The Lincoln ProjectKönnen diese Republikaner Donald Trump stürzen?

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Trump Tower

US-Präsident Donald Trump

  • Republikaner gegen Republikaner: The Lincoln Project ist ein Angriff aus den eigenen Reihen.
  • Die Vereinigung ehemaliger konservativer Wahlstrategen will die Wiederwahl von Donald Trump verhindern.
  • The Lincoln Project ist schärfer und bissiger als andere. Auch der Präsident reagierte schon auf die Vereinigung und schrieb bei Twitter: „Alles Loser“.

Washington – Der Wahlkampf ums Weiße Haus war immer schon hart. Und seit Donald Trump vor vier Jahren die politische Bühne betreten hat, ist die Gangart noch schonungsloser geworden. Persönliche Angriffe und hetzerische Tweet-Kampagnen sind mittlerweile Normalität, Lügen und Desinformation erscheinen als legitime Mittel, um sich einen Vorteil zu verschaffen.

Eine Initiative aber ragt mit ihrer Bissigkeit voraus: The Lincoln Project. Ihre Videos gehen viral, sie sind in ihrer Erzählung und Dramaturgie erbarmungslos. Die sogenannten Negativ-Ads treffen immer denselben: den starken Mann im Oval Office, Donald Trump.

(Ex-)Republikaner stellen sich gegen eigene Partei

Gegründet wurde das Super-Pac (Political Action Committee) von hochdekorierten (Ex-)Republikanern, die sich selbst als Never-Trumper bezeichnen. Ihr Ziel: eine zweite Amtszeit von Trump zu verhindern. Auch wenn das heißt, sich gegen die eigene Partei zu stellen und einem Demokraten möglicherweise den Weg ins Weiße Haus zu ebnen.

Die Betonung liegt auf möglicherweise. Das Lincoln Project und dessen Anti-Trump-Agenda sind in den USA höchst umstritten, über die Herangehensweise wird heftig diskutiert. Ein Argument: Wer von den Anti-Trump-Spots begeistert ist, hätte sowieso kaum für Trump gestimmt. Zudem zweifeln Demokraten wie Republikaner an den Absichten der Vereinigung.

Der Spot „Mourning in America“ verschaffte dem Lincoln Project vor knapp vier Monaten erstmals eine breite öffentliche Wahrnehmung. Darin wird ein heruntergekommenes Bild der Vereinigten Staaten gezeichnet. Unter der Führung Donald Trumps, erklärt ein Sprecher mit sonorer Stimme, seien die USA „schwächer, kranker und ärmer“ geworden. Allein dieser Clip wurde millionenfach gesehen. Und Trump klickte offensichtlich auch auf „play“.

Zum ersten Mal ließ sich der US-Präsident in einen Tweet wütend über das Lincoln Project aus. „Alles Loser“, wetterte er gegen die Gruppe. „Dieses sogenannte ‘Lincoln Project’ schändet Honest Abe.“ Der Name sei nicht fair gegenüber Lincoln, sagte Trump einmal vor Reportern. „Sie sollten sich in Losers Project umbenennen.“ Ein absoluter Ritterschlag für die Gründer der Initiative, zu denen auch George Conway gehört. Pikantes Detail: Der langjährige Republikaner ist der Ehemann von Trump-Beraterin Kellyanne Conway.

Lincoln Project stellt Trumps Gesundheitszustand in Frage

Kellyanne Conway hat das Weiße Haus mittlerweile verlassen. Auch ihr Ehemann hat dem Lincoln Project bereits den Rücken gekehrt, obwohl er die Mission weiter „leidenschaftlich“ unterstütze. Beide gaben an, sich fortan mehr um die Familie kümmern zu wollen.

Doch auch ohne Conway trifft man Trump weiter da, wo es wehtut. Der US-Präsident unterstellt seinem demokratischen Gegner, Joe Biden, gern, dass er senil sei. Das Lincoln Project drehte den Spieß einfach um. Unter dem Hashtag #TrumpIsNotWell wird sein gesundheitlicher Zustand infrage gestellt. Was folgte, sind peinliche Versuche Trumps, seine nach eigenen Worten „außerordentlichen“ geistigen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. In einem Interview mit Fox News brüstete er sich damit, dass er bei einem Demenztest einfache Wortreihen wiederholen konnte. Der US-Präsident tat sich dann jedoch sichtlich schwer, das angebliche kognitive Kunststück zu wiederholen.

