Nicholas Britell legt eine schwere Traurigkeit auf die Bilder.

Dies ist kein Heldenepos, nichts Siegesgewisses haftet den Figuren der vier (von zwölf) zur Sichtung gewährten Episoden an. Die, die sich hier gegen die Diktatur wehren, sind ernsthaft, verzweifelt, bereit, zu scheitern, und bereit, lange Wege zu gehen für kleine Erfolge. „Andor“ ist anders.

Die Tricktechnik? Gewohnt großartiger „Star Wars“-Standard. Allerfeinstes Kinoniveau. Das Brimborium trägt – zum Glück.

„Star Wars: Andor“, erste Staffel, zwölf Episoden, von Tony Gilroy, mit Diego Luna, Adria Arjona, Stellan Skarsgard, Fiona Shaw, Kyle Soller, Genevieve O’Reilly, Forest Whitaker, Denise Gough (ab 21. September bei Disney+).

KStA abonnieren