„Manche Spots sollen genau einen Zuseher haben“, erklärte Sarah Lenti, Geschäftsführerin des Lincoln Projects, dem „Guardian“: Trump selbst. Wenn er wieder einmal auf Twitter explodiert oder sich öffentlich bloßstellt, sei er abgelenkt vom Wahlkampf und seiner „Message“.

Kann das Lincoln Project die Wahl entscheiden?

Doch genau hier hagelt es für das Lincoln Project Kritik. Zu sehr versuche das Super-Pac, Trump in den Mittelpunkt zu stellen – ihn zu etwas aufzublasen, was er nicht ist: der Grund allen Übels. Kritiker sagen, die Köpfe des Lincoln Projects selbst hätten einst die Republikanische Partei in die Arme von Trump getrieben.

Zu den Gründungsmitgliedern gehören unter anderem:

  • Rick Wilson, früherer republikanischer Stratege, der sich selbst auf seiner Website als „berüchtigten Negativ-Campaigner“ bewirbt.
  • John Weaver, der für George H. W. Bush und John McCain arbeitete.
  • Reed Galen, der George W. Bush 2000 und 2004 ins Weiße Haus verhalf.
  • Steve Schmidt, der mit John McCain als dessen Wahlkampfleiter 2008 gegen Barack Obama antrat.

„The New Republic“ wirft dem Lincoln Project gar „virale Impotenz“ vor. Sie würden Wähler „von überhaupt gar nichts überzeugen“ und im schlimmsten Fall von Bidens Kernthemen ablenken. Auch die „Washington Post“ befand, dass die meisten Spots nur darauf ausgelegt wären, gegen den Präsidenten zu „sticheln“. Republikaner könne man damit aber nicht überzeugen, für Joe Biden zu stimmen.

Eine Studie der Universität Berkeley legt nahe, dass positive Botschaften über Joe Biden effektiver sind als negative über Trump. Selbst dann, wenn das Bild von Trump durch negative Spots verändert wurde, bleibt das Stimmverhalten der Studie zufolge gleich – ein Umstand, der verdeutlicht, wie bedingungslos und beinahe kulthaft die Gefolgschaft in Trumps Kernwählerschaft ist.

The Lincoln Project: Die Furcht der Demokraten

Zudem ist es sehr wahrscheinlich, dass die Spots zwar in der liberalen Twitter-Blase toll ankommen, die propagierte Zielgruppe, unschlüssige Republikaner, sie aber nie zu Gesicht bekommt. Denn das Lincoln Project nimmt mittlerweile zwar sehr viel Geld durch Spenden und mediale Aufmerksamkeit ein – allein im zweiten Quartal 17 Millionen Dollar.

Es gibt laut Vox aber nur einen Bruchteil davon für TV-Spots wieder aus. Und wenn Werbeblocks gekauft werden, dann in ohnehin liberalen Teilen des Landes wie Washington, D. C., das für die Präsidentschaftswahl im November absolut unbedeutend ist. Demokraten befürchten, dass das Lincoln Project jetzt Kapital anhäuft, um später andere Republikaner zu unterstützen.

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Vor Kurzem verkündete das Super-Pac jedoch, dass man Wahlkampfanzeigen in Höhe von einer Million Dollar in Ohio, Michigan, Pennsylvania und Wisconsin gekauft habe. Weitere Millionen Dollar für TV-Werbeblöcke in anderen wichtigen Swing States sollen nach eigener Aussage noch folgen.

Es ist offenbar ein kleiner Kurswechsel, vom Ein-Mann-Publikum im Weißen Haus zu einer breiter angelegten Strategie. Denn einen Präsidenten ablenken zu wollen, der eigentlich immer abgelenkt ist, kann tatsächlich nur wenig effektiv sein.

Dennoch: Selbst wenn das Lincoln Project umstritten ist, kann es am 3. November eine Rolle spielen. Das zeigt die Vergangenheit. Gerade einmal 77.000 Stimmen brachten Donald Trump 2016 die notwendige Mehrheit. Da kann es, selbst wenn die Effekte begrenzt sind, den Demokraten nicht schaden, wenn sich die Republikaner nun gegenseitig ins Visier nehmen. (rnd)

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